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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Religionen bekriegten einander fortwährend, und wenn sie einmal
einen kurzen Waffenstillstand schlossen, so geschah es nur, um mit
vereintem Haß über eine jüdische Synagoge herzustürzen, die in
ihrem Staatswinkcl bescheiden versteckt lag. Der frühere Fürst
hatte den Protestantismus als Staatskirche und auf Staatskosten
aufrecht erhalten; daher der Ingrimm der katholischen Kirche, die
ihrerseits dies Privilegium sür sich forderte. Um nun einige Ruhe
zu schaffen und die Aufmerksamkeit des Publicums auf etwas An¬
deres zu lenken, hatte man die Juden, die sich seit einigen Jahren
die Freiheit Herausnahmen, zu wohnen, wo sie wollten, wieder in
ihr Ghetto eingesperrt, und machte großen Lärm mit neuen Ketten,
die man ihnen anzulegen drohte. Der simple Hinzelmann aber,
der den Zusammenhang dieses Manoeuvre nicht begreifen konnte,
wollte die Sache kurz abthun, erklärte die Freiheit der Kirche von"
Staat, und ließ, angeblich um die Gewissen nicht zu kränken, jeder
Religion das Recht, sich von ihren Bekennern nach Kräften und
Gutdünken unterstützen zu lassen. Nicht nur, daß er dem Prote¬
stantismus sein Privilegium nahm, und dem Katholicismus keines
gab: er beschützte sogar die Juden gegen die Mißgunst und den
Haß der beiden andern Religionsparteien. Das gab ein allgemei¬
nes Halloh! Der Hofjournalist versäumte nicht, kräftig mit ein¬
zustimmen, und nannte den neuen Minister einen .... Atheisten.

Zum Glück sür Hinzelmann. war der Fürst gerade von seiner
Leidenschaft für die schöne, aus Paris verschriebene Tänzerin ein¬
genommen und ärgerte sich über Monsieur Lepaulle, der sie por--
traitirt hatte. Der Fürst bot nämlich diesem unsterblichen Maler,
statt des hohen Preises, den der letztere sür das Bild verlangt
hatte, seinen apfelgrünen Hausorden. Der Franzose dagegen war
so unverschämt, sich zu bedanken, indem er bemerkte, er liebe diese
Couleur nicht und bitte um seine baaren 20,000 Gulden, sonst
werde er das Portrait Rosalindens behalten und in Paris öffent¬
lich aufbieten lassen. Dies war eine Beleidigung, welche sowohl
die Privatschatulle als die Ehre Seiner Hoheit traf, denn an die
Staatskasse den Maler anzuweisen, wie er im ersten Zorne be¬
schloß, das ging unter des ehrlichen Hinzelmanns Regierung nicht
ohne langes Diöcutiren.

Hinzelmann ließ sich indeß in seiner Politik nicht stören und


Religionen bekriegten einander fortwährend, und wenn sie einmal
einen kurzen Waffenstillstand schlossen, so geschah es nur, um mit
vereintem Haß über eine jüdische Synagoge herzustürzen, die in
ihrem Staatswinkcl bescheiden versteckt lag. Der frühere Fürst
hatte den Protestantismus als Staatskirche und auf Staatskosten
aufrecht erhalten; daher der Ingrimm der katholischen Kirche, die
ihrerseits dies Privilegium sür sich forderte. Um nun einige Ruhe
zu schaffen und die Aufmerksamkeit des Publicums auf etwas An¬
deres zu lenken, hatte man die Juden, die sich seit einigen Jahren
die Freiheit Herausnahmen, zu wohnen, wo sie wollten, wieder in
ihr Ghetto eingesperrt, und machte großen Lärm mit neuen Ketten,
die man ihnen anzulegen drohte. Der simple Hinzelmann aber,
der den Zusammenhang dieses Manoeuvre nicht begreifen konnte,
wollte die Sache kurz abthun, erklärte die Freiheit der Kirche von«
Staat, und ließ, angeblich um die Gewissen nicht zu kränken, jeder
Religion das Recht, sich von ihren Bekennern nach Kräften und
Gutdünken unterstützen zu lassen. Nicht nur, daß er dem Prote¬
stantismus sein Privilegium nahm, und dem Katholicismus keines
gab: er beschützte sogar die Juden gegen die Mißgunst und den
Haß der beiden andern Religionsparteien. Das gab ein allgemei¬
nes Halloh! Der Hofjournalist versäumte nicht, kräftig mit ein¬
zustimmen, und nannte den neuen Minister einen .... Atheisten.

