Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.und derselben Partei rechnet, nicht solidarisch verhaftet für das, was und derselben Partei rechnet, nicht solidarisch verhaftet für das, was <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182279"/> <p xml:id="ID_1104" prev="#ID_1103" next="#ID_1105"> und derselben Partei rechnet, nicht solidarisch verhaftet für das, was<lb/> ich sage. Hierbei erinnere ich mich einer Aeußerung von Biedermann<lb/> in seinem „Herold." Biedermann klagt nämlich darüber, daß es in<lb/> der liberalen Presse bei uns gar kein Zusammenhalte» der Partei<lb/> gebe. Das ist aber eine seltsame Jumuthung. Wenn wir in der<lb/> Praxis politische Parteien hätten und haben könnten, so wäre die<lb/> Forderung gerechtfertigt, daß der Einzelne seine Privatmeinung zum<lb/> Opfer bringe, um den Beschluß der Partei, der er angehört, zu ver¬<lb/> treten; in der Presse aber müssen die Meinungen auf einander platzen.<lb/> Da kann nur die Aufgabe sein, die Sachen möglichst ins Klare zu<lb/> bringen; unsere Journale werden nicht von Parteien unterhalten und<lb/> können nicht Parteiorgane sein. Die Organe der „guten" Presse mö¬<lb/> gen zum Theil diesen Charakter haben, nämlich dann, wenn sie „sub-<lb/> ventivnirt" sind, aber die Organe der liberalen Presse stehen bei uns<lb/> isolirt, sind insgesammt nur — buchhandlerische Unternehmungen, seit<lb/> die weiland Rheinische Zeitung todt ist. Um nun zu jener Frage<lb/> des Rheinischen Beobachters zurückzukehren, ob ich „also keine Preß-<lb/> freiheit" wolle, so antworte ich: nein, im gegenwärtigen Augenblicke<lb/> finde ich die Aufhebung der Censur — nicht etwa, nicht wünschens-<lb/> werth, bei Leibe! aber unmöglich, den Gesammtzuständen nach, und<lb/> ich würde die Einführung eines allgemeinen deutschen Preßgcfetzes, so<lb/> lange diese Zustände in derselben Weife fortdauern, für eine Gefähr¬<lb/> dung derjenigen Freiheit, der wir für die Presse jetzt genießen, halten.<lb/> Denn so gebunden die Presse formell ist, sonderlich die Tagespresse,<lb/> so-ist doch nicht zu läugnen, daß, materiell genommen, die deutsche<lb/> Presse die freieste von allen ist; bei uns sind in den letztern Jahren<lb/> Werke erschienen und werden offen und unverholen in Deutschland<lb/> verkauft, deren Erscheinung in den Ländern größerer formeller Freiheit<lb/> geradezu unmöglich gewesen wäre. Dies würde nun aufhören, wenn<lb/> wir ein Preßgesetz hatten, welches die Existenz solcher Werke richter¬<lb/> licher Entscheidung unterwürfe; was die Verwaltung zu confisciren<lb/> und zu vernichten gerechtes Bedenken trägt, das würde der starre<lb/> Rechtsspruch rücksichtslos zu Boden treten, und die Verwaltung würde<lb/> den Rechtsspruch unbedenklich vollführen, ohne deswegen ein Odium<lb/> irgend einer Art. fürchten zu dürfen. Preußen ist, unter diesem Ge¬<lb/> sichtspunkt betrachtet, schon unfreier als z. V. Sachsen, weil in Preu¬<lb/> ßen mit dem Obcrcensurgcrichte etwas dem geschilderten Rechtszu¬<lb/> stande Analoges bereits eingerichtet ist. Ich wiederhole, was ich hier<lb/> sage, gilt unter den bestehenden Verhältnissen; unter andern Ver¬<lb/> hältnissen würde meine Antwort anders ausfallen: es wäre thöricht<lb/> über irgend eine Angelegenheit der Wirklichkeit nach allgemeinen Theo¬<lb/> rien zu entscheiden. — Ich komme nicht los, wie Sie sehen, von<lb/> der Presse. Das ist auch einer von den Punkten, welche der Rhei¬<lb/> nische Beobachter der liberalen Presse zum Vorwurf gemacht hat: sie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
und derselben Partei rechnet, nicht solidarisch verhaftet für das, was
ich sage. Hierbei erinnere ich mich einer Aeußerung von Biedermann
in seinem „Herold." Biedermann klagt nämlich darüber, daß es in
der liberalen Presse bei uns gar kein Zusammenhalte» der Partei
gebe. Das ist aber eine seltsame Jumuthung. Wenn wir in der
Praxis politische Parteien hätten und haben könnten, so wäre die
Forderung gerechtfertigt, daß der Einzelne seine Privatmeinung zum
Opfer bringe, um den Beschluß der Partei, der er angehört, zu ver¬
treten; in der Presse aber müssen die Meinungen auf einander platzen.
