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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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den Andern, sie sollen nicht ermüden in Sündhaftigkeit und Muth.
Sie sollen fortfahren zu bauen, zu pflanzen, zu hämmern, zu schif¬
fen, zu dichten und zu singen. Seht Ihr nicht, wie der Wald im¬
mer lichter wird, immer mehr und mehr mit den Euern sich füllt;
nun denn, wenn Eure Anzahl so groß sein wird, um die ganze Länge
der Umzäunung zu füllen, dann wird diese unter Eurer Last von
selbst zusammenbrechen, und Ihr werdet den Brüdern die Hand rei¬
chen, um ihnen das Einsteigen zu erleichtern, die alten Forsten und
die neuen Anpflanzungen werden dann ein gemeinsames, für Alle
gleiches Gebiet bleiben, und der Alte wird der erste sein, der Euch
in diesem Rechte bestätigt, verlaßt Euch darauf, ich bürge Euch
dafür.--




Aber um Himmelswillen, was hat diese alte Rittergeschichte
mit der Wiener Gesellschaft gemein, von der Sie in der Ueberschrift
des Aufsatzes zu erzählen versprachen?

Sie haben Recht und ich danke Ihnen für die Mahnung.
Also schnell von der Wiener Gesellschaft: Wien, die Hauptstadt
des österreichischen Kaiserthums, ist eine alte, alte Stadt, die auf
einem Platze gebaut ist, der früher der Wiener Wald hieß. Die Her¬
zöge von Oesterreich ließen sich danieder, und viele Ritter und Edle
bauten sich Paläste. Auch Handwerker, Kaufleute, Dichter und
Künstler siedelten sich da an. Wien wurde mehrmals von Tür¬
ken, Franzosen und andern Feinden bedroht, und es ist in den Chro¬
nikenbüchern zu lesen, wie die Bürger sich da tapfer, treu und aus¬
harrend betragen. Auch viele Kirchen und Paläste bauten die kunst¬
reichen Bürger, und einen wunderbaren Thurm, der der Stephans¬
thurm heißt. Auch schöne Gärten legten sie an, unter andern den
Augarten und den Prater. Der Genuß dieser Gärten blieb lange
ein Vorbehalt der Grafen; aber am Ende des vorigen Jahrhun--
terks ließ ein berühmter Kaiser den Augarten, der früher nur von
dem Hofe und dem Adel besucht wurde, weit öffnen, und schrieb
über die Thüre: der (ganzen) Menschheit geweiht von ihrem Schät¬
zer. Dieses brachte sonderbare Folgen, und viele der edeln Herren
zogen seit dieser Zeit den Prater dem Augarten vor. Der Prater
aber wird in zwei Hülsten getheilt, die eine heißt der nobel pra¬
ter und die andere der Volkspratcr. In diesem letztern versam-


den Andern, sie sollen nicht ermüden in Sündhaftigkeit und Muth.
Sie sollen fortfahren zu bauen, zu pflanzen, zu hämmern, zu schif¬
fen, zu dichten und zu singen. Seht Ihr nicht, wie der Wald im¬
mer lichter wird, immer mehr und mehr mit den Euern sich füllt;
nun denn, wenn Eure Anzahl so groß sein wird, um die ganze Länge
der Umzäunung zu füllen, dann wird diese unter Eurer Last von
selbst zusammenbrechen, und Ihr werdet den Brüdern die Hand rei¬
chen, um ihnen das Einsteigen zu erleichtern, die alten Forsten und
die neuen Anpflanzungen werden dann ein gemeinsames, für Alle
gleiches Gebiet bleiben, und der Alte wird der erste sein, der Euch
in diesem Rechte bestätigt, verlaßt Euch darauf, ich bürge Euch
dafür.--




Aber um Himmelswillen, was hat diese alte Rittergeschichte
mit der Wiener Gesellschaft gemein, von der Sie in der Ueberschrift
des Aufsatzes zu erzählen versprachen?

