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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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dern Völkerschaften ein neues Nest zu gründen. -- Giebt es denn
eine schönere commercielle Tragödie, als zwei Städte, wie Trieft und
Venedig, die an demselben Meeresbusen gelegen, von denselben Wel¬
len bespült, von denselben Stürmen umtobt, einander scharf ins Ano
litz schauen, und wovon die eine die andere beerbte? Dort in dem
Wunderbau der Lagunen thront die Erinnerung, während hier in
dem geräuschvoll bewegten Trieft der Augenblick sein strotzendes
Füllhorn ausschüttet, dort die stille, verklärte Vergangenheit, hier die
lebendige, rothwangige Gesundheit der Gegenwart. Venedig repräsen-
tirt die Haudelsblüthe des republikanischen Staatswesens am Golf
der Adria, indeß Trieft den commercielle" Aufschwung im monarchi¬
schen Staate vecsinnlicht; das Steigen des einen und der Sturz des
anderen war bedingt durch die Entscheidung des gewaltigen Ringkamp¬
fes der beiden mächtigsten Principien der politischen Welt, und Trieft
gehört eben so nothwendig zu dem Gesammtbilde des monarchischen
Europas, wie Venedig zu dem kosmopolitischen Gemälde des Mittel¬
alters mit seiner Ausbildung des Individuellen in der Völkerent¬
wicklung.

Von der Größe und dem Umfange des hiesigen Geschäftsverkehrs
kann man sich erst dann einen richtigen Begriff machen, wenn man
weiß, und man kann es leicht wissen, weil die Schifffahrtstabellen des
Clopt Jedermann zugänglich geworden sind, daß im 1. Semester des
Jahres 1845 am Platz allein 66 Mill. Gulden umgesetzt wurden,
so daß, da der Handel in der schönern Jahreszeit eine höhere Ziffer
ausweisen dürste, der jährliche Umsatz allhier jetzt auf 140 Mill.
Gulden C. M. angeschlagen werden kann. Die rasche Zunahme des
Verkehrslebens erhellt zugleich aus dem Umstände, daß im I. Seme¬
ster der frühern Jahre der Gesammtumsatz stets nur zwischen 2!) bis
37 Millionen geschwankt hatte und die oben ausgedrückte Ziffer folg¬
lich eine Verdopplung der Handelsbewegung darstellt. Unterstützt
wird dieselbe von den beneidenswerthen Privilegien, derer unser Ha¬
fen genießt, aber völlig zu erzeugen vermag kein Rechtsbrief den impo¬
santen Aufschwung, welchen derselbe in der jüngsten Zeit genommen,
denn sonst wäre Venedig längst wieder zu seinem verlernen Glänze
gekommen, und Fiume müßte bereits ein gefährlicher Rivale gewor¬
den sein, während es blos der Kammerdiener Triests genannt werden
kann. Unser Hafen ist der siebente in der ganzen Welt, indem ihm
nur London, Liverpool, Marseille, Hamburg, Neu York und Bor¬
deaux im Range vorangehen; alljährlich wird derselbe von 6711 Segel¬
schiffen rind 317 Dampfschiffen besucht, die Anzahl von Küstenfahr¬
zeugen ungerechnet, von welchen jene Fläche im Laufe der 12 Mo¬
nate unablässig zu wimmeln pflegt. Die Zukunft unserer Stadt hängt
hauptsächlich vo.n der Lösung der orientalischen. Frage ab und der Ge¬
staltung, welche die Verhältnisse in jenen gesegneten Ländern erhalten.


dern Völkerschaften ein neues Nest zu gründen. — Giebt es denn
eine schönere commercielle Tragödie, als zwei Städte, wie Trieft und
Venedig, die an demselben Meeresbusen gelegen, von denselben Wel¬
len bespült, von denselben Stürmen umtobt, einander scharf ins Ano
litz schauen, und wovon die eine die andere beerbte? Dort in dem
Wunderbau der Lagunen thront die Erinnerung, während hier in
dem geräuschvoll bewegten Trieft der Augenblick sein strotzendes
Füllhorn ausschüttet, dort die stille, verklärte Vergangenheit, hier die
lebendige, rothwangige Gesundheit der Gegenwart. Venedig repräsen-
tirt die Haudelsblüthe des republikanischen Staatswesens am Golf
der Adria, indeß Trieft den commercielle» Aufschwung im monarchi¬
schen Staate vecsinnlicht; das Steigen des einen und der Sturz des
anderen war bedingt durch die Entscheidung des gewaltigen Ringkamp¬
fes der beiden mächtigsten Principien der politischen Welt, und Trieft
gehört eben so nothwendig zu dem Gesammtbilde des monarchischen
Europas, wie Venedig zu dem kosmopolitischen Gemälde des Mittel¬
alters mit seiner Ausbildung des Individuellen in der Völkerent¬
wicklung.

Von der Größe und dem Umfange des hiesigen Geschäftsverkehrs
kann man sich erst dann einen richtigen Begriff machen, wenn man
weiß, und man kann es leicht wissen, weil die Schifffahrtstabellen des
Clopt Jedermann zugänglich geworden sind, daß im 1. Semester des
Jahres 1845 am Platz allein 66 Mill. Gulden umgesetzt wurden,
so daß, da der Handel in der schönern Jahreszeit eine höhere Ziffer
ausweisen dürste, der jährliche Umsatz allhier jetzt auf 140 Mill.
Gulden C. M. angeschlagen werden kann. Die rasche Zunahme des
Verkehrslebens erhellt zugleich aus dem Umstände, daß im I. Seme¬
ster der frühern Jahre der Gesammtumsatz stets nur zwischen 2!) bis
37 Millionen geschwankt hatte und die oben ausgedrückte Ziffer folg¬
lich eine Verdopplung der Handelsbewegung darstellt. Unterstützt
wird dieselbe von den beneidenswerthen Privilegien, derer unser Ha¬
fen genießt, aber völlig zu erzeugen vermag kein Rechtsbrief den impo¬
santen Aufschwung, welchen derselbe in der jüngsten Zeit genommen,
denn sonst wäre Venedig längst wieder zu seinem verlernen Glänze
gekommen, und Fiume müßte bereits ein gefährlicher Rivale gewor¬
den sein, während es blos der Kammerdiener Triests genannt werden
kann. Unser Hafen ist der siebente in der ganzen Welt, indem ihm
nur London, Liverpool, Marseille, Hamburg, Neu York und Bor¬
deaux im Range vorangehen; alljährlich wird derselbe von 6711 Segel¬
schiffen rind 317 Dampfschiffen besucht, die Anzahl von Küstenfahr¬
zeugen ungerechnet, von welchen jene Fläche im Laufe der 12 Mo¬
nate unablässig zu wimmeln pflegt. Die Zukunft unserer Stadt hängt
hauptsächlich vo.n der Lösung der orientalischen. Frage ab und der Ge¬
staltung, welche die Verhältnisse in jenen gesegneten Ländern erhalten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/250>, abgerufen am 22.12.2024.