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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Tuillerien ein Greis oder ein Kind auf dein Throne des heiligen
Louis sitzen wird, ob im Buckinghampalaste der Staatsruderer Ro¬
bert oder John aus und ein geht, dies erschüttert nicht mehr die
Fugen der Welt. Denn der süße Frieden, der über uns schwebt,
ist nicht mehr der ehemalige Enge'l mit schwachen Roscnflügeln
sondern ein Riese mit breiten Eisenschienen. Der Janustempel der
Gegenwart steht im Frieden offen und im Krieg verschlossen, denn
dieser Tempel ist die Börse; die holde Eintracht/ die uns "mgievt,
braucht keine andere Fesseln, als papierene, denn diese Papiere sind
Actien. Seid umschlungen Millionen -- diese Dividende der
ganzen Welt!

Und doch -- welcher Partei man auch angehört -- wir haben
Alle Ursache, dieses Friedens uns zu freuen. Es giebt Politiker,
welche die friedliche Wendung der Julirevolution mit Ingrimm be¬
trachten. Wir gehören nicht zu diesen. Die Friedenspolitik, die
Louis Philipp aus dynastisch-egoistischen Interesse eingeschlagen, ist
zwar für eine Reihe von Jahren, ein Hemmniß des politischen Fort¬
schritts für manche Völker und zunächst für uns Deutsche geworden,
die constitutionelle Freiheit wurde in ihrer Entwickelung niederge¬
halten, das absolute System hat zeitweilig wieder fester und breiter
sich in den Sattel gesetzt, aber die socialen Erwerbungen, die wir
in diesen fünfzehn Jahren gemacht, sind sicherere Garantien für die
Zukunft, als Alles, was -- ein der Freiheit noch so günstiger
Krieg -- nach der Julirevolution hätte fördern können. Bringen
wir die zweifelhaften Chancen eines Krieges nicht ein Mal in An¬
schlag, bringen wir auch die menschlichen Motive, die gegen jedes
Blutvergießen und Ländervcrhceren sich empören, nicht in Rechnung,
auch des Umstandes erwähnen wir nicht, daß nach einer französi¬
schen Invasion in den dreißiger Jahren, die Rheinlande und
vielleicht noch manches andere gute Stück deutschen Landes an
Frankreich gekommen wäre; nur das Eine halten wir fest, in diesen
fünfzehn Friedensjahren bog die europäische Civilisation um eine
Ecke, die kein früheres Jahrhundert gekannt, Natur- und Menschen-
kräfte haben in dieser Spanne Zeit zu einem Zusammenwirken sich
ausgebildet, welches der Geschichte der Zukunft unabsehbare Bah¬
nen eröffnet. Kein freies Polen, keine deutsche Constitution wiegt
den Umschwung auf, den die Welt durch die Ausbreitung der El-


Tuillerien ein Greis oder ein Kind auf dein Throne des heiligen
Louis sitzen wird, ob im Buckinghampalaste der Staatsruderer Ro¬
bert oder John aus und ein geht, dies erschüttert nicht mehr die
Fugen der Welt. Denn der süße Frieden, der über uns schwebt,
ist nicht mehr der ehemalige Enge'l mit schwachen Roscnflügeln
sondern ein Riese mit breiten Eisenschienen. Der Janustempel der
Gegenwart steht im Frieden offen und im Krieg verschlossen, denn
dieser Tempel ist die Börse; die holde Eintracht/ die uns „mgievt,
braucht keine andere Fesseln, als papierene, denn diese Papiere sind
Actien. Seid umschlungen Millionen — diese Dividende der
ganzen Welt!

