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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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wenn für die Auswanderer etwas Erkleckliches geschehen soll. Und
zwar aus dein Grunde, weil Geldmittel dazu erfordert werden, welche
nicht leicht anders als durch freiwillige Beitrage wohlwollender Men¬
schen zusammengebracht werden können. In dieser Beziehung tritt
nun aber eine eigenthümliche Schwierigkeit bei uns in Deutschland
ein. In England, wo die Associationsfreiheit unbeschränkt ist, konn¬
ten sich Gesellschaften bilden wie jene der Negerfreunde, welche den
ungeheuern zwanzigjährigen Kampf gegen die übermächtigen Interessen
der Pflanzerpartei, die von allen Tones eifrig unterstützt wurde, und
selbst gegen die anfängliche Ansicht der Negierung mit Ausdauer,
Nachdruck und endlich siegreichem Erfolge durchgeführt hat. Bei uns
aber werden Associationen, besonders in diesem Augenblicke, da das
Gespenst des Communismus am hellen Tage spuken geht, von vorn
herein mit mißtrauischen Augen angesehen. Zwar sind Vereinigungen
rein wohlthätigen und menschenfreundlichen Charakters durchaus nicht
verpönt, werden sogar von oben her, gern gesehen und begünstigt,
wie das z. B. bei der hiesigen Pestalozzistiftung der Fall zu sein
scheint. Aber um Duldung oder gar Gunst zu erwerben, müssen die
Vereine gewisse Garantien darbieten, oder darzubieten scheinen, aus
gewissen ruhigen, durch Stellung im Leben und gestempelten Charak¬
ter empfohlenen und berechtigten Elementen bestehen, deren sich nicht
leicht eine hinlängliche Menge für ein so umfassendes und so viel
Kraft, Jugendmuth, Freudigkeit und Aufopferungslust erheischendes
Unternehmen als ein großartiger Verein für die Angelegenheit der
Auswanderungen sein würde, zusammenbringen läßt. Hiervon haben
wir an dem gescheiterten Vereine, dessen ich in meinem vorigen Schrei¬
ben gedachte, eine klägliche Erfahrung vor Augen. Die Herren,
welche zur Bildung dieses Vereines zusammentraten, hatten sicherlich
den besten Willen und die redlichsten Absichten; aber wie hätte es
Männern, die theils mit Geschäften überhäuft, Manche selbst schon
bei einer Menge von andern Vereinen betheiligt, theils ihrer Stellung
wegen zu tausend Rücksichten und Bedenklichkeiten genöthigt sind, ge¬
lingen können, die unternommene Sache rüstig und muthig gegen
wohlberechnete Angriffe, Kabalen, feindselige und mächtige Interessen
zu vertheidigen und zu behaupten? Kräfte, die recht gut geeignet
sind, für Kleinkinderbewahranstalten, Armenbeschäftigungsanstalten u.
dergl. in aller Sanftmuth und Ruhe auf glattem, dornenlosen Pfade
wirksam zu werden, reichen natürlich nicht aus, um Unternehmungen
zu begründen, deren Schöpfer von vorn herein auf Anstrengungen
und Opfer aller Art gefaßt sein müssen. Die jungen und frischen
Kräfte aber, von deren Wirkunqslust und Wirkungsvermögen sich et¬
was hoffen ließe, werden ebenso natürlich mit beargwöhnenden Blicken
angesehen, und, kaum daß sie sich regen, sogleich eng gebunden.

Auch in dieser letzteren Hinsicht fehlt es uns nicht an einer


wenn für die Auswanderer etwas Erkleckliches geschehen soll. Und
zwar aus dein Grunde, weil Geldmittel dazu erfordert werden, welche
nicht leicht anders als durch freiwillige Beitrage wohlwollender Men¬
schen zusammengebracht werden können. In dieser Beziehung tritt
nun aber eine eigenthümliche Schwierigkeit bei uns in Deutschland
ein. In England, wo die Associationsfreiheit unbeschränkt ist, konn¬
ten sich Gesellschaften bilden wie jene der Negerfreunde, welche den
ungeheuern zwanzigjährigen Kampf gegen die übermächtigen Interessen
der Pflanzerpartei, die von allen Tones eifrig unterstützt wurde, und
selbst gegen die anfängliche Ansicht der Negierung mit Ausdauer,
Nachdruck und endlich siegreichem Erfolge durchgeführt hat. Bei uns
aber werden Associationen, besonders in diesem Augenblicke, da das
Gespenst des Communismus am hellen Tage spuken geht, von vorn
herein mit mißtrauischen Augen angesehen. Zwar sind Vereinigungen
rein wohlthätigen und menschenfreundlichen Charakters durchaus nicht
verpönt, werden sogar von oben her, gern gesehen und begünstigt,
wie das z. B. bei der hiesigen Pestalozzistiftung der Fall zu sein
scheint. Aber um Duldung oder gar Gunst zu erwerben, müssen die
Vereine gewisse Garantien darbieten, oder darzubieten scheinen, aus
gewissen ruhigen, durch Stellung im Leben und gestempelten Charak¬
ter empfohlenen und berechtigten Elementen bestehen, deren sich nicht
leicht eine hinlängliche Menge für ein so umfassendes und so viel
Kraft, Jugendmuth, Freudigkeit und Aufopferungslust erheischendes
Unternehmen als ein großartiger Verein für die Angelegenheit der
Auswanderungen sein würde, zusammenbringen läßt. Hiervon haben
wir an dem gescheiterten Vereine, dessen ich in meinem vorigen Schrei¬
ben gedachte, eine klägliche Erfahrung vor Augen. Die Herren,
welche zur Bildung dieses Vereines zusammentraten, hatten sicherlich
den besten Willen und die redlichsten Absichten; aber wie hätte es
Männern, die theils mit Geschäften überhäuft, Manche selbst schon
bei einer Menge von andern Vereinen betheiligt, theils ihrer Stellung
wegen zu tausend Rücksichten und Bedenklichkeiten genöthigt sind, ge¬
lingen können, die unternommene Sache rüstig und muthig gegen
wohlberechnete Angriffe, Kabalen, feindselige und mächtige Interessen
zu vertheidigen und zu behaupten? Kräfte, die recht gut geeignet
sind, für Kleinkinderbewahranstalten, Armenbeschäftigungsanstalten u.
dergl. in aller Sanftmuth und Ruhe auf glattem, dornenlosen Pfade
wirksam zu werden, reichen natürlich nicht aus, um Unternehmungen
zu begründen, deren Schöpfer von vorn herein auf Anstrengungen
und Opfer aller Art gefaßt sein müssen. Die jungen und frischen
Kräfte aber, von deren Wirkunqslust und Wirkungsvermögen sich et¬
was hoffen ließe, werden ebenso natürlich mit beargwöhnenden Blicken
angesehen, und, kaum daß sie sich regen, sogleich eng gebunden.

