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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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grüßt. Durch gerechte Anerkennung von Lißt's wirklichen langjährigen
Verdiensten und unermüdlichem Eifer für das Beethoven-Denkmal
und durch eine Wendung am Schlüsse, in der ich rasch den ganzen
Toast zusammenfaßte, vereitelte ich nun jene Absicht, wenn anders
eine solche vorhanden war, was ich jedoch nicht ganz in Abrede
stellen will, denn als ich geschlossen hatte, kamen gänzlich Fremde
zu mir, stießen mit mir an und sagten, ich sei ein sehr geschickter
Schiffer, der vortrefflich zu steuern und Klippen zu umfahren wisse.
- Spohr brachte dann einen Toast auf die Königin von England
aus, Lifit einen auf die Fremden. Als er bei der Aufzählung der
Nationen, welche Abgeordnete zum Feste gesandt, durch einen Ge-
dächtnißfehler neben anderen Völkern die Franzosen ausgelassen, unter¬
brach ihn sein Kollege, der Weimarische Hofkapellmeister Chelard
mitten in der Rede mit den Worten: "Auch ein Wenig Franzos!"
-- Lißt verbat sich die Calembourgs, bemerkte, der Beweis, daß er
es nicht absichtlich gethan, sei, daß er auch seine eigenen Landsleute,
die Ungarn, übergangen, und schloß dann würdig seinen auf nicht
eben zu billigende Weise gestörten Toast. -- Mittlerweile waren
einige jüngere Männer, irre ich nicht, Studirende zu mir gekommen
und hatten mich aufgefordert, in Veranlassung der neunten Sym¬
phonie Schillers dankbar zu gedenken. Ich bat sie, es selbst zu
thun, aber sie drangen in mich und ich willigte mit Freuden ein.--
Diesem Toaste ließ Dr. Christiani aus Lüneburg, der treffliche, all"
gemein so rühmlich bekannte hannoversche Landstand, unmittelbar
einen meisterhaften Toast auf Goethe folgen, und als sehr Viele nun
fragten, wer der ausgezeichnete Redner sei, glaubte ich recht zu thun,
wenn ich seine Gesundheit ausbrachte.

Die Unterbrechung von Lißt's Toaste hatte die Aufmerksamkeit
der Ausländer, namentlich der Franzosen rege gemacht, und man
hörte von allen Seiten Klagen, besonders darüber, daß Niemand,
wie eS sich gehöre, der ausländischen Literaten gedenke, von denen
so bedeutende Repräsentanten gegenwärtig waren. Viele derselben
sprachen aus, daß sie sich dadurch beleidigt und gekränkt fühlten, indem
sie es für Absichtlichkeit hielten, und daß sie überhaupt auf einen
gastfreundlicheren Empfang in Deutschland gerechnet hätten. Ich
stellte ihnen vor, Bonn sei nicht Deutschland, und nun kam eine ent-


grüßt. Durch gerechte Anerkennung von Lißt's wirklichen langjährigen
Verdiensten und unermüdlichem Eifer für das Beethoven-Denkmal
und durch eine Wendung am Schlüsse, in der ich rasch den ganzen
Toast zusammenfaßte, vereitelte ich nun jene Absicht, wenn anders
eine solche vorhanden war, was ich jedoch nicht ganz in Abrede
stellen will, denn als ich geschlossen hatte, kamen gänzlich Fremde
zu mir, stießen mit mir an und sagten, ich sei ein sehr geschickter
Schiffer, der vortrefflich zu steuern und Klippen zu umfahren wisse.
- Spohr brachte dann einen Toast auf die Königin von England
aus, Lifit einen auf die Fremden. Als er bei der Aufzählung der
Nationen, welche Abgeordnete zum Feste gesandt, durch einen Ge-
dächtnißfehler neben anderen Völkern die Franzosen ausgelassen, unter¬
brach ihn sein Kollege, der Weimarische Hofkapellmeister Chelard
mitten in der Rede mit den Worten: „Auch ein Wenig Franzos!"
— Lißt verbat sich die Calembourgs, bemerkte, der Beweis, daß er
es nicht absichtlich gethan, sei, daß er auch seine eigenen Landsleute,
die Ungarn, übergangen, und schloß dann würdig seinen auf nicht
eben zu billigende Weise gestörten Toast. — Mittlerweile waren
einige jüngere Männer, irre ich nicht, Studirende zu mir gekommen
und hatten mich aufgefordert, in Veranlassung der neunten Sym¬
phonie Schillers dankbar zu gedenken. Ich bat sie, es selbst zu
thun, aber sie drangen in mich und ich willigte mit Freuden ein.—
Diesem Toaste ließ Dr. Christiani aus Lüneburg, der treffliche, all"
gemein so rühmlich bekannte hannoversche Landstand, unmittelbar
einen meisterhaften Toast auf Goethe folgen, und als sehr Viele nun
fragten, wer der ausgezeichnete Redner sei, glaubte ich recht zu thun,
wenn ich seine Gesundheit ausbrachte.

Die Unterbrechung von Lißt's Toaste hatte die Aufmerksamkeit
der Ausländer, namentlich der Franzosen rege gemacht, und man
hörte von allen Seiten Klagen, besonders darüber, daß Niemand,
wie eS sich gehöre, der ausländischen Literaten gedenke, von denen
so bedeutende Repräsentanten gegenwärtig waren. Viele derselben
sprachen aus, daß sie sich dadurch beleidigt und gekränkt fühlten, indem
sie es für Absichtlichkeit hielten, und daß sie überhaupt auf einen
gastfreundlicheren Empfang in Deutschland gerechnet hätten. Ich
stellte ihnen vor, Bonn sei nicht Deutschland, und nun kam eine ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/80>, abgerufen am 05.02.2025.