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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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uns und jeden Fremden das glänzende Kunstgenie des Herrn Spren¬
ger gebracht, da gegenwärtig Niemand den Thurm besteigen darf,
von dessen Zinne man die herrlichste Aussicht genoß. Das Verbot
hat da es bei dem früheren Bau der Thurmspitze nicht bestand, die
Sage erzeugt, daß man den Ursprung dieses Verbots dem Hof-
baurath Sprenger zu verdanken hatte, daß er nämlich aus Furcht sein
morsches Bauwerk den Augen Sachverständiger und Beurtheilungs-
sähigcr zu entziehen suchte.

Der Hos hat sich diesmal, trotz des Hinscheidens des Herzog"
von Modena und der dadurch eingetretenen Hoftrauer, nicht in seinen
Carnevalsfrcuden stören lassen und es fanden mehrere Kammerbälle
statt. Auch die Aristokratie hat sich wenig um den erwähnten Todes¬
fall bekümmert und glänzende Festivitäten veranstaltet, worunter na¬
mentlich die des Fürsten Schwarzenberg und des Fürsten Trautmans-
dorf als prachtvoll und heiter geschildert werden. Unter den sonstigen
Bällen müssen wir besonders des slawischen Balles gedenken und des¬
jenigen, welchen alljährlich die Serben veranstalten. Auf beiden wurde
blos slawisch gesprochen und man hörte da alle slawischen Mundarten
reden, auch hübsche Nationaltänze kamen zum Vorschein, die man
sonst nirgend sieht und unter denselben verdient der Koko ganz vor¬
züglich Erwähnung wegen der Grazie seiner Touren. Fürst Milosch
mit seinem Sohne, Fürst Ghika, Graf Kolowrat, Fürst Schwar-
zenberg und viele andere Cavaliere besuchten die erwähnten Nationalbälle.


III.
Aus B cru et.

Der unberechtigte Standpunkt. -- Die Landtagsabschiede und die öffentliche
Meinung. -- Die vortheilhafte Stellung der "guten" Presse. -- Die vier
Monatschrifttn. -- Solidarität der Meinungen. -- Frage und Antwort. --
Der Wanüstrcit. -- Ianus. -- Herr Hermes. -- Society leonina. -- Die
Sünde wider den heiligen Geist.

Ich fahre in meiner Rückschau fort. -- Die Charakteristik, welche
ich neulich von den verschiedenen Organen der preußischen "guten"
Presse, wie sie sie nennen, zu geben versuchte, erfordert, damit sie nicht
der Mißdeutung ausgesetzt sei, vielleicht noch eine Bemerkung, obgleich
sich das, was ich bemerken will, im Grunde ganz von selbst versteht.
Nämlich, daß meine Charakteristik sich nur auf die Haltung jener ver¬
schiedenen Organe im Ganzen genommen bezieht, und nicht so ge¬
meint ist, als ob nicht mitunter in dem einen derselben auch Aufsätze
vorkamen, welche mehr dem Charakter des andern entsprechen. So
hat z. B. der Rheinische Beobachter hin und wieder Aufsätze gebracht,
welche in dem Geiste, den ich vorzugsweise der "Zeitung für Preu¬
ßen" beimaß, abgefaßt sind; noch ganz kürzlich einen sehr gut gedach¬
ten und geschriebenen Artikel in Betreff zweier Abhandlungen der
Cölnischen Zeitung über die Landtagsabschiede. In diesem Artikel


uns und jeden Fremden das glänzende Kunstgenie des Herrn Spren¬
ger gebracht, da gegenwärtig Niemand den Thurm besteigen darf,
von dessen Zinne man die herrlichste Aussicht genoß. Das Verbot
hat da es bei dem früheren Bau der Thurmspitze nicht bestand, die
Sage erzeugt, daß man den Ursprung dieses Verbots dem Hof-
baurath Sprenger zu verdanken hatte, daß er nämlich aus Furcht sein
morsches Bauwerk den Augen Sachverständiger und Beurtheilungs-
sähigcr zu entziehen suchte.

Der Hos hat sich diesmal, trotz des Hinscheidens des Herzog«
von Modena und der dadurch eingetretenen Hoftrauer, nicht in seinen
Carnevalsfrcuden stören lassen und es fanden mehrere Kammerbälle
statt. Auch die Aristokratie hat sich wenig um den erwähnten Todes¬
fall bekümmert und glänzende Festivitäten veranstaltet, worunter na¬
mentlich die des Fürsten Schwarzenberg und des Fürsten Trautmans-
dorf als prachtvoll und heiter geschildert werden. Unter den sonstigen
Bällen müssen wir besonders des slawischen Balles gedenken und des¬
jenigen, welchen alljährlich die Serben veranstalten. Auf beiden wurde
blos slawisch gesprochen und man hörte da alle slawischen Mundarten
reden, auch hübsche Nationaltänze kamen zum Vorschein, die man
sonst nirgend sieht und unter denselben verdient der Koko ganz vor¬
züglich Erwähnung wegen der Grazie seiner Touren. Fürst Milosch
mit seinem Sohne, Fürst Ghika, Graf Kolowrat, Fürst Schwar-
zenberg und viele andere Cavaliere besuchten die erwähnten Nationalbälle.


