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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Ungerechtigkeit gegen die Mitglieder in den deutschen Erbländern sein
würde, ja eine förmliche Besteuerung der feuerfest gebauten Hauser
zu Gunsten der Strohhütten.

Die überaus schöne und milde Witterung, deren wir uns er¬
freuen, bringt alle Gewerbe zu deren Betrieb Eis erforderlich ist, in
nicht geringe Verlegenheit, so daß die Gloggnitzer Eisenbahn seit ei¬
nigen Tagen ganze Lastwagen voll Eisschollen aus den Gebirgsge¬
genden von der steiermärkischen Grenze Hieher befördert, wo sie zu
<i Gulden der Centner verkauft werden. Diese Speculation muß
sehr einträglich sein, denn ein hiesiger Spekulant hat bereits die Idee
ergrissen in Linz Schisse mit Eis aus dem Salzkammergute zu be¬
frachten und die Donau herab nach der Hauptstadt zu schassen, da
die Witterung die Bcfahrung des Stromes, auf dem auch die Dampf¬
schiffe bereits wieder gehen, gestattet.

Grillparzer, welcher schon mehrere Male bei der Besetzung der
Custosstelle an der k. k. Hofbibliothek übergangen und erst unlängst
wieder dem Dichter Halm, welcher weit weniger Dienstjahre zahlt
und bedeutend jünger ist, nachgesetzt ward, soll jetzt durch Rangser¬
höhung und eine Personalzulage entschädigt werden. Gegenwärtig be¬
zieht Grillparzer als Director des k. k. Hofkammer-Archivs 2100
Gulden Gehalt.

Der Bruder des berühmten Heinrich Heine, Gustav Heine, der
österreichischer Dragonerofsizier ist, hat ein Lustspiel vollendet: "Die
Kadetten" das im Theater an der Wien in die Scene gehen soll und
arbeitet ein einem andern Drama, welches "Deutsche Liebe" heißt und
eben so ausgezeichnet in der Anlage als in der Durchführung ist. --
Der Volksdichter F. Kaiser, der seit Nestroys Verstummen der vor¬
züglichste Repräsentant der hiesigen Volksmuse sein dürfte, liegt auf
den Tod darnieder und wird schwerlich aufkommen. Der Verfasser
des Spartacus, Herr Weber, ist wieder Hieher gekommen, um die
Darstellung seines neuen Dramas: "Die Wahabiten" zu betreiben.
Wilkomm hat auf seiner Rückkehr aus Italien hier eingesprochen. An¬
dersen wird erwartet.

Statt gegen den allerdings gesetzlichen Mißbrauch des Schießens
auf öffentlicher Straße von Seite der Schildwachen die geeigneten
Anwendungen zu erlassen und namentlich höheren Orts dahin zu
wirken, daß das gegen Vernunft und Moral streitende, lediglich zu
Gunsten des militärischen Kastengeistes dienliche Rauchverbot
sofort beseitigt werde, hat der commandirende General einen weiteren
Befehl an die hiesige Garnison ertheilt, der gleichfalls geeignet ist
die Mißstimmung des Publicums zu steigern und die Eitelkeit und
Anmaßung des Militairs zu erhöhen. Es darf in Zukunft kein
Soldat an öffentlichen VergnügungSorten, selbst wenn es von Her
Ordnung gefordert wird, sein Seitengewehr ablegen, so daß also auf


Ungerechtigkeit gegen die Mitglieder in den deutschen Erbländern sein
würde, ja eine förmliche Besteuerung der feuerfest gebauten Hauser
zu Gunsten der Strohhütten.

Die überaus schöne und milde Witterung, deren wir uns er¬
freuen, bringt alle Gewerbe zu deren Betrieb Eis erforderlich ist, in
nicht geringe Verlegenheit, so daß die Gloggnitzer Eisenbahn seit ei¬
nigen Tagen ganze Lastwagen voll Eisschollen aus den Gebirgsge¬
genden von der steiermärkischen Grenze Hieher befördert, wo sie zu
<i Gulden der Centner verkauft werden. Diese Speculation muß
sehr einträglich sein, denn ein hiesiger Spekulant hat bereits die Idee
ergrissen in Linz Schisse mit Eis aus dem Salzkammergute zu be¬
frachten und die Donau herab nach der Hauptstadt zu schassen, da
die Witterung die Bcfahrung des Stromes, auf dem auch die Dampf¬
schiffe bereits wieder gehen, gestattet.

Grillparzer, welcher schon mehrere Male bei der Besetzung der
Custosstelle an der k. k. Hofbibliothek übergangen und erst unlängst
wieder dem Dichter Halm, welcher weit weniger Dienstjahre zahlt
und bedeutend jünger ist, nachgesetzt ward, soll jetzt durch Rangser¬
höhung und eine Personalzulage entschädigt werden. Gegenwärtig be¬
zieht Grillparzer als Director des k. k. Hofkammer-Archivs 2100
Gulden Gehalt.