Und doch — welcher Partei man auch angehört — wir haben
Alle Ursache, dieses Friedens uns zu freuen. Es giebt Politiker,
welche die friedliche Wendung der Julirevolution mit Ingrimm be¬
trachten. Wir gehören nicht zu diesen. Die Friedenspolitik, die
Louis Philipp aus dynastisch-egoistischen Interesse eingeschlagen, ist
zwar für eine Reihe von Jahren, ein Hemmniß des politischen Fort¬
schritts für manche Völker und zunächst für uns Deutsche geworden,
die constitutionelle Freiheit wurde in ihrer Entwickelung niederge¬
halten, das absolute System hat zeitweilig wieder fester und breiter
sich in den Sattel gesetzt, aber die socialen Erwerbungen, die wir
in diesen fünfzehn Jahren gemacht, sind sicherere Garantien für die
Zukunft, als Alles, was — ein der Freiheit noch so günstiger
Krieg — nach der Julirevolution hätte fördern können. Bringen
wir die zweifelhaften Chancen eines Krieges nicht ein Mal in An¬
schlag, bringen wir auch die menschlichen Motive, die gegen jedes
Blutvergießen und Ländervcrhceren sich empören, nicht in Rechnung,
auch des Umstandes erwähnen wir nicht, daß nach einer französi¬
schen Invasion in den dreißiger Jahren, die Rheinlande und
vielleicht noch manches andere gute Stück deutschen Landes an
Frankreich gekommen wäre; nur das Eine halten wir fest, in diesen
fünfzehn Friedensjahren bog die europäische Civilisation um eine
Ecke, die kein früheres Jahrhundert gekannt, Natur- und Menschen-
kräfte haben in dieser Spanne Zeit zu einem Zusammenwirken sich
ausgebildet, welches der Geschichte der Zukunft unabsehbare Bah¬
nen eröffnet. Kein freies Polen, keine deutsche Constitution wiegt
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[0010] Tuillerien ein Greis oder ein Kind auf dein Throne des heiligen Louis sitzen wird, ob im Buckinghampalaste der Staatsruderer Ro¬ bert oder John aus und ein geht, dies erschüttert nicht mehr die Fugen der Welt. Denn der süße Frieden, der über uns schwebt, ist nicht mehr der ehemalige Enge'l mit schwachen Roscnflügeln sondern ein Riese mit breiten Eisenschienen. Der Janustempel der Gegenwart steht im Frieden offen und im Krieg verschlossen, denn dieser Tempel ist die Börse; die holde Eintracht/ die uns „mgievt, braucht keine andere Fesseln, als papierene, denn diese Papiere sind Actien. Seid umschlungen Millionen — diese Dividende der ganzen Welt! Und doch — welcher Partei man auch angehört — wir haben Alle Ursache, dieses Friedens uns zu freuen. Es giebt Politiker, welche die friedliche Wendung der Julirevolution mit Ingrimm be¬ trachten. Wir gehören nicht zu diesen. Die Friedenspolitik, die Louis Philipp aus dynastisch-egoistischen Interesse eingeschlagen, ist zwar für eine Reihe von Jahren, ein Hemmniß des politischen Fort¬ schritts für manche Völker und zunächst für uns Deutsche geworden, die constitutionelle Freiheit wurde in ihrer Entwickelung niederge¬ halten, das absolute System hat zeitweilig wieder fester und breiter sich in den Sattel gesetzt, aber die socialen Erwerbungen, die wir in diesen fünfzehn Jahren gemacht, sind sicherere Garantien für die Zukunft, als Alles, was — ein der Freiheit noch so günstiger Krieg — nach der Julirevolution hätte fördern können. Bringen wir die zweifelhaften Chancen eines Krieges nicht ein Mal in An¬ schlag, bringen wir auch die menschlichen Motive, die gegen jedes Blutvergießen und Ländervcrhceren sich empören, nicht in Rechnung, auch des Umstandes erwähnen wir nicht, daß nach einer französi¬ schen Invasion in den dreißiger Jahren, die Rheinlande und vielleicht noch manches andere gute Stück deutschen Landes an Frankreich gekommen wäre; nur das Eine halten wir fest, in diesen fünfzehn Friedensjahren bog die europäische Civilisation um eine Ecke, die kein früheres Jahrhundert gekannt, Natur- und Menschen- kräfte haben in dieser Spanne Zeit zu einem Zusammenwirken sich ausgebildet, welches der Geschichte der Zukunft unabsehbare Bah¬ nen eröffnet. Kein freies Polen, keine deutsche Constitution wiegt den Umschwung auf, den die Welt durch die Ausbreitung der El-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/10>, abgerufen am 22.12.2024.