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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Studenten angezeigt, die nun mit großer Nuhe den gewandten Spitz¬
buben festhielten, von der Tribune fortbrachten und der Polizei über¬
lieferten. Der Gauner war ein Mann von ungefähr zweiunddreißig
Jahren, einfach aber elegant gekleidet, einen Flor um den Hut und
einen Schnurrbart tragend. Er protestirte französisch gegen alle Ge¬
walt, und erklärte, nicht zu begreifen, warum man ihn arretire; doch
vergebens, er wurde in Verwahrsam gebracht. Ein Polizeivffiziant,
der neben uns stand, erzählte, dieser sei nun schon der neunte Fran¬
zose, den man auf der That ergriffen. -- Gestohlen ist übrigens
furchtbar worden, und fast keiner meiner Bekannten verschont geblie¬
ben; so hat z. B. Fiorentino eine sehr schöne goldene Uhrkette einge¬
büßt, ein Verlust von tausend Francs, ein alter Husarenmajor seine
Brieftasche mit mehreren hundert Thalern, ein Holländer ebenfalls
eine Brieftasche, ja sogar der Oberbürgermeister von Bonn seine
Portefeuille, ein Freund von mir seine Börse mit einigen hundert
Friedrichsdor, der Brustnadeln, Armbänder, Taschentücher u. s. w.,
welche vermißt werden, nicht zu gedenken. -- Ich bin noch wohlfeil
weg gekommen; mir sind nur hinter einander drei seidene Taschen¬
tücher entwendet, und im Herausgehen aus dem Concerte, wo das
Gedränge auf dem Perron groß war, ein Regenschirm aus derHand
gerissen worden. Noch besser ist eS Lißt gegangen, dem ein leichter
Mantel so gut wie von den Schultern gestohlen wurde.

Endlich trafen die Fürstlichkeiten ein, stiegen im Fürstenberg'-
schen Hause ab und zeigten sich bald nachher auf dem festlichgcschmück-
ten Balcon desselben Gebäudes. -- Die Feierlichkeit der Inaugura¬
tion deS Monumentes begann nun, und nach einer kurzen Rede des
Comitv-Präsidenten Breidenstein, welche, wie es gewöhnlich bei sol¬
chen Gelegenheiten geht, nur die Nächsten verstanden, und deren
Kürze daher Alle lobten, sank die Hülle, und die Statue des großen
Meisters stand frei da, durch ein Spiel des Zufalls in diesem Augen¬
blicke gerade überaus vortheilhaft beleuchtet. Es war der großar¬
tigste Moment des ganzen Festes. -- Hähnel's Statue ist ein
Meisterwerk, Neid, Mißgunst und Besserwisserei mögen sagen, was
sie wollen. Beethoven's persönliche Erscheinung war keine für die
plastische Kunst günstige, zwischen Körper und Kopf herrschte ein
Mißverdältniß, und die Aufgabe zeigte sich um desto schwerer, als
der Bildner der Statue sich an die strengste Wirklichkeit unseres Le-


Studenten angezeigt, die nun mit großer Nuhe den gewandten Spitz¬
buben festhielten, von der Tribune fortbrachten und der Polizei über¬
lieferten. Der Gauner war ein Mann von ungefähr zweiunddreißig
Jahren, einfach aber elegant gekleidet, einen Flor um den Hut und
einen Schnurrbart tragend. Er protestirte französisch gegen alle Ge¬
walt, und erklärte, nicht zu begreifen, warum man ihn arretire; doch
vergebens, er wurde in Verwahrsam gebracht. Ein Polizeivffiziant,
der neben uns stand, erzählte, dieser sei nun schon der neunte Fran¬
zose, den man auf der That ergriffen. — Gestohlen ist übrigens
furchtbar worden, und fast keiner meiner Bekannten verschont geblie¬
ben; so hat z. B. Fiorentino eine sehr schöne goldene Uhrkette einge¬
büßt, ein Verlust von tausend Francs, ein alter Husarenmajor seine
Brieftasche mit mehreren hundert Thalern, ein Holländer ebenfalls
eine Brieftasche, ja sogar der Oberbürgermeister von Bonn seine
Portefeuille, ein Freund von mir seine Börse mit einigen hundert
Friedrichsdor, der Brustnadeln, Armbänder, Taschentücher u. s. w.,
welche vermißt werden, nicht zu gedenken. — Ich bin noch wohlfeil
weg gekommen; mir sind nur hinter einander drei seidene Taschen¬
tücher entwendet, und im Herausgehen aus dem Concerte, wo das
Gedränge auf dem Perron groß war, ein Regenschirm aus derHand
gerissen worden. Noch besser ist eS Lißt gegangen, dem ein leichter
Mantel so gut wie von den Schultern gestohlen wurde.

