Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.une alte Erfahrung lehrt, daß eine gescheiterte Revolution doppelt Grenibotcn, Isi". I. 2
une alte Erfahrung lehrt, daß eine gescheiterte Revolution doppelt Grenibotcn, Isi«. I. 2
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181827"/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25" next="#ID_27"> une alte Erfahrung lehrt, daß eine gescheiterte Revolution doppelt<lb/> unglückliche Folgen bringt, um wie viel unglücklicher müssen diese<lb/> erst sein, wo diese Revolution ein Hirngespinst ist, wo man einem<lb/> Pöbelauflauf, einem augenblicklichen Lärm, der ohne allen Zusam¬<lb/> menhang mit dem Willen der Stadt, geschweige des Landes, ge¬<lb/> schweige der Nation, eine Stunde dauerte, den Charakter einer<lb/> revolutionairen Bewegung beilegt. Wir haben einige Tage nach<lb/> dem traurigen 12. August, als sämmtliche Redacteure Leipziger<lb/> Journale auf das Rathhaus berufen und verwarnt wurden, sich<lb/> „jeder Verläumdung" zu enthalten, in diesen Blättern es ausge¬<lb/> sprochen, daß die sächsische Negierung ihrerseits nicht minder auf<lb/> der Hut sein möge in ihren Anklagen gegen das Volk, daß sie nicht<lb/> zu weit gehen und den Ruf der constitutionellen Ordnung nicht<lb/> in den Augen der absoluten Nachbarherrn compromittiren möge.<lb/> Alle Welt kennt nun den Ausgang. Man ist in die schiefe Stellung<lb/> gekommen, die jenem unglücklichen Commando nach und vorhergehen¬<lb/> den Scenen in einem viel grelleren Lichte, in einer viel gefährlichern<lb/> Bedeutung erscheinen zu lassen. Welche Wirkung dies auf die deut¬<lb/> schen Fürsten ausüben mußte, liegt auf der Hand; die Kammer<lb/> und die auswärtige Presse hatten gut entgegen reden: was man<lb/> gerne glauben will, das glaubt man. Und zu so ungünstigem<lb/> Zeitpunkte tauchen immer erneuert und wieder erneuert die Gerüchte<lb/> v'vn einer preußischen Konstitution auf. Wir sind zwar unsrerseits<lb/> auch über den Glauben an Ritter- und Gespenstergeschichten hin¬<lb/> aus, aber die Sache wird so oft und von so gescheuten Menschen<lb/> wiederholt, daß man am Ende doch seine Vernunft gefangen giebt.<lb/> Bei dem Suchen nach einem Schlüssel zu diesem räthselhaften<lb/> Volksmährchen sind wir zu folgendem Raisonnement gelangt. Die<lb/> preußische Negierung geht vielleicht von dem Prinzipe aus, der<lb/> Staat müsse bei wichtigen Gesetzen stets die Miene haben, das<lb/> Volk zu beschenken, nicht aber der öffentlichen Meinung nachzuge¬<lb/> ben. Ein Plan zur Verfassung mag denn wirklich vorliegen; aber<lb/> da seine also «u früher bekannt wurde und die Ueberraschung<lb/> gestört hat, so wurde seine Veröffentlichung wieder verschoben, bis<lb/> zur Zeit, wo alle Hoffnungen darauf eingeschlafen und weggespottet<lb/> worden. Dann, wenn Niemand mehr dran denkt, wird an einem</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenibotcn, Isi«. I. 2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
une alte Erfahrung lehrt, daß eine gescheiterte Revolution doppelt
unglückliche Folgen bringt, um wie viel unglücklicher müssen diese
erst sein, wo diese Revolution ein Hirngespinst ist, wo man einem
Pöbelauflauf, einem augenblicklichen Lärm, der ohne allen Zusam¬
menhang mit dem Willen der Stadt, geschweige des Landes, ge¬
schweige der Nation, eine Stunde dauerte, den Charakter einer
revolutionairen Bewegung beilegt. Wir haben einige Tage nach
dem traurigen 12. August, als sämmtliche Redacteure Leipziger
Journale auf das Rathhaus berufen und verwarnt wurden, sich
„jeder Verläumdung" zu enthalten, in diesen Blättern es ausge¬
sprochen, daß die sächsische Negierung ihrerseits nicht minder auf
der Hut sein möge in ihren Anklagen gegen das Volk, daß sie nicht
zu weit gehen und den Ruf der constitutionellen Ordnung nicht
in den Augen der absoluten Nachbarherrn compromittiren möge.
Alle Welt kennt nun den Ausgang. Man ist in die schiefe Stellung
gekommen, die jenem unglücklichen Commando nach und vorhergehen¬
den Scenen in einem viel grelleren Lichte, in einer viel gefährlichern
Bedeutung erscheinen zu lassen. Welche Wirkung dies auf die deut¬
schen Fürsten ausüben mußte, liegt auf der Hand; die Kammer
und die auswärtige Presse hatten gut entgegen reden: was man
gerne glauben will, das glaubt man. Und zu so ungünstigem
Zeitpunkte tauchen immer erneuert und wieder erneuert die Gerüchte
v'vn einer preußischen Konstitution auf. Wir sind zwar unsrerseits
auch über den Glauben an Ritter- und Gespenstergeschichten hin¬
aus, aber die Sache wird so oft und von so gescheuten Menschen
wiederholt, daß man am Ende doch seine Vernunft gefangen giebt.
Bei dem Suchen nach einem Schlüssel zu diesem räthselhaften
Volksmährchen sind wir zu folgendem Raisonnement gelangt. Die
preußische Negierung geht vielleicht von dem Prinzipe aus, der
Staat müsse bei wichtigen Gesetzen stets die Miene haben, das
Volk zu beschenken, nicht aber der öffentlichen Meinung nachzuge¬
ben. Ein Plan zur Verfassung mag denn wirklich vorliegen; aber
da seine also «u früher bekannt wurde und die Ueberraschung
gestört hat, so wurde seine Veröffentlichung wieder verschoben, bis
zur Zeit, wo alle Hoffnungen darauf eingeschlafen und weggespottet
worden. Dann, wenn Niemand mehr dran denkt, wird an einem
Grenibotcn, Isi«. I. 2
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