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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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stach in ein Wespennest nach dem andern. Indem er die politi¬
schen Gefangenen -- jene jungen Raisonneurs, die so wenig ver¬
brochen hatten, -- freiließ, erbitterte er gegen sich die Richter, die
den Stab über sie so eifrig gebrochen hatten. Darauf beschloß er,
einen für die Ehre des Landes beleidigenden und für die Finanzen
nachtheiligen Vertrag mit einem Nachbarstaat, der so eben abge¬
laufen war, nicht zu erneuern. Darüber drohte ein Krieg auszu-
brechen. Der Fürst mußte sich nun freilich erzählen lassen, was
in der Welt draußen vorging; indeß er war jung, er war muthig,
und die Kriegöperspective gefiel ihm wenigstens aus der Ferne; er
dachte an die Lorbeeren und Trophäen, an Tedeums und Sieges¬
bälle, und war deshalb mit Hinzelmann einverstanden. Dieser traf
mit Geschick alle nöthigen Rüstungen, und die kleine Armee wartete
nur noch auf den Befehl zum Auömarschiren und auf die Ernen¬
nung eines Generalissimus, als die Großmächte dazwischentraten
und einen für beide Länder billigen Vergleich stifteten. Da gab
eS wieder Geschrei unter Lieferanten, Actionären, Lieutenants und
Generälen. Hatte das Land erst über die Gefahren des Krieges,
die der tölpische Minister heraufbeschworen, lamentire, so knirschten
jetzt die speculirenden Privatleute, die bereits den Krieg für ihre'
Börsen auszubeuten gedacht, die Lieutenants, die auf Avancement,
und die Lieferanten und Stabsvfficiere, die, unter einer Decke spie¬
lend, schon auf goldene Beute in Feindes- und Freundesland ge¬
rechnet hatten. Denn Hinzelmann hatte bei den Rüstungen vor¬
zugsweise für den gemeinen Soldaten gesorgt und den Lieferanten
scharf auf die Finger gesehen; die Andern, meinte er, die fast alle
reich und hochgestellt waren, könnten auf Nebenverdienste verzichten
und sich mit der Ehre des Sieges begnügen. So hatte er nun,
außer der ministeriellen Presse, dem Clerus, dem Richter- und Han-
delsstande, auch die Armee gegen sich.

Der Fürst, stolz auf die Courage, die er beinahe gezeigt hätte,
und über die er ein schmeichelhaftes Schreiben von seiner Egeria,
Mlle. Florcntine, aus Paris erhielt, ließ seine Generäle und Ban¬
quiers brummen, und überließ sich ganz und gar jenen Freuden, die
einst Jupiter und Nebukadnezar in einen Stier verwandelten; in
seinem Freudenräusche auf den Wiesen der Liebe hätte er ihr bald
die Krone und seine Hand zu Füßen gelegt. Um ihretwillen schlug


stach in ein Wespennest nach dem andern. Indem er die politi¬
schen Gefangenen — jene jungen Raisonneurs, die so wenig ver¬
brochen hatten, — freiließ, erbitterte er gegen sich die Richter, die
den Stab über sie so eifrig gebrochen hatten. Darauf beschloß er,
einen für die Ehre des Landes beleidigenden und für die Finanzen
nachtheiligen Vertrag mit einem Nachbarstaat, der so eben abge¬
laufen war, nicht zu erneuern. Darüber drohte ein Krieg auszu-
brechen. Der Fürst mußte sich nun freilich erzählen lassen, was
in der Welt draußen vorging; indeß er war jung, er war muthig,
und die Kriegöperspective gefiel ihm wenigstens aus der Ferne; er
dachte an die Lorbeeren und Trophäen, an Tedeums und Sieges¬
bälle, und war deshalb mit Hinzelmann einverstanden. Dieser traf
mit Geschick alle nöthigen Rüstungen, und die kleine Armee wartete
nur noch auf den Befehl zum Auömarschiren und auf die Ernen¬
nung eines Generalissimus, als die Großmächte dazwischentraten
und einen für beide Länder billigen Vergleich stifteten. Da gab
eS wieder Geschrei unter Lieferanten, Actionären, Lieutenants und
Generälen. Hatte das Land erst über die Gefahren des Krieges,
die der tölpische Minister heraufbeschworen, lamentire, so knirschten
jetzt die speculirenden Privatleute, die bereits den Krieg für ihre'
Börsen auszubeuten gedacht, die Lieutenants, die auf Avancement,
und die Lieferanten und Stabsvfficiere, die, unter einer Decke spie¬
lend, schon auf goldene Beute in Feindes- und Freundesland ge¬
rechnet hatten. Denn Hinzelmann hatte bei den Rüstungen vor¬
zugsweise für den gemeinen Soldaten gesorgt und den Lieferanten
scharf auf die Finger gesehen; die Andern, meinte er, die fast alle
reich und hochgestellt waren, könnten auf Nebenverdienste verzichten
und sich mit der Ehre des Sieges begnügen. So hatte er nun,
außer der ministeriellen Presse, dem Clerus, dem Richter- und Han-
delsstande, auch die Armee gegen sich.

