Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.welche besserer Zwecke würdig waren. Nicht zufrieden, in der Entfer¬ Von d^n militärischen Dingen gehe ich zu den Interessen der welche besserer Zwecke würdig waren. Nicht zufrieden, in der Entfer¬ Von d^n militärischen Dingen gehe ich zu den Interessen der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271349"/> <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205"> welche besserer Zwecke würdig waren. Nicht zufrieden, in der Entfer¬<lb/> nung mit dem Auge den Bewegungen der Streitkräfte zu folgen,<lb/> wissen sich die Massen der Zuschauer bei solchen Gelegenheiten selbst<lb/> zwischen die Bataillons zu schieben, wo sie dann bei den von ihnen<lb/> nicht geahnten schnellen Evolutionen der Truppen nicht selten in pein¬<lb/> liche Lage, ja wohl auch in Lebensgefahr gerathen. So befand sich<lb/> plötzlich beim Schwenken der Husaren unlängst ein Knabe vor der<lb/> Fronte, dessen Kraft nicht ausreichte, um den ansprengenden Reitern<lb/> noch zur rechten Zeit aus der Marschrichtung zu kommen, und der<lb/> unzweifelhaft zerstampft worden sein würde, hatte nicht ein Husaren¬<lb/> korporal die Besonnenheit gehabt, der in sausendem Galopp dahinflie¬<lb/> genden Schaar um einige Schritte voranzujagen, den Knaben mit<lb/> gebückten Leibe schnell aufzuraffen und zu sich auf's Pferd zu neh¬<lb/> men, bis wieder Halt gemacht wurde. Der Erzherzog, welcher diese<lb/> Handlung echt soldatischer Geistesgegenwart bemerkte, ließ den Husa¬<lb/> ren vor sich kommen, lobte ihn und beschenkte ihn reichlich. Wie man<lb/> vernimmt, sind auch mehrere Menschen erschossen worden, was die<lb/> Polizeibehörde veranlaßte, in einer allgemein bekannt gemachten War¬<lb/> nung das Publikum zu ernähren, sich nicht so nahe an die Truppen<lb/> zu drangen; doch können wir nicht begreifen, warum in dieser Kund¬<lb/> machung der Polizeibehörde die Schuld des vorgefallenen Unglücks<lb/> lediglich der Unvorsichtigkeit der Betroffenen zur Last gelegt werden<lb/> konnte, indem doch schwerlich eine tödtliche Verletzung beim Schießen<lb/> stattfinden kann, wenn nicht von Seite des Militärs Kugeln oder<lb/> Steine geladen werden, was doch streng untersagt ist. Mag darum<lb/> das Herandrängen der gaffenden Menge mit Recht als unstatthaft und<lb/> unvorsichtig bezeichnet werden, nicht minder sollte aber der unverant¬<lb/> wortliche Muthwille gerügt sein, welcher einzelne Soldaten, zumal un¬<lb/> ter den Feldjägern, antreibt, ihre Gewehre mit Erde zu laden, um<lb/> auf Hasen und Neugierige zu schießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Von d^n militärischen Dingen gehe ich zu den Interessen der<lb/> Kunst über und da finde ich über unsere beiden Hoftheater gar wenig<lb/> zu sagen. Im Hofburgtheater sind die nächsten Novitäten ein von<lb/> Theodor Hell übersetztes französisches Stück: „Jeanne und Jeanne-<lb/> ton" und „Heinrich IV." von Otto Prechtler, von dem man indeß<lb/> nicht recht begreifen kann, wie es die hiesige Censur passiren konnte,<lb/> vorausgesetzt, daß der in diesem Kaiser repräsentirte Kampf der welt¬<lb/> lichen Gewalt mit der geistlichen Macht auch gehörig ins Licht ge¬<lb/> stellt ist, denn ohne solche Färbung kann man sich gar keinen Hein¬<lb/> rich IV. denken. Im Hofoperntheater ging die Oper« „Die vier Hai-<lb/> monskinder" in die Scene und gefiel minder, als im Theater an der<lb/> Wien, wo sie schon lange her eingebürgert ist und zu den Kassastücken<lb/> des Direktors Pokorny gehört. Es ist nun schon das zweite Mal in<lb/> der jüngsten Zeit, daß die Administration dieses mit einem Zuschuß</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
