Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.und zu leiten. Wenn man diese wissenschaftliche Thätigkeit bedenkt, Aber im Staatsrath war seine Thätigkeit nicht geringer. Die und zu leiten. Wenn man diese wissenschaftliche Thätigkeit bedenkt, Aber im Staatsrath war seine Thätigkeit nicht geringer. Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182119"/> <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690"> und zu leiten. Wenn man diese wissenschaftliche Thätigkeit bedenkt,<lb/> unter deren Last ein Herkules sich hätte beugen müssen, so sollte<lb/> man glauben, seine administrativen Stellen seien blos Titularämtcr<lb/> gewesen. Allein dem war nicht so ; er verwaltete jedes derselben<lb/> mit dem Fleiß eines Beamten, der dieses eine Amt hat. Cuvier<lb/> konnte sich nicht anders von einer Arbeit erholen, als indem er zu<lb/> einer andern überging. Der Erste durch seinen Einfluß im Rath<lb/> des öffentlichen Unterrichts, hat er fünfzehn Jahre lang an alle<lb/> wichtigen Maßregeln, die von diesem Comite ausgingen, seine Hand<lb/> gelegt. Von ihm rührt die Einführung der Agrvgvs (eine Art<lb/> Privatdocenten) her; er ließ die Gebäude der Sorbonne wiederher¬<lb/> stellen; in den „Colleges royaur" (Lyceen) veranlaßte er die Errich¬<lb/> tung von besondern Lehrstühlen für Geschichte, Naturgeschichte,<lb/> Physik und lebende Sprachen. Auch der Volksunterricht war ein<lb/> Gegenstand seiner Bestrebungen, und im Jahre 1821 war er es,<lb/> der sich beeiferte, den Entwurf eines Primärunterrichtssystems für<lb/> ganz Frankreich auszuarbeiten. Und während seiner fünfjährigen<lb/> Oberleitung des protestantischen Schulwesens hat er bei diesem<lb/> ebenfalls nützliche Verbesserungen eingeführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_692"> Aber im Staatsrath war seine Thätigkeit nicht geringer. Die<lb/> letzten dreizehn Jahre seines Lebens präsidirte er dem Comite des<lb/> Innern. Die Anzahl wichtiger Fragen, die hier von ihm debattirt,<lb/> geprüft und erledigt wurden, belief sich manches Jahr auf 1V,0V0;<lb/> und er war unvergleichlich in der Kunst, die Arbeit gehörig zu ver¬<lb/> theilen und die Erörterungen zu leiten; dabei waren sein Gedächt¬<lb/> niß, welches stets im Nu die alten Beschlüsse citirte, und seine Gei¬<lb/> stesgegenwart zu bewundern. Um ihn ganz zu kennen, mußte man<lb/> ihn bei diesen Sitzungen sehen und hören. Selten beeilte er sich,<lb/> seine Meinung zu sagen, er schien sogar häufig etwas zerstreut;<lb/> erst, wenn Alle ihre Gründe vorgebracht hatten, begann er zu re¬<lb/> den, und sogleich ging ein neues Licht den Debattirenden auf, die<lb/> Sache war entschieden, noch bevor er zu sprechen aufgehört hatte.<lb/> Und worin lag der Zauber seiner Beredsamkeit? Seine Reden wa¬<lb/> ren höchst einfach und schmucklos, er verschmähte Floskeln und Bil¬<lb/> der, und verachtete Alles, was sich blos an die Einbildungskraft<lb/> wandte. Er siegte durch Verstand und 'Klarheit.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
und zu leiten. Wenn man diese wissenschaftliche Thätigkeit bedenkt,
unter deren Last ein Herkules sich hätte beugen müssen, so sollte
man glauben, seine administrativen Stellen seien blos Titularämtcr
gewesen. Allein dem war nicht so ; er verwaltete jedes derselben
mit dem Fleiß eines Beamten, der dieses eine Amt hat. Cuvier
konnte sich nicht anders von einer Arbeit erholen, als indem er zu
einer andern überging. Der Erste durch seinen Einfluß im Rath
des öffentlichen Unterrichts, hat er fünfzehn Jahre lang an alle
wichtigen Maßregeln, die von diesem Comite ausgingen, seine Hand
gelegt. Von ihm rührt die Einführung der Agrvgvs (eine Art
Privatdocenten) her; er ließ die Gebäude der Sorbonne wiederher¬
stellen; in den „Colleges royaur" (Lyceen) veranlaßte er die Errich¬
tung von besondern Lehrstühlen für Geschichte, Naturgeschichte,
Physik und lebende Sprachen. Auch der Volksunterricht war ein
Gegenstand seiner Bestrebungen, und im Jahre 1821 war er es,
der sich beeiferte, den Entwurf eines Primärunterrichtssystems für
ganz Frankreich auszuarbeiten. Und während seiner fünfjährigen
Oberleitung des protestantischen Schulwesens hat er bei diesem
ebenfalls nützliche Verbesserungen eingeführt.
Aber im Staatsrath war seine Thätigkeit nicht geringer. Die
letzten dreizehn Jahre seines Lebens präsidirte er dem Comite des
Innern. Die Anzahl wichtiger Fragen, die hier von ihm debattirt,
geprüft und erledigt wurden, belief sich manches Jahr auf 1V,0V0;
und er war unvergleichlich in der Kunst, die Arbeit gehörig zu ver¬
theilen und die Erörterungen zu leiten; dabei waren sein Gedächt¬
niß, welches stets im Nu die alten Beschlüsse citirte, und seine Gei¬
stesgegenwart zu bewundern. Um ihn ganz zu kennen, mußte man
ihn bei diesen Sitzungen sehen und hören. Selten beeilte er sich,
seine Meinung zu sagen, er schien sogar häufig etwas zerstreut;
erst, wenn Alle ihre Gründe vorgebracht hatten, begann er zu re¬
den, und sogleich ging ein neues Licht den Debattirenden auf, die
Sache war entschieden, noch bevor er zu sprechen aufgehört hatte.
Und worin lag der Zauber seiner Beredsamkeit? Seine Reden wa¬
ren höchst einfach und schmucklos, er verschmähte Floskeln und Bil¬
der, und verachtete Alles, was sich blos an die Einbildungskraft
wandte. Er siegte durch Verstand und 'Klarheit.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |