Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Morgen der Vorhang weggezogen werden, und ein Geist wird aus
der Erde steigen, und wie in jener Zauberposse wird er ausrufen:


Ich bin Dein Vacer Zephiscs
Und sage Dir nichts als dieses! (er verschwindet.)

Wir sind also, wie man sieht, keineswegs so ungläubig, wie
Viele andere. Die Landtagsabschiede sind in dem Augenblicke, wo
wir dies niederschreiben, noch nicht veröffentlicht, und lassen daher
noch keine Einsicht zu, in die Politik, welche die preußische Regie¬
rung einzuschlagen gesonnen ist. Nach der Voraussetzung aber, die
wir so eben machten, wäre selbst in dem Falle, daß die Landtags¬
abschiede die meisten Petitionen abschlägig beantworteten, die Mög¬
lichkeit einer "Constitution" darum noch keineswegs undenkbar; es
ließe sich ja annehmen, daß die abschlägigen Bescheide vielleicht ab¬
sichtlich ungünstig ertheilt würden, um für den Augenblick die Hoff¬
nungen niederzuhalten, und dann, wenn Niemand mehr es sich ver¬
sieht, um so überraschender die Verfassung zu proclamirenü Aber
Welcher Art würde die Verfassung sein, die man in der jetzigen
Zeitlage ausgesonnen hätte? Würde man uns in den Jahren
1840 und 41, zur Zeit, wo Negierung und Volk in einem schönen
kurzen Rhein- und Dombau-Rausch aufglühten, von einer beabsich¬
tigten Constitution gesprochen haben, dann hätten wir unsere Her¬
zen weit aufgethan den schönsten Hoffnungen. Jetzt aber wird es
jeder Vernünftige für hundert Mal besser erachten, daß Nichts
geschieht, als daß ein Etwas geboren würde, welches unter
dem Namen einer "Verfassung" einige konstitutionelle Formen böte,
indeß der Geist der alte bliebe. Ein solches Ereigniß wäre das
größte Unglück, das der Sache des politischen Fortschritts begeg¬
nen könnte. In den bisherigen Staats-Verhältnissen bleibt den
Preußen noch immer die Berufung auf das oft citirte "königliche
Wort," aus welchem die Einen, und auf die Nothwendigkeit ei¬
nes andern Modus der Vertretung, aus welchem die Andern ihre
Verfassungsargumente herleiten. Wie aber nun, wenn eine Ver¬
fassung decretirt würde, etwa in dem Geiste der churhessischen, die,
sogleich nach Einberufung des Landtags, ihn nach der ersten Sitz¬
ung auf unbestimmte Zeit wieder vertagt, oder eine Verfassung,
welche die bekannten Bundcstagsbeschlüsse vom 28. Juni und 5.
Juli 1832 zur Grundlage macht. Reichsständische Versammlungen


Morgen der Vorhang weggezogen werden, und ein Geist wird aus
der Erde steigen, und wie in jener Zauberposse wird er ausrufen:


Ich bin Dein Vacer Zephiscs
Und sage Dir nichts als dieses! (er verschwindet.)

