Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.dachte ich -- und bevor wenige Monate vergehen, würde meine Va¬ Der Gegenstand eines seit vielen Wochen cristirenden Tagesge¬ Die hier lebenden deutschen Flüchtlinge sind wieder um einen dachte ich — und bevor wenige Monate vergehen, würde meine Va¬ Der Gegenstand eines seit vielen Wochen cristirenden Tagesge¬ Die hier lebenden deutschen Flüchtlinge sind wieder um einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182046"/> <p xml:id="ID_538" prev="#ID_537"> dachte ich — und bevor wenige Monate vergehen, würde meine Va¬<lb/> terstadt, das gutherzige, für Alles Menschliche rasch entflammte Wien,<lb/> mit ähnlichen Anstalten gesegnet sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_539"> Der Gegenstand eines seit vielen Wochen cristirenden Tagesge¬<lb/> sprächs ist gestern endlich zum Abschluß gelangt: die Lotterie von<lb/> Monville (zu Gunsten der Armen), zu welcher Preise von der Köni¬<lb/> gin, so wie von vielen der ersten Damen, Künstler und Industriellen<lb/> eingeschickt wurden, ist gestern zur Ziehung gekommen. Die Jour¬<lb/> nale sind voll der Listen gewonnener Prachtgegenstand?. Die drei<lb/> höchsten Treffer waren: ein vollständiges Salonmöblement, im<lb/> Werthe von Franken, ein prächtiges Silberscrvice, im Werthe<lb/> von 2l)Mit Franken, und ein Diamantenschmuck, im Werthe von<lb/> 36M0 Franken. Die Namen der Glücklichen, welche „zum Benefiz<lb/> der Armen" diese Prachtgegenstände gewonnen, ist noch unbekannt.—<lb/> Eine andere Armenunterstützung wird dieser Tage in dem feenhaften<lb/> Hotel Lambert, bei der Fürstin Czatoriskv getanzt werden. ES ist<lb/> der alljährliche Polenball, der dießmal iedoch mit ungewöhnlicher<lb/> Pracht ausgestattet wird, und während von Neuem ganze Schaaren<lb/> unglücklicher Polen in Warschau, Posen und Galizien in die Ge¬<lb/> fängnisse geführt Werden, schmückt, musicirt, hüpft und tanzt die<lb/> Pariser Polensympathie in den Sälen des zukünftigen „Königs von<lb/> Polen." Ich muß Sie bei dieser Gelegenheit auf einen kleinen Um¬<lb/> stand aufmerksam machen, den ich bisher noch nicht in deutschen<lb/> Zeitungen hervorgehoben fand. In den Reihen der flüchtigen Polen<lb/> giebt es bekanntlich einen heftigen Zwiespalt zwischen der demokrati¬<lb/> schen und aristokratischen Parthei, welche erstere Lelewel und die an¬<lb/> dere den Fürsten Czatoriskv zum Führer hat. Die aristokra¬<lb/> tische Fraction hat unter andern, lange Zeit sich geweigert, das Ei¬<lb/> genthumsrecht der polnischen Bauern anzuerkennen. Seit der letzten<lb/> Jahresfeier der polnischen Revolution ist jedoch eine Art Vermittlung<lb/> zwischen beiden Principien eingetreten: Fürst Czatoriskv hat in sei¬<lb/> ner Gelegenheitsrede das Eigenthumsrecht der Bauern endlich ausge¬<lb/> sprochen! Soll man weinen, soll man lachen über diese Tragicco-<lb/> mödie, über diesen ernsthaften Kampf um des Kaisers Bart? Es<lb/> gehört dieser volle Glauben der unglücklichen Polen an ihre*Zukunft<lb/> dazu, diese begeisterte Ueberzeugung von der einstigen Auferstehung<lb/> ihres Vaterlandes, um bei solchen Dingen eine ernsthafte Miene<lb/> zu behalten. Die Polen erklaren diesen kleinen Zwischenfall als einen<lb/> wichtigen Fortschritt ihrer Sache, indem nunmehr der Bauer daheim<lb/> einen'doppelten Grund hat, für seine nationale Freiheit sich zu<lb/> erheben/</p><lb/> <p xml:id="ID_540" next="#ID_541"> Die hier lebenden deutschen Flüchtlinge sind wieder um einen<lb/> vermehrt worden, es ist jedoch ein alter Bekannter: Jacob Venedev,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
dachte ich — und bevor wenige Monate vergehen, würde meine Va¬
terstadt, das gutherzige, für Alles Menschliche rasch entflammte Wien,
mit ähnlichen Anstalten gesegnet sein.
