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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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storiographen" des Reiches ernannt, ohne daß jedoch seine übrige Stellung
irgend eine Veränderung erlitte. Wie wir hören, soll I^i. Hurter
bereits mit einer Geschichte des Kaisers Ferdinand II. beschäftigt sein,
dessen Regentenlebcn vom katholischen Standpunkte aus beleuchtet
werden und eine Rechtfertigung der durch die Jesuiten geleiteten
Reaction enthalten dürste.

Der gelehrte Ritter vonWolfskron in Brünn hat einsehr interes¬
santes Werk herausgegeben, welches jedem Kenner der mittelalterlichen
Literatur auf das wärmste anempfohlen werden darf und sowohl in
literarischer als artistischer Beziehung die vollste Beachtung verdient.
Wir meinen das Buch über die Legenden der heiligen Hedwig, nach
einem aus dem Jahre 1353 stammenden und in der Bibliothek des
Piaristenklosters zu Schlackenwerth befindlichen Manuscript, für dessen
Ausgabe der Antiquarbuchhändler Kuppitsch, sehr zierliche und kunst¬
reiche, ganz im Geiste des vergilbten Coder angefertigte Minia-
turbilder besorgte. Der Aufwand von Gelehrsamkeit und Geld, wel¬
chen diese Auflage des alten Codex bedingte, hat auch von verschiede¬
nen Seiten ehrende Anerkennung gefunden, und während dem Schrift¬
steller von dem Könige von Preußen die große goldene Medaille für
literarisches Verdienst zu Theil ward, ist dem Verleger vom Kaiser
von Oesterreich gleichfalls die für schriftstellerische Belohnungen gestif¬
tete goldene Medaille verliehen worden. -- Von Stifters "Studien"
deren dritter Band eben unter der Presse ist, wird bereits eine zweite
Auflage veranstaltet. Eine Sammlung seiner kleineren zerstreuten Auf¬
sätze wird gleichfalls für den Druck vorbereitet.

In den Theatern herrscht eine unerquickliche Ruhe; weder die
beiden Hofbühnen noch die Vorstadttheater entfalten eine ihren Kräf¬
ten angemessene Regsamkeit, und vielleicht halten sie diese auch nicht
für nothwendig, da die Vergnügungslust des Publicums so groß ist,
daß sie gar keiner besondern Reizmittel bedarf, um täglich die
Raume der Schauspielhäuser zu füllen. Die Directtionen finden sich
bei der ohnehin so lebendigen Theilnahme des Publicums keines¬
wegs veranlaßt ihre Schuldigkeit zu thun und halten es für be¬
quemer, mit geringeren Unkosten und weniger Ehre denselben
Vortheil zu ziehen, den ihnen die äußersten Anstrengungen verschaffen
könnten. Unlängst äußerte ein deutscher Bühnendichter, der jetzt hier
verweilt, um eines seiner Bühnenproducte auf die Bretter zu bringen,
wohl nicht mit Unrecht, daß die meisten Bühnendirectionen Deutsch¬
lands froh wären, wenn sie jeden Abend nur soviel Personen im Par¬
terre hätten, als hier bei den fünf verschiedenen Schauspielhäusern wegen
Mangels an Platz um 7 Uhr Abends fortgehen müssen. Im nächsten
Sommer soll die Operngesellschaft des Theaters an der Wien, welche bis
zu Ostern mehrfache wichtige Aquisitionen machen wird, unter Stau-
digls Leitung einen dreimonatlichen Ausflug nach London unterneh-


storiographen" des Reiches ernannt, ohne daß jedoch seine übrige Stellung
irgend eine Veränderung erlitte. Wie wir hören, soll I^i. Hurter
bereits mit einer Geschichte des Kaisers Ferdinand II. beschäftigt sein,
dessen Regentenlebcn vom katholischen Standpunkte aus beleuchtet
werden und eine Rechtfertigung der durch die Jesuiten geleiteten
Reaction enthalten dürste.

Der gelehrte Ritter vonWolfskron in Brünn hat einsehr interes¬
santes Werk herausgegeben, welches jedem Kenner der mittelalterlichen
Literatur auf das wärmste anempfohlen werden darf und sowohl in
literarischer als artistischer Beziehung die vollste Beachtung verdient.
Wir meinen das Buch über die Legenden der heiligen Hedwig, nach
einem aus dem Jahre 1353 stammenden und in der Bibliothek des
Piaristenklosters zu Schlackenwerth befindlichen Manuscript, für dessen
Ausgabe der Antiquarbuchhändler Kuppitsch, sehr zierliche und kunst¬
reiche, ganz im Geiste des vergilbten Coder angefertigte Minia-
turbilder besorgte. Der Aufwand von Gelehrsamkeit und Geld, wel¬
chen diese Auflage des alten Codex bedingte, hat auch von verschiede¬
nen Seiten ehrende Anerkennung gefunden, und während dem Schrift¬
steller von dem Könige von Preußen die große goldene Medaille für
literarisches Verdienst zu Theil ward, ist dem Verleger vom Kaiser
von Oesterreich gleichfalls die für schriftstellerische Belohnungen gestif¬
tete goldene Medaille verliehen worden. — Von Stifters „Studien"
deren dritter Band eben unter der Presse ist, wird bereits eine zweite
Auflage veranstaltet. Eine Sammlung seiner kleineren zerstreuten Auf¬
sätze wird gleichfalls für den Druck vorbereitet.

In den Theatern herrscht eine unerquickliche Ruhe; weder die
beiden Hofbühnen noch die Vorstadttheater entfalten eine ihren Kräf¬
ten angemessene Regsamkeit, und vielleicht halten sie diese auch nicht
für nothwendig, da die Vergnügungslust des Publicums so groß ist,
daß sie gar keiner besondern Reizmittel bedarf, um täglich die
Raume der Schauspielhäuser zu füllen. Die Directtionen finden sich
bei der ohnehin so lebendigen Theilnahme des Publicums keines¬
wegs veranlaßt ihre Schuldigkeit zu thun und halten es für be¬
quemer, mit geringeren Unkosten und weniger Ehre denselben
Vortheil zu ziehen, den ihnen die äußersten Anstrengungen verschaffen
könnten. Unlängst äußerte ein deutscher Bühnendichter, der jetzt hier
verweilt, um eines seiner Bühnenproducte auf die Bretter zu bringen,
wohl nicht mit Unrecht, daß die meisten Bühnendirectionen Deutsch¬
lands froh wären, wenn sie jeden Abend nur soviel Personen im Par¬
terre hätten, als hier bei den fünf verschiedenen Schauspielhäusern wegen
Mangels an Platz um 7 Uhr Abends fortgehen müssen. Im nächsten
Sommer soll die Operngesellschaft des Theaters an der Wien, welche bis
zu Ostern mehrfache wichtige Aquisitionen machen wird, unter Stau-
digls Leitung einen dreimonatlichen Ausflug nach London unterneh-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/197>, abgerufen am 22.12.2024.