welche besserer Zwecke würdig waren. Nicht zufrieden, in der Entfer¬
nung mit dem Auge den Bewegungen der Streitkräfte zu folgen,
wissen sich die Massen der Zuschauer bei solchen Gelegenheiten selbst
zwischen die Bataillons zu schieben, wo sie dann bei den von ihnen
nicht geahnten schnellen Evolutionen der Truppen nicht selten in pein¬
liche Lage, ja wohl auch in Lebensgefahr gerathen. So befand sich
plötzlich beim Schwenken der Husaren unlängst ein Knabe vor der
Fronte, dessen Kraft nicht ausreichte, um den ansprengenden Reitern
noch zur rechten Zeit aus der Marschrichtung zu kommen, und der
unzweifelhaft zerstampft worden sein würde, hatte nicht ein Husaren¬
korporal die Besonnenheit gehabt, der in sausendem Galopp dahinflie¬
genden Schaar um einige Schritte voranzujagen, den Knaben mit
gebückten Leibe schnell aufzuraffen und zu sich auf's Pferd zu neh¬
men, bis wieder Halt gemacht wurde. Der Erzherzog, welcher diese
Handlung echt soldatischer Geistesgegenwart bemerkte, ließ den Husa¬
ren vor sich kommen, lobte ihn und beschenkte ihn reichlich. Wie man
vernimmt, sind auch mehrere Menschen erschossen worden, was die
Polizeibehörde veranlaßte, in einer allgemein bekannt gemachten War¬
nung das Publikum zu ernähren, sich nicht so nahe an die Truppen
zu drangen; doch können wir nicht begreifen, warum in dieser Kund¬
machung der Polizeibehörde die Schuld des vorgefallenen Unglücks
lediglich der Unvorsichtigkeit der Betroffenen zur Last gelegt werden
konnte, indem doch schwerlich eine tödtliche Verletzung beim Schießen
stattfinden kann, wenn nicht von Seite des Militärs Kugeln oder
Steine geladen werden, was doch streng untersagt ist. Mag darum
das Herandrängen der gaffenden Menge mit Recht als unstatthaft und
unvorsichtig bezeichnet werden, nicht minder sollte aber der unverant¬
wortliche Muthwille gerügt sein, welcher einzelne Soldaten, zumal un¬
ter den Feldjägern, antreibt, ihre Gewehre mit Erde zu laden, um
auf Hasen und Neugierige zu schießen.
Von d^n militärischen Dingen gehe ich zu den Interessen der
Kunst über und da finde ich über unsere beiden Hoftheater gar wenig
zu sagen. Im Hofburgtheater sind die nächsten Novitäten ein von
Theodor Hell übersetztes französisches Stück: „Jeanne und Jeanne-
ton" und „Heinrich IV." von Otto Prechtler, von dem man indeß
nicht recht begreifen kann, wie es die hiesige Censur passiren konnte,
vorausgesetzt, daß der in diesem Kaiser repräsentirte Kampf der welt¬
lichen Gewalt mit der geistlichen Macht auch gehörig ins Licht ge¬
stellt ist, denn ohne solche Färbung kann man sich gar keinen Hein¬
rich IV. denken. Im Hofoperntheater ging die Oper« „Die vier Hai-
monskinder" in die Scene und gefiel minder, als im Theater an der
Wien, wo sie schon lange her eingebürgert ist und zu den Kassastücken
des Direktors Pokorny gehört. Es ist nun schon das zweite Mal in
der jüngsten Zeit, daß die Administration dieses mit einem Zuschuß
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