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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ßer Werke: I^v lip^no iuiimal "jistribuv "I'levres son ni-A.mi-
Sittion.

Allein auch dieses ungeheure Werk genügte ihm noch nicht,
die Species waren darin blos angedeutet; es war gleichsam ein
abgekürztes System des Thierreichs; er aber wollte ein vollständi¬
ges System, worin alle Species nicht blos angezeigt, unterschieden
und classificirt, sondern in ihrem ganzen innern Bau dargestellt und
beschrieben gewesen wären.

Er versuchte es also wieder mit einer besondern Classe seines
Systems, und zwar mit den Fischen, weil dies, unter den Wir¬
belthieren, die zahlreichste, unbekannteste und durch die Entdeckun¬
gen neuerer Reisenden am meisten bereicherte Classe war. Der Laie
kann einen Begriff von dem Umfange dieser Unternehmung aus
Folgendem schöpfen: Die letzten Autoren in diesem Fache Bloch und
und Lacchi-de, hatten nur 1400 Species gekannt. Cuvier'ö "Na-
turgeschichte der Fische" dagegen sollte über 5000 Species enthal¬
ten. Von diesem Werk, welches er auf 20 Bände berechnete, wa¬
ren leider erst 9 erschienen, als Cuvier starb.

Eine eben so wichtige Revolution hat Cuvier in der ver¬
gleichenden Anatomie hervorgebracht, einer Wissenschaft, die
vor ihm ein bloßes Namenregister gewesen war. Er wollte ein
tiilitv it'-tliutuinit! comnaröe herausgeben; ein Werk, welches eben¬
falls nicht zur Vollendung gedieh. Glücklicherweise besitzt man die
Hauptelemente desselben, zerstreut in einer Masse von Denkschriften
Cuvier'ö, und endlich in seinen Vorlesungen, die in fünf Bänden
von Dumeril und Duvernoy veröffentlicht wurden.

Derselbe Mann, der die Zoologie und die vergleichende Ana¬
tomie umgeschaffen, brachte durch die Anwendung seiner Principien
auf die fossilen Knochen, auch in die Geologie ein neues wunder¬
bares Leben. Ehe wir jedoch davon sprechen, wollen wir, um den
Leser nicht zu ermüden, zur administrativen und politischen Lauf¬
bahn unseres Helden zurückkehren.

Man lächelt vielleicht über den Ausdruck: politische Lauf¬
bahn. Was, denkt man, kann der stille Gelehrte, der emsige, rum-
ge Naturforscher auf seinen Wanderungen aus dem Jnsectencabinet
zu den Fischen und von den Fischen zu den fossilen Knochen für
politische Metamorphosen und Stürme erleben? Es ist wahr, die


Grenzboten, I.

ßer Werke: I^v lip^no iuiimal «jistribuv «I'levres son ni-A.mi-
Sittion.

Allein auch dieses ungeheure Werk genügte ihm noch nicht,
die Species waren darin blos angedeutet; es war gleichsam ein
abgekürztes System des Thierreichs; er aber wollte ein vollständi¬
ges System, worin alle Species nicht blos angezeigt, unterschieden
und classificirt, sondern in ihrem ganzen innern Bau dargestellt und
beschrieben gewesen wären.

Er versuchte es also wieder mit einer besondern Classe seines
Systems, und zwar mit den Fischen, weil dies, unter den Wir¬
belthieren, die zahlreichste, unbekannteste und durch die Entdeckun¬
gen neuerer Reisenden am meisten bereicherte Classe war. Der Laie
kann einen Begriff von dem Umfange dieser Unternehmung aus
Folgendem schöpfen: Die letzten Autoren in diesem Fache Bloch und
und Lacchi-de, hatten nur 1400 Species gekannt. Cuvier'ö „Na-
turgeschichte der Fische" dagegen sollte über 5000 Species enthal¬
ten. Von diesem Werk, welches er auf 20 Bände berechnete, wa¬
ren leider erst 9 erschienen, als Cuvier starb.