Der Bruder des berühmten Heinrich Heine, Gustav Heine, der
österreichischer Dragonerofsizier ist, hat ein Lustspiel vollendet: „Die
Kadetten" das im Theater an der Wien in die Scene gehen soll und
arbeitet ein einem andern Drama, welches „Deutsche Liebe" heißt und
eben so ausgezeichnet in der Anlage als in der Durchführung ist. —
Der Volksdichter F. Kaiser, der seit Nestroys Verstummen der vor¬
züglichste Repräsentant der hiesigen Volksmuse sein dürfte, liegt auf
den Tod darnieder und wird schwerlich aufkommen. Der Verfasser
des Spartacus, Herr Weber, ist wieder Hieher gekommen, um die
Darstellung seines neuen Dramas: „Die Wahabiten" zu betreiben.
Wilkomm hat auf seiner Rückkehr aus Italien hier eingesprochen. An¬
dersen wird erwartet.

Statt gegen den allerdings gesetzlichen Mißbrauch des Schießens
auf öffentlicher Straße von Seite der Schildwachen die geeigneten
Anwendungen zu erlassen und namentlich höheren Orts dahin zu
wirken, daß das gegen Vernunft und Moral streitende, lediglich zu
Gunsten des militärischen Kastengeistes dienliche Rauchverbot
sofort beseitigt werde, hat der commandirende General einen weiteren
Befehl an die hiesige Garnison ertheilt, der gleichfalls geeignet ist
die Mißstimmung des Publicums zu steigern und die Eitelkeit und
Anmaßung des Militairs zu erhöhen. Es darf in Zukunft kein
Soldat an öffentlichen VergnügungSorten, selbst wenn es von Her
Ordnung gefordert wird, sein Seitengewehr ablegen, so daß also auf


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[0464] Ungerechtigkeit gegen die Mitglieder in den deutschen Erbländern sein würde, ja eine förmliche Besteuerung der feuerfest gebauten Hauser zu Gunsten der Strohhütten. Die überaus schöne und milde Witterung, deren wir uns er¬ freuen, bringt alle Gewerbe zu deren Betrieb Eis erforderlich ist, in nicht geringe Verlegenheit, so daß die Gloggnitzer Eisenbahn seit ei¬ nigen Tagen ganze Lastwagen voll Eisschollen aus den Gebirgsge¬ genden von der steiermärkischen Grenze Hieher befördert, wo sie zu <i Gulden der Centner verkauft werden. Diese Speculation muß sehr einträglich sein, denn ein hiesiger Spekulant hat bereits die Idee ergrissen in Linz Schisse mit Eis aus dem Salzkammergute zu be¬ frachten und die Donau herab nach der Hauptstadt zu schassen, da die Witterung die Bcfahrung des Stromes, auf dem auch die Dampf¬ schiffe bereits wieder gehen, gestattet. Grillparzer, welcher schon mehrere Male bei der Besetzung der Custosstelle an der k. k. Hofbibliothek übergangen und erst unlängst wieder dem Dichter Halm, welcher weit weniger Dienstjahre zahlt und bedeutend jünger ist, nachgesetzt ward, soll jetzt durch Rangser¬ höhung und eine Personalzulage entschädigt werden. Gegenwärtig be¬ zieht Grillparzer als Director des k. k. Hofkammer-Archivs 2100 Gulden Gehalt. Der Bruder des berühmten Heinrich Heine, Gustav Heine, der österreichischer Dragonerofsizier ist, hat ein Lustspiel vollendet: „Die Kadetten" das im Theater an der Wien in die Scene gehen soll und arbeitet ein einem andern Drama, welches „Deutsche Liebe" heißt und eben so ausgezeichnet in der Anlage als in der Durchführung ist. — Der Volksdichter F. Kaiser, der seit Nestroys Verstummen der vor¬ züglichste Repräsentant der hiesigen Volksmuse sein dürfte, liegt auf den Tod darnieder und wird schwerlich aufkommen. Der Verfasser des Spartacus, Herr Weber, ist wieder Hieher gekommen, um die Darstellung seines neuen Dramas: „Die Wahabiten" zu betreiben. Wilkomm hat auf seiner Rückkehr aus Italien hier eingesprochen. An¬ dersen wird erwartet. Statt gegen den allerdings gesetzlichen Mißbrauch des Schießens auf öffentlicher Straße von Seite der Schildwachen die geeigneten Anwendungen zu erlassen und namentlich höheren Orts dahin zu wirken, daß das gegen Vernunft und Moral streitende, lediglich zu Gunsten des militärischen Kastengeistes dienliche Rauchverbot sofort beseitigt werde, hat der commandirende General einen weiteren Befehl an die hiesige Garnison ertheilt, der gleichfalls geeignet ist die Mißstimmung des Publicums zu steigern und die Eitelkeit und Anmaßung des Militairs zu erhöhen. Es darf in Zukunft kein Soldat an öffentlichen VergnügungSorten, selbst wenn es von Her Ordnung gefordert wird, sein Seitengewehr ablegen, so daß also auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/464>, abgerufen am 01.09.2024.