Wir sind also, wie man sieht, keineswegs so ungläubig, wie
Viele andere. Die Landtagsabschiede sind in dem Augenblicke, wo
wir dies niederschreiben, noch nicht veröffentlicht, und lassen daher
noch keine Einsicht zu, in die Politik, welche die preußische Regie¬
rung einzuschlagen gesonnen ist. Nach der Voraussetzung aber, die
wir so eben machten, wäre selbst in dem Falle, daß die Landtags¬
abschiede die meisten Petitionen abschlägig beantworteten, die Mög¬
lichkeit einer „Constitution" darum noch keineswegs undenkbar; es
ließe sich ja annehmen, daß die abschlägigen Bescheide vielleicht ab¬
sichtlich ungünstig ertheilt würden, um für den Augenblick die Hoff¬
nungen niederzuhalten, und dann, wenn Niemand mehr es sich ver¬
sieht, um so überraschender die Verfassung zu proclamirenü Aber
Welcher Art würde die Verfassung sein, die man in der jetzigen
Zeitlage ausgesonnen hätte? Würde man uns in den Jahren
1840 und 41, zur Zeit, wo Negierung und Volk in einem schönen
kurzen Rhein- und Dombau-Rausch aufglühten, von einer beabsich¬
tigten Constitution gesprochen haben, dann hätten wir unsere Her¬
zen weit aufgethan den schönsten Hoffnungen. Jetzt aber wird es
jeder Vernünftige für hundert Mal besser erachten, daß Nichts
geschieht, als daß ein Etwas geboren würde, welches unter
dem Namen einer „Verfassung" einige konstitutionelle Formen böte,
indeß der Geist der alte bliebe. Ein solches Ereigniß wäre das
größte Unglück, das der Sache des politischen Fortschritts begeg¬
nen könnte. In den bisherigen Staats-Verhältnissen bleibt den
Preußen noch immer die Berufung auf das oft citirte „königliche
Wort," aus welchem die Einen, und auf die Nothwendigkeit ei¬
nes andern Modus der Vertretung, aus welchem die Andern ihre
Verfassungsargumente herleiten. Wie aber nun, wenn eine Ver¬
fassung decretirt würde, etwa in dem Geiste der churhessischen, die,
sogleich nach Einberufung des Landtags, ihn nach der ersten Sitz¬
ung auf unbestimmte Zeit wieder vertagt, oder eine Verfassung,
welche die bekannten Bundcstagsbeschlüsse vom 28. Juni und 5.
Juli 1832 zur Grundlage macht. Reichsständische Versammlungen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181828"/>
          <p xml:id="ID_27" prev="#ID_26"> Morgen der Vorhang weggezogen werden, und ein Geist wird aus<lb/>
der Erde steigen, und wie in jener Zauberposse wird er ausrufen:</p><lb/>
          <quote> Ich bin Dein Vacer Zephiscs<lb/>
Und sage Dir nichts als dieses! (er verschwindet.)</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Wir sind also, wie man sieht, keineswegs so ungläubig, wie<lb/>
Viele andere. Die Landtagsabschiede sind in dem Augenblicke, wo<lb/>
wir dies niederschreiben, noch nicht veröffentlicht, und lassen daher<lb/>
noch keine Einsicht zu, in die Politik, welche die preußische Regie¬<lb/>
rung einzuschlagen gesonnen ist. Nach der Voraussetzung aber, die<lb/>
wir so eben machten, wäre selbst in dem Falle, daß die Landtags¬<lb/>
abschiede die meisten Petitionen abschlägig beantworteten, die Mög¬<lb/>
lichkeit einer &#x201E;Constitution" darum noch keineswegs undenkbar; es<lb/>
ließe sich ja annehmen, daß die abschlägigen Bescheide vielleicht ab¬<lb/>
sichtlich ungünstig ertheilt würden, um für den Augenblick die Hoff¬<lb/>
nungen niederzuhalten, und dann, wenn Niemand mehr es sich ver¬<lb/>
sieht, um so überraschender die Verfassung zu proclamirenü Aber<lb/>
Welcher Art würde die Verfassung sein, die man in der jetzigen<lb/>
Zeitlage ausgesonnen hätte?  Würde man uns in den Jahren<lb/>
1840 und 41, zur Zeit, wo Negierung und Volk in einem schönen<lb/>
kurzen Rhein- und Dombau-Rausch aufglühten, von einer beabsich¬<lb/>