Sie haben Recht und ich danke Ihnen für die Mahnung.
Also schnell von der Wiener Gesellschaft: Wien, die Hauptstadt
des österreichischen Kaiserthums, ist eine alte, alte Stadt, die auf
einem Platze gebaut ist, der früher der Wiener Wald hieß. Die Her¬
zöge von Oesterreich ließen sich danieder, und viele Ritter und Edle
bauten sich Paläste. Auch Handwerker, Kaufleute, Dichter und
Künstler siedelten sich da an. Wien wurde mehrmals von Tür¬
ken, Franzosen und andern Feinden bedroht, und es ist in den Chro¬
nikenbüchern zu lesen, wie die Bürger sich da tapfer, treu und aus¬
harrend betragen. Auch viele Kirchen und Paläste bauten die kunst¬
reichen Bürger, und einen wunderbaren Thurm, der der Stephans¬
thurm heißt. Auch schöne Gärten legten sie an, unter andern den
Augarten und den Prater. Der Genuß dieser Gärten blieb lange
ein Vorbehalt der Grafen; aber am Ende des vorigen Jahrhun--
terks ließ ein berühmter Kaiser den Augarten, der früher nur von
dem Hofe und dem Adel besucht wurde, weit öffnen, und schrieb
über die Thüre: der (ganzen) Menschheit geweiht von ihrem Schät¬
zer. Dieses brachte sonderbare Folgen, und viele der edeln Herren
zogen seit dieser Zeit den Prater dem Augarten vor. Der Prater
aber wird in zwei Hülsten getheilt, die eine heißt der nobel pra¬
ter und die andere der Volkspratcr. In diesem letztern versam-


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[0503] den Andern, sie sollen nicht ermüden in Sündhaftigkeit und Muth. Sie sollen fortfahren zu bauen, zu pflanzen, zu hämmern, zu schif¬ fen, zu dichten und zu singen. Seht Ihr nicht, wie der Wald im¬ mer lichter wird, immer mehr und mehr mit den Euern sich füllt; nun denn, wenn Eure Anzahl so groß sein wird, um die ganze Länge der Umzäunung zu füllen, dann wird diese unter Eurer Last von selbst zusammenbrechen, und Ihr werdet den Brüdern die Hand rei¬ chen, um ihnen das Einsteigen zu erleichtern, die alten Forsten und die neuen Anpflanzungen werden dann ein gemeinsames, für Alle gleiches Gebiet bleiben, und der Alte wird der erste sein, der Euch in diesem Rechte bestätigt, verlaßt Euch darauf, ich bürge Euch dafür.-- Aber um Himmelswillen, was hat diese alte Rittergeschichte mit der Wiener Gesellschaft gemein, von der Sie in der Ueberschrift des Aufsatzes zu erzählen versprachen? Sie haben Recht und ich danke Ihnen für die Mahnung. Also schnell von der Wiener Gesellschaft: Wien, die Hauptstadt des österreichischen Kaiserthums, ist eine alte, alte Stadt, die auf einem Platze gebaut ist, der früher der Wiener Wald hieß. Die Her¬ zöge von Oesterreich ließen sich danieder, und viele Ritter und Edle bauten sich Paläste. Auch Handwerker, Kaufleute, Dichter und Künstler siedelten sich da an. Wien wurde mehrmals von Tür¬ ken, Franzosen und andern Feinden bedroht, und es ist in den Chro¬ nikenbüchern zu lesen, wie die Bürger sich da tapfer, treu und aus¬ harrend betragen. Auch viele Kirchen und Paläste bauten die kunst¬ reichen Bürger, und einen wunderbaren Thurm, der der Stephans¬ thurm heißt. Auch schöne Gärten legten sie an, unter andern den Augarten und den Prater. Der Genuß dieser Gärten blieb lange ein Vorbehalt der Grafen; aber am Ende des vorigen Jahrhun-- terks ließ ein berühmter Kaiser den Augarten, der früher nur von dem Hofe und dem Adel besucht wurde, weit öffnen, und schrieb über die Thüre: der (ganzen) Menschheit geweiht von ihrem Schät¬ zer. Dieses brachte sonderbare Folgen, und viele der edeln Herren zogen seit dieser Zeit den Prater dem Augarten vor. Der Prater aber wird in zwei Hülsten getheilt, die eine heißt der nobel pra¬ ter und die andere der Volkspratcr. In diesem letztern versam-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/503>, abgerufen am 02.09.2024.