III.
Aus B cru et.

Der unberechtigte Standpunkt. — Die Landtagsabschiede und die öffentliche
Meinung. — Die vortheilhafte Stellung der „guten" Presse. — Die vier
Monatschrifttn. — Solidarität der Meinungen. — Frage und Antwort. —
Der Wanüstrcit. — Ianus. — Herr Hermes. — Society leonina. — Die
Sünde wider den heiligen Geist.

Ich fahre in meiner Rückschau fort. — Die Charakteristik, welche
ich neulich von den verschiedenen Organen der preußischen „guten"
Presse, wie sie sie nennen, zu geben versuchte, erfordert, damit sie nicht
der Mißdeutung ausgesetzt sei, vielleicht noch eine Bemerkung, obgleich
sich das, was ich bemerken will, im Grunde ganz von selbst versteht.
Nämlich, daß meine Charakteristik sich nur auf die Haltung jener ver¬
schiedenen Organe im Ganzen genommen bezieht, und nicht so ge¬
meint ist, als ob nicht mitunter in dem einen derselben auch Aufsätze
vorkamen, welche mehr dem Charakter des andern entsprechen. So
hat z. B. der Rheinische Beobachter hin und wieder Aufsätze gebracht,
welche in dem Geiste, den ich vorzugsweise der „Zeitung für Preu¬
ßen" beimaß, abgefaßt sind; noch ganz kürzlich einen sehr gut gedach¬
ten und geschriebenen Artikel in Betreff zweier Abhandlungen der
Cölnischen Zeitung über die Landtagsabschiede. In diesem Artikel


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[0466] uns und jeden Fremden das glänzende Kunstgenie des Herrn Spren¬ ger gebracht, da gegenwärtig Niemand den Thurm besteigen darf, von dessen Zinne man die herrlichste Aussicht genoß. Das Verbot hat da es bei dem früheren Bau der Thurmspitze nicht bestand, die Sage erzeugt, daß man den Ursprung dieses Verbots dem Hof- baurath Sprenger zu verdanken hatte, daß er nämlich aus Furcht sein morsches Bauwerk den Augen Sachverständiger und Beurtheilungs- sähigcr zu entziehen suchte. Der Hos hat sich diesmal, trotz des Hinscheidens des Herzog« von Modena und der dadurch eingetretenen Hoftrauer, nicht in seinen Carnevalsfrcuden stören lassen und es fanden mehrere Kammerbälle statt. Auch die Aristokratie hat sich wenig um den erwähnten Todes¬ fall bekümmert und glänzende Festivitäten veranstaltet, worunter na¬ mentlich die des Fürsten Schwarzenberg und des Fürsten Trautmans- dorf als prachtvoll und heiter geschildert werden. Unter den sonstigen Bällen müssen wir besonders des slawischen Balles gedenken und des¬ jenigen, welchen alljährlich die Serben veranstalten. Auf beiden wurde blos slawisch gesprochen und man hörte da alle slawischen Mundarten reden, auch hübsche Nationaltänze kamen zum Vorschein, die man sonst nirgend sieht und unter denselben verdient der Koko ganz vor¬ züglich Erwähnung wegen der Grazie seiner Touren. Fürst Milosch mit seinem Sohne, Fürst Ghika, Graf Kolowrat, Fürst Schwar- zenberg und viele andere Cavaliere besuchten die erwähnten Nationalbälle. III. Aus B cru et. Der unberechtigte Standpunkt. — Die Landtagsabschiede und die öffentliche Meinung. — Die vortheilhafte Stellung der „guten" Presse. — Die vier Monatschrifttn. — Solidarität der Meinungen. — Frage und Antwort. — Der Wanüstrcit. — Ianus. — Herr Hermes. — Society leonina. — Die Sünde wider den heiligen Geist. Ich fahre in meiner Rückschau fort. — Die Charakteristik, welche ich neulich von den verschiedenen Organen der preußischen „guten" Presse, wie sie sie nennen, zu geben versuchte, erfordert, damit sie nicht der Mißdeutung ausgesetzt sei, vielleicht noch eine Bemerkung, obgleich sich das, was ich bemerken will, im Grunde ganz von selbst versteht. Nämlich, daß meine Charakteristik sich nur auf die Haltung jener ver¬ schiedenen Organe im Ganzen genommen bezieht, und nicht so ge¬ meint ist, als ob nicht mitunter in dem einen derselben auch Aufsätze vorkamen, welche mehr dem Charakter des andern entsprechen. So hat z. B. der Rheinische Beobachter hin und wieder Aufsätze gebracht, welche in dem Geiste, den ich vorzugsweise der „Zeitung für Preu¬ ßen" beimaß, abgefaßt sind; noch ganz kürzlich einen sehr gut gedach¬ ten und geschriebenen Artikel in Betreff zweier Abhandlungen der Cölnischen Zeitung über die Landtagsabschiede. In diesem Artikel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/466>, abgerufen am 22.12.2024.