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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Vie ein stumpfsinniger Despotismus aller jener Vortheile beraubt hat,
womit die Natur sie so großmächtig beschenkte. Das mittelländische
und ägäische Meer, die griechischen Küsten, Aegypten, Kleinasien und
der Hellespont, ja das schwarze Meer sind der Schauplatz, auf wel¬
chen die geographische Lage unsere Stadt angewiesen hat, und es liegt
darum mehr als alles Ändere in der natürlichen Tendenz der öster¬
reichischen Politik, den Einfluß seiner Macht in jenen Gegenden zu star¬
ken und zu befestigen, damit nicht etwa die Ungunst der Verhältnisse
den Unternehmungsgeist der hiesigen Kaufleute lahme und alle Thätig¬
keit und Berechnung der Privatspeculation vereitelt werde. Die Re¬
gierung hat durch den Anfang eines Differcntialzollsystcms, in der
neuen Tonnengebühc, wenigstens den guten Willen gezeigt, den Schiff¬
fahrtsinteressen unter den Arm zu greifen und die vaterländische Nhe-
derei zu schützen, wie sie die Fabrikanten schützt mittelst der Zölle.
Erweist sie der comnicrciellen Sache eine gleichmäßige Aufmerksamkeit
durch vortheilhafte Handelsverträge mit den östlichen Staaten und
durch eine durchgreifende Reform des Eonsulatwesens, das noch gro¬
ßer Verbesserungen fähig wäre, so unterliegt es gar keinem Zweifel,
daß die Blüte unseres Hafens in Kürze ins Unglaubliche zunehmen
Wird. Des Hofraths Baron von Gehringer, der so lange Zeit im
Bureau des Hofkammerprasidenten Baron Kübeck gearbeitet hat, und
somit am Besten die Absichten und Wünsche dieses erleuchteten
Staatsmannes kennen mag, des Baron v. Gehringcr Sendung nach
Constantinopel, wo derselbe mit der hohen Pforte einen Handelsvertrag
abschließen soll, scheint unsere Hoffnungen in dieser Beziehung auf die
erfreulichste Weise zu bestätigen; doch darf man sich leider in diesen Din¬
gen, zumal in der Hauptstadt des osmanischen Reiches, wo es keine
zwingende Macht der öffentlichen Meinung gibt und die verführerischen
Geldquellen fremder Staatskunst die Herzen des Divans verlocken,
keinen sanguinischen Hoffnungen überlassen. Baron Gehringer hat
bereits in einer frühern Mission mit ähnlicher Tendenz die bittere
Erfahrung gemacht, daß die österreichische Finanzweiöheit gegen die
russische Freigebigkeit nicht so leicht aufkommen kann. Die Stel¬
lung des österreichischen Unterthans in den türkischen Ländern ist im
Vergleiche zu der eines englischen, französischen, oder gar russischen
Unterthans nichts weniger als beneidenswert!), und das-Verfahren
welches unser Botschafter in Constantinopel, Graf Stürmer, der
übrigens ein ebenso kenntnißreicher, als geachteter Diplomat ist, in
derlei Fällen beobachtet, entbehrt allzu sehr jener Energie, mit der
man allein den barbarischen Moslim auf die Dauer imponiren kann.
Mag nun diese fehlerhafte Milde in der Persönlichkeit des Botschaf¬
ters, oder was wahrscheinlicher sein möchte, in den Instruktionen lie¬
gen, an elche Graf Stürmer gebunden ist, und die ihm vom Ball-
Platz in Wien zugesendet werden, genug, die üblen Folgen dieses scho-