Der Gegenstand eines seit vielen Wochen cristirenden Tagesge¬
sprächs ist gestern endlich zum Abschluß gelangt: die Lotterie von
Monville (zu Gunsten der Armen), zu welcher Preise von der Köni¬
gin, so wie von vielen der ersten Damen, Künstler und Industriellen
eingeschickt wurden, ist gestern zur Ziehung gekommen. Die Jour¬
nale sind voll der Listen gewonnener Prachtgegenstand?. Die drei
höchsten Treffer waren: ein vollständiges Salonmöblement, im
Werthe von Franken, ein prächtiges Silberscrvice, im Werthe
von 2l)Mit Franken, und ein Diamantenschmuck, im Werthe von
36M0 Franken. Die Namen der Glücklichen, welche „zum Benefiz
der Armen" diese Prachtgegenstände gewonnen, ist noch unbekannt.—
Eine andere Armenunterstützung wird dieser Tage in dem feenhaften
Hotel Lambert, bei der Fürstin Czatoriskv getanzt werden. ES ist
der alljährliche Polenball, der dießmal iedoch mit ungewöhnlicher
Pracht ausgestattet wird, und während von Neuem ganze Schaaren
unglücklicher Polen in Warschau, Posen und Galizien in die Ge¬
fängnisse geführt Werden, schmückt, musicirt, hüpft und tanzt die
Pariser Polensympathie in den Sälen des zukünftigen „Königs von
Polen." Ich muß Sie bei dieser Gelegenheit auf einen kleinen Um¬
stand aufmerksam machen, den ich bisher noch nicht in deutschen
Zeitungen hervorgehoben fand. In den Reihen der flüchtigen Polen
giebt es bekanntlich einen heftigen Zwiespalt zwischen der demokrati¬
schen und aristokratischen Parthei, welche erstere Lelewel und die an¬
dere den Fürsten Czatoriskv zum Führer hat. Die aristokra¬
tische Fraction hat unter andern, lange Zeit sich geweigert, das Ei¬
genthumsrecht der polnischen Bauern anzuerkennen. Seit der letzten
Jahresfeier der polnischen Revolution ist jedoch eine Art Vermittlung
zwischen beiden Principien eingetreten: Fürst Czatoriskv hat in sei¬
ner Gelegenheitsrede das Eigenthumsrecht der Bauern endlich ausge¬
sprochen! Soll man weinen, soll man lachen über diese Tragicco-
mödie, über diesen ernsthaften Kampf um des Kaisers Bart? Es
gehört dieser volle Glauben der unglücklichen Polen an ihre*Zukunft
dazu, diese begeisterte Ueberzeugung von der einstigen Auferstehung
ihres Vaterlandes, um bei solchen Dingen eine ernsthafte Miene
zu behalten. Die Polen erklaren diesen kleinen Zwischenfall als einen
wichtigen Fortschritt ihrer Sache, indem nunmehr der Bauer daheim
einen'doppelten Grund hat, für seine nationale Freiheit sich zu
erheben/
Die hier lebenden deutschen Flüchtlinge sind wieder um einen
vermehrt worden, es ist jedoch ein alter Bekannter: Jacob Venedev,
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