Auch in dieser letzteren Hinsicht fehlt es uns nicht an einer


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[0187] wenn für die Auswanderer etwas Erkleckliches geschehen soll. Und zwar aus dein Grunde, weil Geldmittel dazu erfordert werden, welche nicht leicht anders als durch freiwillige Beitrage wohlwollender Men¬ schen zusammengebracht werden können. In dieser Beziehung tritt nun aber eine eigenthümliche Schwierigkeit bei uns in Deutschland ein. In England, wo die Associationsfreiheit unbeschränkt ist, konn¬ ten sich Gesellschaften bilden wie jene der Negerfreunde, welche den ungeheuern zwanzigjährigen Kampf gegen die übermächtigen Interessen der Pflanzerpartei, die von allen Tones eifrig unterstützt wurde, und selbst gegen die anfängliche Ansicht der Negierung mit Ausdauer, Nachdruck und endlich siegreichem Erfolge durchgeführt hat. Bei uns aber werden Associationen, besonders in diesem Augenblicke, da das Gespenst des Communismus am hellen Tage spuken geht, von vorn herein mit mißtrauischen Augen angesehen. Zwar sind Vereinigungen rein wohlthätigen und menschenfreundlichen Charakters durchaus nicht verpönt, werden sogar von oben her, gern gesehen und begünstigt, wie das z. B. bei der hiesigen Pestalozzistiftung der Fall zu sein scheint. Aber um Duldung oder gar Gunst zu erwerben, müssen die Vereine gewisse Garantien darbieten, oder darzubieten scheinen, aus gewissen ruhigen, durch Stellung im Leben und gestempelten Charak¬ ter empfohlenen und berechtigten Elementen bestehen, deren sich nicht leicht eine hinlängliche Menge für ein so umfassendes und so viel Kraft, Jugendmuth, Freudigkeit und Aufopferungslust erheischendes Unternehmen als ein großartiger Verein für die Angelegenheit der Auswanderungen sein würde, zusammenbringen läßt. Hiervon haben wir an dem gescheiterten Vereine, dessen ich in meinem vorigen Schrei¬ ben gedachte, eine klägliche Erfahrung vor Augen. Die Herren, welche zur Bildung dieses Vereines zusammentraten, hatten sicherlich den besten Willen und die redlichsten Absichten; aber wie hätte es Männern, die theils mit Geschäften überhäuft, Manche selbst schon bei einer Menge von andern Vereinen betheiligt, theils ihrer Stellung wegen zu tausend Rücksichten und Bedenklichkeiten genöthigt sind, ge¬ lingen können, die unternommene Sache rüstig und muthig gegen wohlberechnete Angriffe, Kabalen, feindselige und mächtige Interessen zu vertheidigen und zu behaupten? Kräfte, die recht gut geeignet sind, für Kleinkinderbewahranstalten, Armenbeschäftigungsanstalten u. dergl. in aller Sanftmuth und Ruhe auf glattem, dornenlosen Pfade wirksam zu werden, reichen natürlich nicht aus, um Unternehmungen zu begründen, deren Schöpfer von vorn herein auf Anstrengungen und Opfer aller Art gefaßt sein müssen. Die jungen und frischen Kräfte aber, von deren Wirkunqslust und Wirkungsvermögen sich et¬ was hoffen ließe, werden ebenso natürlich mit beargwöhnenden Blicken angesehen, und, kaum daß sie sich regen, sogleich eng gebunden. Auch in dieser letzteren Hinsicht fehlt es uns nicht an einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/187>, abgerufen am 28.07.2024.