Der Fürst, stolz auf die Courage, die er beinahe gezeigt hätte,
und über die er ein schmeichelhaftes Schreiben von seiner Egeria,
Mlle. Florcntine, aus Paris erhielt, ließ seine Generäle und Ban¬
quiers brummen, und überließ sich ganz und gar jenen Freuden, die
einst Jupiter und Nebukadnezar in einen Stier verwandelten; in
seinem Freudenräusche auf den Wiesen der Liebe hätte er ihr bald
die Krone und seine Hand zu Füßen gelegt. Um ihretwillen schlug


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[0111] stach in ein Wespennest nach dem andern. Indem er die politi¬ schen Gefangenen — jene jungen Raisonneurs, die so wenig ver¬ brochen hatten, — freiließ, erbitterte er gegen sich die Richter, die den Stab über sie so eifrig gebrochen hatten. Darauf beschloß er, einen für die Ehre des Landes beleidigenden und für die Finanzen nachtheiligen Vertrag mit einem Nachbarstaat, der so eben abge¬ laufen war, nicht zu erneuern. Darüber drohte ein Krieg auszu- brechen. Der Fürst mußte sich nun freilich erzählen lassen, was in der Welt draußen vorging; indeß er war jung, er war muthig, und die Kriegöperspective gefiel ihm wenigstens aus der Ferne; er dachte an die Lorbeeren und Trophäen, an Tedeums und Sieges¬ bälle, und war deshalb mit Hinzelmann einverstanden. Dieser traf mit Geschick alle nöthigen Rüstungen, und die kleine Armee wartete nur noch auf den Befehl zum Auömarschiren und auf die Ernen¬ nung eines Generalissimus, als die Großmächte dazwischentraten und einen für beide Länder billigen Vergleich stifteten. Da gab eS wieder Geschrei unter Lieferanten, Actionären, Lieutenants und Generälen. Hatte das Land erst über die Gefahren des Krieges, die der tölpische Minister heraufbeschworen, lamentire, so knirschten jetzt die speculirenden Privatleute, die bereits den Krieg für ihre' Börsen auszubeuten gedacht, die Lieutenants, die auf Avancement, und die Lieferanten und Stabsvfficiere, die, unter einer Decke spie¬ lend, schon auf goldene Beute in Feindes- und Freundesland ge¬ rechnet hatten. Denn Hinzelmann hatte bei den Rüstungen vor¬ zugsweise für den gemeinen Soldaten gesorgt und den Lieferanten scharf auf die Finger gesehen; die Andern, meinte er, die fast alle reich und hochgestellt waren, könnten auf Nebenverdienste verzichten und sich mit der Ehre des Sieges begnügen. So hatte er nun, außer der ministeriellen Presse, dem Clerus, dem Richter- und Han- delsstande, auch die Armee gegen sich. Der Fürst, stolz auf die Courage, die er beinahe gezeigt hätte, und über die er ein schmeichelhaftes Schreiben von seiner Egeria, Mlle. Florcntine, aus Paris erhielt, ließ seine Generäle und Ban¬ quiers brummen, und überließ sich ganz und gar jenen Freuden, die einst Jupiter und Nebukadnezar in einen Stier verwandelten; in seinem Freudenräusche auf den Wiesen der Liebe hätte er ihr bald die Krone und seine Hand zu Füßen gelegt. Um ihretwillen schlug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/111>, abgerufen am 23.12.2024.