Zum Glück sür Hinzelmann. war der Fürst gerade von seiner
Leidenschaft für die schöne, aus Paris verschriebene Tänzerin ein¬
genommen und ärgerte sich über Monsieur Lepaulle, der sie por--
traitirt hatte. Der Fürst bot nämlich diesem unsterblichen Maler,
statt des hohen Preises, den der letztere sür das Bild verlangt
hatte, seinen apfelgrünen Hausorden. Der Franzose dagegen war
so unverschämt, sich zu bedanken, indem er bemerkte, er liebe diese
Couleur nicht und bitte um seine baaren 20,000 Gulden, sonst
werde er das Portrait Rosalindens behalten und in Paris öffent¬
lich aufbieten lassen. Dies war eine Beleidigung, welche sowohl
die Privatschatulle als die Ehre Seiner Hoheit traf, denn an die
Staatskasse den Maler anzuweisen, wie er im ersten Zorne be¬
schloß, das ging unter des ehrlichen Hinzelmanns Regierung nicht
ohne langes Diöcutiren.

Hinzelmann ließ sich indeß in seiner Politik nicht stören und


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[0110] Religionen bekriegten einander fortwährend, und wenn sie einmal einen kurzen Waffenstillstand schlossen, so geschah es nur, um mit vereintem Haß über eine jüdische Synagoge herzustürzen, die in ihrem Staatswinkcl bescheiden versteckt lag. Der frühere Fürst hatte den Protestantismus als Staatskirche und auf Staatskosten aufrecht erhalten; daher der Ingrimm der katholischen Kirche, die ihrerseits dies Privilegium sür sich forderte. Um nun einige Ruhe zu schaffen und die Aufmerksamkeit des Publicums auf etwas An¬ deres zu lenken, hatte man die Juden, die sich seit einigen Jahren die Freiheit Herausnahmen, zu wohnen, wo sie wollten, wieder in ihr Ghetto eingesperrt, und machte großen Lärm mit neuen Ketten, die man ihnen anzulegen drohte. Der simple Hinzelmann aber, der den Zusammenhang dieses Manoeuvre nicht begreifen konnte, wollte die Sache kurz abthun, erklärte die Freiheit der Kirche von« Staat, und ließ, angeblich um die Gewissen nicht zu kränken, jeder Religion das Recht, sich von ihren Bekennern nach Kräften und Gutdünken unterstützen zu lassen. Nicht nur, daß er dem Prote¬ stantismus sein Privilegium nahm, und dem Katholicismus keines gab: er beschützte sogar die Juden gegen die Mißgunst und den Haß der beiden andern Religionsparteien. Das gab ein allgemei¬ nes Halloh! Der Hofjournalist versäumte nicht, kräftig mit ein¬ zustimmen, und nannte den neuen Minister einen .... Atheisten. Zum Glück sür Hinzelmann. war der Fürst gerade von seiner Leidenschaft für die schöne, aus Paris verschriebene Tänzerin ein¬ genommen und ärgerte sich über Monsieur Lepaulle, der sie por-- traitirt hatte. Der Fürst bot nämlich diesem unsterblichen Maler, statt des hohen Preises, den der letztere sür das Bild verlangt hatte, seinen apfelgrünen Hausorden. Der Franzose dagegen war so unverschämt, sich zu bedanken, indem er bemerkte, er liebe diese Couleur nicht und bitte um seine baaren 20,000 Gulden, sonst werde er das Portrait Rosalindens behalten und in Paris öffent¬ lich aufbieten lassen. Dies war eine Beleidigung, welche sowohl die Privatschatulle als die Ehre Seiner Hoheit traf, denn an die Staatskasse den Maler anzuweisen, wie er im ersten Zorne be¬ schloß, das ging unter des ehrlichen Hinzelmanns Regierung nicht ohne langes Diöcutiren. Hinzelmann ließ sich indeß in seiner Politik nicht stören und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/110>, abgerufen am 23.12.2024.