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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Hindostan. Sein "Lalla Rookh," welches 1817 erschien und von
Longman mit 3000 Guineen bezahlt wurde, ist in Deutschland hin¬
länglich bekannt; und es war in England lange Zeit Lieblingslec-
türe. Moore hatte dazu fleißige Studien gemacht und die Local-
farben so richtig getroffen, daß Engländer die aus Indien kamen,
behaupteten, der Autor müsse selber am Ganges gewesen sein.
Einzelne Stücke des Gedichts wurden sogar ins Persische übersetzt.
Wen" indessen Form und Schauplatz des Buches ächt orientalisch
sind, so haben dafür die Personen, wie die türkisch-hellenischen Hel¬
den Byron'S, einen sehr occidentalen Charakter; namentlich ist der
"Feueranbeter" in Lalla Rookh eine irländische Heldengestalt, ge¬
hüllt in einen Schleier von Benares. Fadladeen, Großkämmerer
der Princessin Lalla Nookh, ist die groteske Silhouette Jcffreys.

Fortwährend wechseln bei Moore Satyre und Lyrik ab. Kurz
nach Herausgabe von Lalla Rookh machte er mit seinem Freunde
Samuel Rogers eine Reise nach Paris und schrieb dort "die Fa¬
milie Fudge in Paris." Fudge ist nämlich ein Londoner Cockney
oder Kümmeltürke, der, von Castlereagh als Spion nach Paris
gesandt, die lächerlichsten Berichte über französische Zustände an das
englische Ministerium schreibt. Fudge machte so viel Glück wie das
Postfelleisen. Darauf kamen "biblische Gesänge" (8nere,I 8oiixs)
und 1820 eine Satyre im Borerjargon auf den Congreß von Aachen.

Auf einer Reise nach Italien, die er in Gesellschaft Lord John
Russel's machte, traf er in Venedig mit Byron zusammen, der ihm
seine Memoiren schenkte. Dann lebte Moore mit seiner Familie
drei Jahre in Paris, wo er die Beilegung eines unangenehmen^
Processes abwarten wollte, den ihm sein Stellvertreter auf den Ber¬
mudasinseln eingebrockt hatte. Er sollte an verschiedene amerika¬
nische Kaufleute eine Summe von 6000 Pfund bezahlen, und da
er die angebotene Hilfe seiner Freunde nicht annahm, so mußte er
arbeiten. In der That bezahlte er die Amerikaner mit dem Ertrag
seiner "Liebe der Engel" und seiner "Fabeln für die heilige Allianz."

Thomas Moore hat überhaupt in der letztern Periode seines
Lebens mehr gearbeitet, als gedichtet. Doch haben auch diese "Ar¬
beiten" mancherlei Verdienste. Dahin gehören das Leben Sheri-
dan's, das Leben Fitzgerald's, die Memoiren des Kapitän Rock,
der Epikuräer, die "Reisen eines Irländers der eine Religion
sucht/ und die "Geschichte Irlands."


Hindostan. Sein „Lalla Rookh," welches 1817 erschien und von
Longman mit 3000 Guineen bezahlt wurde, ist in Deutschland hin¬
länglich bekannt; und es war in England lange Zeit Lieblingslec-
türe. Moore hatte dazu fleißige Studien gemacht und die Local-
farben so richtig getroffen, daß Engländer die aus Indien kamen,
behaupteten, der Autor müsse selber am Ganges gewesen sein.
Einzelne Stücke des Gedichts wurden sogar ins Persische übersetzt.
Wen» indessen Form und Schauplatz des Buches ächt orientalisch
sind, so haben dafür die Personen, wie die türkisch-hellenischen Hel¬
den Byron'S, einen sehr occidentalen Charakter; namentlich ist der
„Feueranbeter" in Lalla Rookh eine irländische Heldengestalt, ge¬
hüllt in einen Schleier von Benares. Fadladeen, Großkämmerer
der Princessin Lalla Nookh, ist die groteske Silhouette Jcffreys.

Fortwährend wechseln bei Moore Satyre und Lyrik ab. Kurz
nach Herausgabe von Lalla Rookh machte er mit seinem Freunde
Samuel Rogers eine Reise nach Paris und schrieb dort „die Fa¬
milie Fudge in Paris." Fudge ist nämlich ein Londoner Cockney
oder Kümmeltürke, der, von Castlereagh als Spion nach Paris
gesandt, die lächerlichsten Berichte über französische Zustände an das
englische Ministerium schreibt. Fudge machte so viel Glück wie das
Postfelleisen. Darauf kamen „biblische Gesänge" (8nere,I 8oiixs)
und 1820 eine Satyre im Borerjargon auf den Congreß von Aachen.

