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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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dens halten und doch dieselbe weit über Lebensgröße ausführen und
den Forderungen der allgemeinen Schönheit genügen mußte. Beetho¬
ven trägt seinen täglichen Anzug (Ueberrock und lange Beinkleider),
über den er einen Mantel geworfen hat: in der Rechten hältereinen
Griffel, in der Linke" eine Schreibtafel; man sieht seinen Antlitz an,
daß ein großer Gedanke sich in seiner Seele gestaltet, den er eben
im Begriffe ist, auszuzeichnen; seine Stellung ist die des Vorschrei-
tens. Der Kopf ist außerordentlich schon und wahr; eben so geist¬
reich die Drappirung, namentlich auf der linken Seite; ungefällig er¬
scheinen dagegen die Beine, von denen nur der untere Theil sichtbar
ist; dafür kann aber Hähnel nicht, warum tragen wir jetzt so un-
malerische JnerprcssiblcS, die sich so migraziöö anlegen und in Erz
wie verkleistert aussehen. Dringt man einmal auf modernste Tracht,
so muß man sich das gefallen lassen. Gerade um dieser Schwierig¬
keit Willen erscheinen mir die einzelnen Motive bei dieser Statue
meisterhaft. Ueberaus sinnig und idealisch schön sind ferner die vier
Basreliefs: die Phantasie, die Symphonie, die geistliche und die
dramatische Musik darstellend. --

Daß die Fürstlichkeiten so placirt waren, um von der Statue
nur den Rücken zu sehen, wurde gleich aufgefaßt, und gab zu vielen
Bemerkungen Anlaß; ein Wiener meinte: Beethoven bleibt sich gleich
im Leben wie im Tode, er dreht den Königen den Rücken und wen¬
det sich zum Volk. -- Es war eine Ungeschicklichkeit, die leicht hätte
vermieden werden können, da es hier nicht an Raum fehlte, um eine
besondere Tribune für die hohen Besuchenden einzurichten.

Ein vom Comitv-Präsidenten komponirter sehr schöner Hymnus
des Domherrn Wilhelm Smets folgte nun, und diesem noch ein
Festgruß des Herrn Comite Mitgliedes Kreisel nach einer bekannten
Melodie, in welchem patriotisch erst Bonn seinen Sohn Beethoven,
dann die Künstler, die das Monument verfertigt, und zuletzt sich selbst
leben ließ. Ich habe keine Kenntniß von musikalischen Dingen; ein
berühmter deutscher Componist sagte aber als wir fortgingen zu mir:
Bei der nächsten komischen Oper, die ich componire, lege ich das
Thema des Herrn Breidenstein als Hauptmotiv unter.

Lißt's Cantate ist in das Künstlerconcert des morgenden Tages
hineingeschoben worden. Lißt schweigt. --

Heute häufte sich die Zahl der Beleidigten und Gekränkten bis
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dens halten und doch dieselbe weit über Lebensgröße ausführen und
den Forderungen der allgemeinen Schönheit genügen mußte. Beetho¬
ven trägt seinen täglichen Anzug (Ueberrock und lange Beinkleider),
über den er einen Mantel geworfen hat: in der Rechten hältereinen
Griffel, in der Linke» eine Schreibtafel; man sieht seinen Antlitz an,
daß ein großer Gedanke sich in seiner Seele gestaltet, den er eben
im Begriffe ist, auszuzeichnen; seine Stellung ist die des Vorschrei-
tens. Der Kopf ist außerordentlich schon und wahr; eben so geist¬
reich die Drappirung, namentlich auf der linken Seite; ungefällig er¬
scheinen dagegen die Beine, von denen nur der untere Theil sichtbar
ist; dafür kann aber Hähnel nicht, warum tragen wir jetzt so un-
malerische JnerprcssiblcS, die sich so migraziöö anlegen und in Erz
wie verkleistert aussehen. Dringt man einmal auf modernste Tracht,
so muß man sich das gefallen lassen. Gerade um dieser Schwierig¬
keit Willen erscheinen mir die einzelnen Motive bei dieser Statue
meisterhaft. Ueberaus sinnig und idealisch schön sind ferner die vier
Basreliefs: die Phantasie, die Symphonie, die geistliche und die
dramatische Musik darstellend. —

Daß die Fürstlichkeiten so placirt waren, um von der Statue
nur den Rücken zu sehen, wurde gleich aufgefaßt, und gab zu vielen
Bemerkungen Anlaß; ein Wiener meinte: Beethoven bleibt sich gleich
im Leben wie im Tode, er dreht den Königen den Rücken und wen¬
det sich zum Volk. — Es war eine Ungeschicklichkeit, die leicht hätte
vermieden werden können, da es hier nicht an Raum fehlte, um eine
besondere Tribune für die hohen Besuchenden einzurichten.

Ein vom Comitv-Präsidenten komponirter sehr schöner Hymnus
des Domherrn Wilhelm Smets folgte nun, und diesem noch ein
Festgruß des Herrn Comite Mitgliedes Kreisel nach einer bekannten
Melodie, in welchem patriotisch erst Bonn seinen Sohn Beethoven,
dann die Künstler, die das Monument verfertigt, und zuletzt sich selbst
leben ließ. Ich habe keine Kenntniß von musikalischen Dingen; ein
berühmter deutscher Componist sagte aber als wir fortgingen zu mir:
Bei der nächsten komischen Oper, die ich componire, lege ich das
Thema des Herrn Breidenstein als Hauptmotiv unter.

Lißt's Cantate ist in das Künstlerconcert des morgenden Tages
hineingeschoben worden. Lißt schweigt. —

Heute häufte sich die Zahl der Beleidigten und Gekränkten bis
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/75>, abgerufen am 05.02.2025.