Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.grasen neidete". In den alten Forsten des Junkers und Ritters grasen neidete». In den alten Forsten des Junkers und Ritters <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182311"/> <p xml:id="ID_1179" prev="#ID_1178" next="#ID_1180"> grasen neidete». In den alten Forsten des Junkers und Ritters<lb/> war jedoch der Anblick ein ganz anderer. Die Bäume waren ver¬<lb/> wildert, die Wege von Gestrüppe und Felsengerölle verdorben, die<lb/> Jagdhäuser verfielen, Wölfe und Füchse mehrten sich,, die Herren,<lb/> schlechte Wirthe, verschwenderisch und unthätig, sahen ihre Einkünfte<lb/> mit jedem Tage schmäler werden, und blickten mit Neid auf die la¬<lb/> chenden Fluren ihrer Nachbarn hinüber. Da trat endlich der Jun¬<lb/> ker mit kecker Miene vor den Alten hin. Großvater, sagte er, un¬<lb/> ser Erbe droht zu faulen und zu verderben, wir sind der Arbeit<lb/> ungewohnt und unser Blut ist zu edel, als daß wir zu niedriger<lb/> Hcmthierung uns entwürdigen könnten. Die da draußen aber sind<lb/> adelloses Volk, ihnen kommt es zu, mit Rechen, Säge und Ham¬<lb/> mer zu arbeiten. Drum befiehl ihnen, daß sie unsern Wald nach<lb/> dem Muster des ihrigen bearbeiten und bebauen. Der Alte sah<lb/> den kecken Forderer mit langen Blicken an, aber er fürchtete ihn<lb/> aufzubringen, er scheute die Störung seiner Ruhe. Ich kann ihnen<lb/> nicht befehlen, sagte er, trachtet Ihr sie zu gewinnen, haut den<lb/> Zaun um, der Euch von ihnen trennt und macht Gemeinschaft.<lb/> Den Zaun umhauen? Nimmermehr! Wie könnt Ihr uns dazu<lb/> rathen, Vater? Vergeßt Ihr, daß wir allein reines Blut in un¬<lb/> sern Adern haben? Vergeßt Ihr, daß unser Vater Euch einst bei Eu¬<lb/> ren Fehden l-eistand, Euch die Meßfahrer plündern half, daß wir al¬<lb/> lein Eure rechten Verwandten sind? Wollt Ihr Euch selbst in uns<lb/> erniedrigen? Der Greis seufzte, er gedachte früherer Sünden und<lb/> Verirrungen, worin der Ritter allerdings ihm stets ein getreuer Ge¬<lb/> hilfe war. Endlich sagte er, indem er seiner Stimme den sanftesten<lb/> Ton zu geben suchte: Ich kann, kann Dir nicht helfen, mein guter<lb/> Sohn, ich kann ihnen solchen Befehl nicht auferlegen, Ihr seid<lb/> mächtig, aber sie sind eS auch, ja sie sind noch mächtiger als Ihr,<lb/> wenn sie erst ihre ganze Kraft kennen lernen. Im Fluge wachsen<lb/> die Flügel, und im Kampfe die Kräfte. Folgt meinem Rathe, reizt<lb/> sie nicht, jetzt noch sind sie demüthig gegen Euch, trachtet sie durch<lb/> sanfte Worte zu gewinnen, zu überreden, sie sind noch nicht gewohnt,<lb/> gegen Euch zu trotzen, und Ihr werdet sie für Euren Zweck ge¬<lb/> winnen, ich will Euch dabei beistehen, so weit ich kann. Der Jun¬<lb/> ker ging und der Alte athmete wieder auf, als wäre ein schwerer<lb/> Stein von seinem Herzen gefallen. Sein Rath ward befolgt, und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
grasen neidete». In den alten Forsten des Junkers und Ritters
war jedoch der Anblick ein ganz anderer. Die Bäume waren ver¬
wildert, die Wege von Gestrüppe und Felsengerölle verdorben, die
Jagdhäuser verfielen, Wölfe und Füchse mehrten sich,, die Herren,
schlechte Wirthe, verschwenderisch und unthätig, sahen ihre Einkünfte
mit jedem Tage schmäler werden, und blickten mit Neid auf die la¬
chenden Fluren ihrer Nachbarn hinüber. Da trat endlich der Jun¬
ker mit kecker Miene vor den Alten hin. Großvater, sagte er, un¬
ser Erbe droht zu faulen und zu verderben, wir sind der Arbeit
ungewohnt und unser Blut ist zu edel, als daß wir zu niedriger
Hcmthierung uns entwürdigen könnten. Die da draußen aber sind
adelloses Volk, ihnen kommt es zu, mit Rechen, Säge und Ham¬
mer zu arbeiten. Drum befiehl ihnen, daß sie unsern Wald nach
dem Muster des ihrigen bearbeiten und bebauen. Der Alte sah
den kecken Forderer mit langen Blicken an, aber er fürchtete ihn
aufzubringen, er scheute die Störung seiner Ruhe. Ich kann ihnen
nicht befehlen, sagte er, trachtet Ihr sie zu gewinnen, haut den
Zaun um, der Euch von ihnen trennt und macht Gemeinschaft.
Den Zaun umhauen? Nimmermehr! Wie könnt Ihr uns dazu
rathen, Vater? Vergeßt Ihr, daß wir allein reines Blut in un¬
sern Adern haben? Vergeßt Ihr, daß unser Vater Euch einst bei Eu¬
ren Fehden l-eistand, Euch die Meßfahrer plündern half, daß wir al¬
lein Eure rechten Verwandten sind? Wollt Ihr Euch selbst in uns
erniedrigen? Der Greis seufzte, er gedachte früherer Sünden und
Verirrungen, worin der Ritter allerdings ihm stets ein getreuer Ge¬
hilfe war. Endlich sagte er, indem er seiner Stimme den sanftesten
Ton zu geben suchte: Ich kann, kann Dir nicht helfen, mein guter
Sohn, ich kann ihnen solchen Befehl nicht auferlegen, Ihr seid
mächtig, aber sie sind eS auch, ja sie sind noch mächtiger als Ihr,
wenn sie erst ihre ganze Kraft kennen lernen. Im Fluge wachsen
die Flügel, und im Kampfe die Kräfte. Folgt meinem Rathe, reizt
sie nicht, jetzt noch sind sie demüthig gegen Euch, trachtet sie durch
sanfte Worte zu gewinnen, zu überreden, sie sind noch nicht gewohnt,
gegen Euch zu trotzen, und Ihr werdet sie für Euren Zweck ge¬
winnen, ich will Euch dabei beistehen, so weit ich kann. Der Jun¬
ker ging und der Alte athmete wieder auf, als wäre ein schwerer
Stein von seinem Herzen gefallen. Sein Rath ward befolgt, und
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