EttnMen, I. 3V

Vie ein stumpfsinniger Despotismus aller jener Vortheile beraubt hat,
womit die Natur sie so großmächtig beschenkte. Das mittelländische
und ägäische Meer, die griechischen Küsten, Aegypten, Kleinasien und
der Hellespont, ja das schwarze Meer sind der Schauplatz, auf wel¬
chen die geographische Lage unsere Stadt angewiesen hat, und es liegt
darum mehr als alles Ändere in der natürlichen Tendenz der öster¬
reichischen Politik, den Einfluß seiner Macht in jenen Gegenden zu star¬
ken und zu befestigen, damit nicht etwa die Ungunst der Verhältnisse
den Unternehmungsgeist der hiesigen Kaufleute lahme und alle Thätig¬
keit und Berechnung der Privatspeculation vereitelt werde. Die Re¬
gierung hat durch den Anfang eines Differcntialzollsystcms, in der
neuen Tonnengebühc, wenigstens den guten Willen gezeigt, den Schiff¬
fahrtsinteressen unter den Arm zu greifen und die vaterländische Nhe-
derei zu schützen, wie sie die Fabrikanten schützt mittelst der Zölle.
Erweist sie der comnicrciellen Sache eine gleichmäßige Aufmerksamkeit
durch vortheilhafte Handelsverträge mit den östlichen Staaten und
durch eine durchgreifende Reform des Eonsulatwesens, das noch gro¬
ßer Verbesserungen fähig wäre, so unterliegt es gar keinem Zweifel,
daß die Blüte unseres Hafens in Kürze ins Unglaubliche zunehmen
Wird. Des Hofraths Baron von Gehringer, der so lange Zeit im
Bureau des Hofkammerprasidenten Baron Kübeck gearbeitet hat, und
somit am Besten die Absichten und Wünsche dieses erleuchteten
Staatsmannes kennen mag, des Baron v. Gehringcr Sendung nach
Constantinopel, wo derselbe mit der hohen Pforte einen Handelsvertrag
abschließen soll, scheint unsere Hoffnungen in dieser Beziehung auf die
erfreulichste Weise zu bestätigen; doch darf man sich leider in diesen Din¬
gen, zumal in der Hauptstadt des osmanischen Reiches, wo es keine
zwingende Macht der öffentlichen Meinung gibt und die verführerischen
Geldquellen fremder Staatskunst die Herzen des Divans verlocken,
keinen sanguinischen Hoffnungen überlassen. Baron Gehringer hat
bereits in einer frühern Mission mit ähnlicher Tendenz die bittere
Erfahrung gemacht, daß die österreichische Finanzweiöheit gegen die
russische Freigebigkeit nicht so leicht aufkommen kann. Die Stel¬
lung des österreichischen Unterthans in den türkischen Ländern ist im
Vergleiche zu der eines englischen, französischen, oder gar russischen
Unterthans nichts weniger als beneidenswert!), und das-Verfahren
welches unser Botschafter in Constantinopel, Graf Stürmer, der
übrigens ein ebenso kenntnißreicher, als geachteter Diplomat ist, in
derlei Fällen beobachtet, entbehrt allzu sehr jener Energie, mit der
man allein den barbarischen Moslim auf die Dauer imponiren kann.
Mag nun diese fehlerhafte Milde in der Persönlichkeit des Botschaf¬
ters, oder was wahrscheinlicher sein möchte, in den Instruktionen lie¬
gen, an elche Graf Stürmer gebunden ist, und die ihm vom Ball-
Platz in Wien zugesendet werden, genug, die üblen Folgen dieses scho-


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[0251] Vie ein stumpfsinniger Despotismus aller jener Vortheile beraubt hat, womit die Natur sie so großmächtig beschenkte. Das mittelländische und ägäische Meer, die griechischen Küsten, Aegypten, Kleinasien und der Hellespont, ja das schwarze Meer sind der Schauplatz, auf wel¬ chen die geographische Lage unsere Stadt angewiesen hat, und es liegt darum mehr als alles Ändere in der natürlichen Tendenz der öster¬ reichischen Politik, den Einfluß seiner Macht in jenen Gegenden zu star¬ ken und zu befestigen, damit nicht etwa die Ungunst der Verhältnisse den Unternehmungsgeist der hiesigen Kaufleute lahme und alle Thätig¬ keit und Berechnung der Privatspeculation vereitelt werde. Die Re¬ gierung hat durch den Anfang eines Differcntialzollsystcms, in der neuen Tonnengebühc, wenigstens den guten Willen gezeigt, den Schiff¬ fahrtsinteressen unter den Arm zu greifen und die vaterländische Nhe- derei zu schützen, wie sie die Fabrikanten schützt mittelst der Zölle. Erweist sie der comnicrciellen Sache eine gleichmäßige Aufmerksamkeit durch vortheilhafte Handelsverträge mit den östlichen Staaten und durch eine durchgreifende Reform des Eonsulatwesens, das noch gro¬ ßer Verbesserungen fähig wäre, so unterliegt es gar keinem Zweifel, daß die Blüte unseres Hafens in Kürze ins Unglaubliche zunehmen Wird. Des Hofraths Baron von Gehringer, der so lange Zeit im Bureau des Hofkammerprasidenten Baron Kübeck gearbeitet hat, und somit am Besten die Absichten und Wünsche dieses erleuchteten Staatsmannes kennen mag, des Baron v. Gehringcr Sendung nach Constantinopel, wo derselbe mit der hohen Pforte einen Handelsvertrag abschließen soll, scheint unsere Hoffnungen in dieser Beziehung auf die erfreulichste Weise zu bestätigen; doch darf man sich leider in diesen Din¬ gen, zumal in der Hauptstadt des osmanischen Reiches, wo es keine zwingende Macht der öffentlichen Meinung gibt und die verführerischen Geldquellen fremder Staatskunst die Herzen des Divans verlocken, keinen sanguinischen Hoffnungen überlassen. Baron Gehringer hat bereits in einer frühern Mission mit ähnlicher Tendenz die bittere Erfahrung gemacht, daß die österreichische Finanzweiöheit gegen die russische Freigebigkeit nicht so leicht aufkommen kann. Die Stel¬ lung des österreichischen Unterthans in den türkischen Ländern ist im Vergleiche zu der eines englischen, französischen, oder gar russischen Unterthans nichts weniger als beneidenswert!), und das-Verfahren welches unser Botschafter in Constantinopel, Graf Stürmer, der übrigens ein ebenso kenntnißreicher, als geachteter Diplomat ist, in derlei Fällen beobachtet, entbehrt allzu sehr jener Energie, mit der man allein den barbarischen Moslim auf die Dauer imponiren kann. Mag nun diese fehlerhafte Milde in der Persönlichkeit des Botschaf¬ ters, oder was wahrscheinlicher sein möchte, in den Instruktionen lie¬ gen, an elche Graf Stürmer gebunden ist, und die ihm vom Ball- Platz in Wien zugesendet werden, genug, die üblen Folgen dieses scho- EttnMen, I. 3V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/251>, abgerufen am 28.07.2024.