Da kann nur die Aufgabe sein, die Sachen möglichst ins Klare zu
bringen; unsere Journale werden nicht von Parteien unterhalten und
können nicht Parteiorgane sein. Die Organe der „guten" Presse mö¬
gen zum Theil diesen Charakter haben, nämlich dann, wenn sie „sub-
ventivnirt" sind, aber die Organe der liberalen Presse stehen bei uns
isolirt, sind insgesammt nur — buchhandlerische Unternehmungen, seit
die weiland Rheinische Zeitung todt ist. Um nun zu jener Frage
des Rheinischen Beobachters zurückzukehren, ob ich „also keine Preß-
freiheit" wolle, so antworte ich: nein, im gegenwärtigen Augenblicke
finde ich die Aufhebung der Censur — nicht etwa, nicht wünschens-
werth, bei Leibe! aber unmöglich, den Gesammtzuständen nach, und
ich würde die Einführung eines allgemeinen deutschen Preßgcfetzes, so
lange diese Zustände in derselben Weife fortdauern, für eine Gefähr¬
dung derjenigen Freiheit, der wir für die Presse jetzt genießen, halten.
Denn so gebunden die Presse formell ist, sonderlich die Tagespresse,
so-ist doch nicht zu läugnen, daß, materiell genommen, die deutsche
Presse die freieste von allen ist; bei uns sind in den letztern Jahren
Werke erschienen und werden offen und unverholen in Deutschland
verkauft, deren Erscheinung in den Ländern größerer formeller Freiheit
geradezu unmöglich gewesen wäre. Dies würde nun aufhören, wenn
wir ein Preßgesetz hatten, welches die Existenz solcher Werke richter¬
licher Entscheidung unterwürfe; was die Verwaltung zu confisciren
und zu vernichten gerechtes Bedenken trägt, das würde der starre
Rechtsspruch rücksichtslos zu Boden treten, und die Verwaltung würde
den Rechtsspruch unbedenklich vollführen, ohne deswegen ein Odium
irgend einer Art. fürchten zu dürfen. Preußen ist, unter diesem Ge¬
sichtspunkt betrachtet, schon unfreier als z. V. Sachsen, weil in Preu¬
ßen mit dem Obcrcensurgcrichte etwas dem geschilderten Rechtszu¬
stande Analoges bereits eingerichtet ist. Ich wiederhole, was ich hier
sage, gilt unter den bestehenden Verhältnissen; unter andern Ver¬
hältnissen würde meine Antwort anders ausfallen: es wäre thöricht
über irgend eine Angelegenheit der Wirklichkeit nach allgemeinen Theo¬
rien zu entscheiden. — Ich komme nicht los, wie Sie sehen, von
der Presse. Das ist auch einer von den Punkten, welche der Rhei¬
nische Beobachter der liberalen Presse zum Vorwurf gemacht hat: sie
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