Endlich trafen die Fürstlichkeiten ein, stiegen im Fürstenberg'-
schen Hause ab und zeigten sich bald nachher auf dem festlichgcschmück-
ten Balcon desselben Gebäudes. — Die Feierlichkeit der Inaugura¬
tion deS Monumentes begann nun, und nach einer kurzen Rede des
Comitv-Präsidenten Breidenstein, welche, wie es gewöhnlich bei sol¬
chen Gelegenheiten geht, nur die Nächsten verstanden, und deren
Kürze daher Alle lobten, sank die Hülle, und die Statue des großen
Meisters stand frei da, durch ein Spiel des Zufalls in diesem Augen¬
blicke gerade überaus vortheilhaft beleuchtet. Es war der großar¬
tigste Moment des ganzen Festes. — Hähnel's Statue ist ein
Meisterwerk, Neid, Mißgunst und Besserwisserei mögen sagen, was
sie wollen. Beethoven's persönliche Erscheinung war keine für die
plastische Kunst günstige, zwischen Körper und Kopf herrschte ein
Mißverdältniß, und die Aufgabe zeigte sich um desto schwerer, als
der Bildner der Statue sich an die strengste Wirklichkeit unseres Le-


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[0074] Studenten angezeigt, die nun mit großer Nuhe den gewandten Spitz¬ buben festhielten, von der Tribune fortbrachten und der Polizei über¬ lieferten. Der Gauner war ein Mann von ungefähr zweiunddreißig Jahren, einfach aber elegant gekleidet, einen Flor um den Hut und einen Schnurrbart tragend. Er protestirte französisch gegen alle Ge¬ walt, und erklärte, nicht zu begreifen, warum man ihn arretire; doch vergebens, er wurde in Verwahrsam gebracht. Ein Polizeivffiziant, der neben uns stand, erzählte, dieser sei nun schon der neunte Fran¬ zose, den man auf der That ergriffen. — Gestohlen ist übrigens furchtbar worden, und fast keiner meiner Bekannten verschont geblie¬ ben; so hat z. B. Fiorentino eine sehr schöne goldene Uhrkette einge¬ büßt, ein Verlust von tausend Francs, ein alter Husarenmajor seine Brieftasche mit mehreren hundert Thalern, ein Holländer ebenfalls eine Brieftasche, ja sogar der Oberbürgermeister von Bonn seine Portefeuille, ein Freund von mir seine Börse mit einigen hundert Friedrichsdor, der Brustnadeln, Armbänder, Taschentücher u. s. w., welche vermißt werden, nicht zu gedenken. — Ich bin noch wohlfeil weg gekommen; mir sind nur hinter einander drei seidene Taschen¬ tücher entwendet, und im Herausgehen aus dem Concerte, wo das Gedränge auf dem Perron groß war, ein Regenschirm aus derHand gerissen worden. Noch besser ist eS Lißt gegangen, dem ein leichter Mantel so gut wie von den Schultern gestohlen wurde. Endlich trafen die Fürstlichkeiten ein, stiegen im Fürstenberg'- schen Hause ab und zeigten sich bald nachher auf dem festlichgcschmück- ten Balcon desselben Gebäudes. — Die Feierlichkeit der Inaugura¬ tion deS Monumentes begann nun, und nach einer kurzen Rede des Comitv-Präsidenten Breidenstein, welche, wie es gewöhnlich bei sol¬ chen Gelegenheiten geht, nur die Nächsten verstanden, und deren Kürze daher Alle lobten, sank die Hülle, und die Statue des großen Meisters stand frei da, durch ein Spiel des Zufalls in diesem Augen¬ blicke gerade überaus vortheilhaft beleuchtet. Es war der großar¬ tigste Moment des ganzen Festes. — Hähnel's Statue ist ein Meisterwerk, Neid, Mißgunst und Besserwisserei mögen sagen, was sie wollen. Beethoven's persönliche Erscheinung war keine für die plastische Kunst günstige, zwischen Körper und Kopf herrschte ein Mißverdältniß, und die Aufgabe zeigte sich um desto schwerer, als der Bildner der Statue sich an die strengste Wirklichkeit unseres Le-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/74>, abgerufen am 05.02.2025.