Auf einer Reise nach Italien, die er in Gesellschaft Lord John
Russel's machte, traf er in Venedig mit Byron zusammen, der ihm
seine Memoiren schenkte. Dann lebte Moore mit seiner Familie
drei Jahre in Paris, wo er die Beilegung eines unangenehmen^
Processes abwarten wollte, den ihm sein Stellvertreter auf den Ber¬
mudasinseln eingebrockt hatte. Er sollte an verschiedene amerika¬
nische Kaufleute eine Summe von 6000 Pfund bezahlen, und da
er die angebotene Hilfe seiner Freunde nicht annahm, so mußte er
arbeiten. In der That bezahlte er die Amerikaner mit dem Ertrag
seiner „Liebe der Engel" und seiner „Fabeln für die heilige Allianz."

Thomas Moore hat überhaupt in der letztern Periode seines
Lebens mehr gearbeitet, als gedichtet. Doch haben auch diese „Ar¬
beiten" mancherlei Verdienste. Dahin gehören das Leben Sheri-
dan's, das Leben Fitzgerald's, die Memoiren des Kapitän Rock,
der Epikuräer, die „Reisen eines Irländers der eine Religion
sucht/ und die „Geschichte Irlands."


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[0216] Hindostan. Sein „Lalla Rookh," welches 1817 erschien und von Longman mit 3000 Guineen bezahlt wurde, ist in Deutschland hin¬ länglich bekannt; und es war in England lange Zeit Lieblingslec- türe. Moore hatte dazu fleißige Studien gemacht und die Local- farben so richtig getroffen, daß Engländer die aus Indien kamen, behaupteten, der Autor müsse selber am Ganges gewesen sein. Einzelne Stücke des Gedichts wurden sogar ins Persische übersetzt. Wen» indessen Form und Schauplatz des Buches ächt orientalisch sind, so haben dafür die Personen, wie die türkisch-hellenischen Hel¬ den Byron'S, einen sehr occidentalen Charakter; namentlich ist der „Feueranbeter" in Lalla Rookh eine irländische Heldengestalt, ge¬ hüllt in einen Schleier von Benares. Fadladeen, Großkämmerer der Princessin Lalla Nookh, ist die groteske Silhouette Jcffreys. Fortwährend wechseln bei Moore Satyre und Lyrik ab. Kurz nach Herausgabe von Lalla Rookh machte er mit seinem Freunde Samuel Rogers eine Reise nach Paris und schrieb dort „die Fa¬ milie Fudge in Paris." Fudge ist nämlich ein Londoner Cockney oder Kümmeltürke, der, von Castlereagh als Spion nach Paris gesandt, die lächerlichsten Berichte über französische Zustände an das englische Ministerium schreibt. Fudge machte so viel Glück wie das Postfelleisen. Darauf kamen „biblische Gesänge" (8nere,I 8oiixs) und 1820 eine Satyre im Borerjargon auf den Congreß von Aachen. Auf einer Reise nach Italien, die er in Gesellschaft Lord John Russel's machte, traf er in Venedig mit Byron zusammen, der ihm seine Memoiren schenkte. Dann lebte Moore mit seiner Familie drei Jahre in Paris, wo er die Beilegung eines unangenehmen^ Processes abwarten wollte, den ihm sein Stellvertreter auf den Ber¬ mudasinseln eingebrockt hatte. Er sollte an verschiedene amerika¬ nische Kaufleute eine Summe von 6000 Pfund bezahlen, und da er die angebotene Hilfe seiner Freunde nicht annahm, so mußte er arbeiten. In der That bezahlte er die Amerikaner mit dem Ertrag seiner „Liebe der Engel" und seiner „Fabeln für die heilige Allianz." Thomas Moore hat überhaupt in der letztern Periode seines Lebens mehr gearbeitet, als gedichtet. Doch haben auch diese „Ar¬ beiten" mancherlei Verdienste. Dahin gehören das Leben Sheri- dan's, das Leben Fitzgerald's, die Memoiren des Kapitän Rock, der Epikuräer, die „Reisen eines Irländers der eine Religion sucht/ und die „Geschichte Irlands."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/216>, abgerufen am 23.12.2024.