tigten Constitution gesprochen haben, dann hätten wir unsere Her¬<lb/>
zen weit aufgethan den schönsten Hoffnungen. Jetzt aber wird es<lb/>
jeder Vernünftige für hundert Mal besser erachten, daß Nichts<lb/>
geschieht, als daß ein Etwas geboren würde, welches unter<lb/>
dem Namen einer &#x201E;Verfassung" einige konstitutionelle Formen böte,<lb/>
indeß der Geist der alte bliebe. Ein solches Ereigniß wäre das<lb/>
größte Unglück, das der Sache des politischen Fortschritts begeg¬<lb/>
nen könnte. In den bisherigen Staats-Verhältnissen bleibt den<lb/>
Preußen noch immer die Berufung auf das oft citirte &#x201E;königliche<lb/>
Wort," aus welchem die Einen, und auf die Nothwendigkeit ei¬<lb/>
nes andern Modus der Vertretung, aus welchem die Andern ihre<lb/>
Verfassungsargumente herleiten. Wie aber nun, wenn eine Ver¬<lb/>
fassung decretirt würde, etwa in dem Geiste der churhessischen, die,<lb/>
sogleich nach Einberufung des Landtags, ihn nach der ersten Sitz¬<lb/>
ung auf unbestimmte Zeit wieder vertagt, oder eine Verfassung,<lb/>
welche die bekannten Bundcstagsbeschlüsse vom 28. Juni und 5.<lb/>
Juli 1832 zur Grundlage macht. Reichsständische Versammlungen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] Morgen der Vorhang weggezogen werden, und ein Geist wird aus der Erde steigen, und wie in jener Zauberposse wird er ausrufen: Ich bin Dein Vacer Zephiscs Und sage Dir nichts als dieses! (er verschwindet.) Wir sind also, wie man sieht, keineswegs so ungläubig, wie Viele andere. Die Landtagsabschiede sind in dem Augenblicke, wo wir dies niederschreiben, noch nicht veröffentlicht, und lassen daher noch keine Einsicht zu, in die Politik, welche die preußische Regie¬ rung einzuschlagen gesonnen ist. Nach der Voraussetzung aber, die wir so eben machten, wäre selbst in dem Falle, daß die Landtags¬ abschiede die meisten Petitionen abschlägig beantworteten, die Mög¬ lichkeit einer „Constitution" darum noch keineswegs undenkbar; es ließe sich ja annehmen, daß die abschlägigen Bescheide vielleicht ab¬ sichtlich ungünstig ertheilt würden, um für den Augenblick die Hoff¬ nungen niederzuhalten, und dann, wenn Niemand mehr es sich ver¬ sieht, um so überraschender die Verfassung zu proclamirenü Aber Welcher Art würde die Verfassung sein, die man in der jetzigen Zeitlage ausgesonnen hätte? Würde man uns in den Jahren 1840 und 41, zur Zeit, wo Negierung und Volk in einem schönen kurzen Rhein- und Dombau-Rausch aufglühten, von einer beabsich¬ tigten Constitution gesprochen haben, dann hätten wir unsere Her¬ zen weit aufgethan den schönsten Hoffnungen. Jetzt aber wird es jeder Vernünftige für hundert Mal besser erachten, daß Nichts geschieht, als daß ein Etwas geboren würde, welches unter dem Namen einer „Verfassung" einige konstitutionelle Formen böte, indeß der Geist der alte bliebe. Ein solches Ereigniß wäre das größte Unglück, das der Sache des politischen Fortschritts begeg¬ nen könnte. In den bisherigen Staats-Verhältnissen bleibt den Preußen noch immer die Berufung auf das oft citirte „königliche Wort," aus welchem die Einen, und auf die Nothwendigkeit ei¬ nes andern Modus der Vertretung, aus welchem die Andern ihre Verfassungsargumente herleiten. Wie aber nun, wenn eine Ver¬ fassung decretirt würde, etwa in dem Geiste der churhessischen, die, sogleich nach Einberufung des Landtags, ihn nach der ersten Sitz¬ ung auf unbestimmte Zeit wieder vertagt, oder eine Verfassung, welche die bekannten Bundcstagsbeschlüsse vom 28. Juni und 5. Juli 1832 zur Grundlage macht. Reichsständische Versammlungen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/18>, abgerufen am 22.12.2024.