Eine eben so wichtige Revolution hat Cuvier in der ver¬
gleichenden Anatomie hervorgebracht, einer Wissenschaft, die
vor ihm ein bloßes Namenregister gewesen war. Er wollte ein
tiilitv it'-tliutuinit! comnaröe herausgeben; ein Werk, welches eben¬
falls nicht zur Vollendung gedieh. Glücklicherweise besitzt man die
Hauptelemente desselben, zerstreut in einer Masse von Denkschriften
Cuvier'ö, und endlich in seinen Vorlesungen, die in fünf Bänden
von Dumeril und Duvernoy veröffentlicht wurden.

Derselbe Mann, der die Zoologie und die vergleichende Ana¬
tomie umgeschaffen, brachte durch die Anwendung seiner Principien
auf die fossilen Knochen, auch in die Geologie ein neues wunder¬
bares Leben. Ehe wir jedoch davon sprechen, wollen wir, um den
Leser nicht zu ermüden, zur administrativen und politischen Lauf¬
bahn unseres Helden zurückkehren.

Man lächelt vielleicht über den Ausdruck: politische Lauf¬
bahn. Was, denkt man, kann der stille Gelehrte, der emsige, rum-
ge Naturforscher auf seinen Wanderungen aus dem Jnsectencabinet
zu den Fischen und von den Fischen zu den fossilen Knochen für
politische Metamorphosen und Stürme erleben? Es ist wahr, die


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[0305] ßer Werke: I^v lip^no iuiimal «jistribuv «I'levres son ni-A.mi- Sittion. Allein auch dieses ungeheure Werk genügte ihm noch nicht, die Species waren darin blos angedeutet; es war gleichsam ein abgekürztes System des Thierreichs; er aber wollte ein vollständi¬ ges System, worin alle Species nicht blos angezeigt, unterschieden und classificirt, sondern in ihrem ganzen innern Bau dargestellt und beschrieben gewesen wären. Er versuchte es also wieder mit einer besondern Classe seines Systems, und zwar mit den Fischen, weil dies, unter den Wir¬ belthieren, die zahlreichste, unbekannteste und durch die Entdeckun¬ gen neuerer Reisenden am meisten bereicherte Classe war. Der Laie kann einen Begriff von dem Umfange dieser Unternehmung aus Folgendem schöpfen: Die letzten Autoren in diesem Fache Bloch und und Lacchi-de, hatten nur 1400 Species gekannt. Cuvier'ö „Na- turgeschichte der Fische" dagegen sollte über 5000 Species enthal¬ ten. Von diesem Werk, welches er auf 20 Bände berechnete, wa¬ ren leider erst 9 erschienen, als Cuvier starb. Eine eben so wichtige Revolution hat Cuvier in der ver¬ gleichenden Anatomie hervorgebracht, einer Wissenschaft, die vor ihm ein bloßes Namenregister gewesen war. Er wollte ein tiilitv it'-tliutuinit! comnaröe herausgeben; ein Werk, welches eben¬ falls nicht zur Vollendung gedieh. Glücklicherweise besitzt man die Hauptelemente desselben, zerstreut in einer Masse von Denkschriften Cuvier'ö, und endlich in seinen Vorlesungen, die in fünf Bänden von Dumeril und Duvernoy veröffentlicht wurden. Derselbe Mann, der die Zoologie und die vergleichende Ana¬ tomie umgeschaffen, brachte durch die Anwendung seiner Principien auf die fossilen Knochen, auch in die Geologie ein neues wunder¬ bares Leben. Ehe wir jedoch davon sprechen, wollen wir, um den Leser nicht zu ermüden, zur administrativen und politischen Lauf¬ bahn unseres Helden zurückkehren. Man lächelt vielleicht über den Ausdruck: politische Lauf¬ bahn. Was, denkt man, kann der stille Gelehrte, der emsige, rum- ge Naturforscher auf seinen Wanderungen aus dem Jnsectencabinet zu den Fischen und von den Fischen zu den fossilen Knochen für politische Metamorphosen und Stürme erleben? Es ist wahr, die Grenzboten, I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/305>, abgerufen am 02.09.2024.