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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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lvtla, von dem dicken Lablache und dem magern Duprey -- das ver¬
steht sich von selbst. Aber hier steht der Minister des Innern in
höchst eigener Person, und um ihn herum eine solche Menge von
Pairs und Deputirten, daß man zur Noth in diesen Ballsälen Kam-
mersitzung halten könnte. Befehlen Sie in zwei, drei Stunden einen
dreibändigen Roman fertig zu haben, wenden Sie sich an Freden?
Souliv und an Theophile Gautier, die ohne Rivalität dort neben
einander sitzen. Befehlen Sie ein Vaudeville, ein Lustspiel, ein Me¬
lodrama, hier ist Herr Ancelot, Bayard (nicht der fromme Ritter des
Leipziger Conservatismus), hier ist Scribe, Paul Fouchv. Wünschen
Sie eine Oper -- mein Gott, greifen Sie nur zu -- zwar Meyer¬
beer ist nur ein Paar Mal durch den Saal gegangen und ist schnell
wieder verschwunden, aber da steht Spontini, von oben bis herunter
mit Orden besäet wie ein mediaMrter Reichssürsi, da steht der blonde
Balfe, Halcvv mit dem orientalischen Gesichte und noch zwanzig An¬
dere. Wollen Sie ein Anlehen machen, hier ist der englische Gro߬
banquier Baring, der Weltregierer Rothschild; haben Sie einen Pro¬
ceß, hier wenden Sie sich an (nil.iix ij'iZ8t-^i,Fo. Wollen Sie ei¬
nen Historiker, hier tanzt Louis Blanc. An Letzterem habe ich mich
nicht genug satt sehen können, er war buchstäblich der unermüdlichste
Tänzer auf dem ganzen Balle. Ich dachte an den armen Ludwig
Buhl in Berlin, der wegen einer ungelesenen, unter Censur erschiene¬
nen Brochüre, ich weiß nicht zu wie langer Gefängnißstrafe verur-
theilt wurde und in der Hausvogtei Louis Blancs Uistciiiv <j<>8 "Zix
-ins übersetzte, während der Verfasser dieses in mehr als dreißig Tau¬
send Exemplaren verbreiteten Werks, der Louis Philipp und den ge¬
genwärtigen Machthabern in Frankreich die heftigsten Wunden in der
öffentlichen Meinung geschlagen, hier lustig und unbefangen des Lebens
Freuden und Ehren genießt. Das ist der Unterschied zwischen den
französischen Socialisten und den deutschen. Der Franzose, selbst wenn
er der alleräußersten socialistischen Doctrine, dem Communismus an¬
gehört, hört nicht einen Augenblick auf ein fröhliches Mitglied der
gegenwärtigen Gesellschaft zu sein. In seinen Schriften macht er ihr
den Krieg, im Leben reclamirt er und behauptet er seinen Antheil an
dem Bestehenden. Die deutschen Socialisten aber, gehen murrköpfig,
sauertöpfisch außerhalb der Gesellschaft umher; weil man sie ausstößt
und verdächtigt, bleiben sie selbst verbittert in der Ferne stehen --
und der Bruch zwischen Beiden ist unheilbar. Der französische So¬
cialist ist liebenswürdig, geistreich, voll geselliger Bildung, er macht
Propaganda durch seine Persönlichkeit, der deutsche hingegen ist ein
nergelnder unerquicklicher Patron, der seine Kritik bis auf den mo¬
dernen Schnitt am Frack seines Gegners ausdehnt, und dem Glace¬
handschuh und dem Frack ewige Feindschaft schwört, als ob die Hand-
chuhmacher und Schneider in dem Reiche seiner Ideale zum Tode


lvtla, von dem dicken Lablache und dem magern Duprey — das ver¬
steht sich von selbst. Aber hier steht der Minister des Innern in
höchst eigener Person, und um ihn herum eine solche Menge von
Pairs und Deputirten, daß man zur Noth in diesen Ballsälen Kam-
mersitzung halten könnte. Befehlen Sie in zwei, drei Stunden einen
dreibändigen Roman fertig zu haben, wenden Sie sich an Freden?
Souliv und an Theophile Gautier, die ohne Rivalität dort neben
einander sitzen. Befehlen Sie ein Vaudeville, ein Lustspiel, ein Me¬
lodrama, hier ist Herr Ancelot, Bayard (nicht der fromme Ritter des
Leipziger Conservatismus), hier ist Scribe, Paul Fouchv. Wünschen
Sie eine Oper — mein Gott, greifen Sie nur zu — zwar Meyer¬
beer ist nur ein Paar Mal durch den Saal gegangen und ist schnell
wieder verschwunden, aber da steht Spontini, von oben bis herunter
mit Orden besäet wie ein mediaMrter Reichssürsi, da steht der blonde
Balfe, Halcvv mit dem orientalischen Gesichte und noch zwanzig An¬
dere. Wollen Sie ein Anlehen machen, hier ist der englische Gro߬
banquier Baring, der Weltregierer Rothschild; haben Sie einen Pro¬
ceß, hier wenden Sie sich an (nil.iix ij'iZ8t-^i,Fo. Wollen Sie ei¬
nen Historiker, hier tanzt Louis Blanc. An Letzterem habe ich mich
nicht genug satt sehen können, er war buchstäblich der unermüdlichste
Tänzer auf dem ganzen Balle. Ich dachte an den armen Ludwig
Buhl in Berlin, der wegen einer ungelesenen, unter Censur erschiene¬
nen Brochüre, ich weiß nicht zu wie langer Gefängnißstrafe verur-
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send Exemplaren verbreiteten Werks, der Louis Philipp und den ge¬
genwärtigen Machthabern in Frankreich die heftigsten Wunden in der
öffentlichen Meinung geschlagen, hier lustig und unbefangen des Lebens
Freuden und Ehren genießt. Das ist der Unterschied zwischen den
französischen Socialisten und den deutschen. Der Franzose, selbst wenn
er der alleräußersten socialistischen Doctrine, dem Communismus an¬
gehört, hört nicht einen Augenblick auf ein fröhliches Mitglied der
gegenwärtigen Gesellschaft zu sein. In seinen Schriften macht er ihr
den Krieg, im Leben reclamirt er und behauptet er seinen Antheil an
dem Bestehenden. Die deutschen Socialisten aber, gehen murrköpfig,
sauertöpfisch außerhalb der Gesellschaft umher; weil man sie ausstößt
und verdächtigt, bleiben sie selbst verbittert in der Ferne stehen —
und der Bruch zwischen Beiden ist unheilbar. Der französische So¬
cialist ist liebenswürdig, geistreich, voll geselliger Bildung, er macht
Propaganda durch seine Persönlichkeit, der deutsche hingegen ist ein
nergelnder unerquicklicher Patron, der seine Kritik bis auf den mo¬
dernen Schnitt am Frack seines Gegners ausdehnt, und dem Glace¬
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chuhmacher und Schneider in dem Reiche seiner Ideale zum Tode


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/280>, abgerufen am 23.12.2024.