Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich erkundigte mich weiter, ob ihnen dieser ersprießliche Dienst
bezahlt werde oder sie sonst einigen Nutzen davon hätten, worauf sie
erwiederten, daß dies keineswegs der Fall sei; es wäre aber ein al¬
tes Recht, welches sie nicht abkommen lassen wollten.

In Münchberg erkundigte ich mich dann weiter nach diesem
Gebrauche und erfuhr, daß derselbe sich allerdings aus den Zeiten
des Faustrechts direct herschreibe, und daß die, die Messe zu Hof be¬
suchenden und diese Straße reisenden Kaufleute noch heutiges Tages
für diesen Schutz und Geleite eine Abgabe bezahlen müßten; die frag¬
lichen Gemeinden verrichten aber diesen Dienst nicht umsonst, indem
ihnen dafür bei Errichtung desselben in alter Zeit gewisse andere
Dienste und Leistungen erlassen worden wären; zu Gelde angeschla¬
gen, machten dieselben jährlich eine beträchtliche Summe aus. Die
Versuche der Regierung, diese Gemeinden zur Uebernahme der frü¬
hern Leistungen oder eines Theils derselben gegen die Aufhebung des
Geleites zu vermögen, wären bis jetzt vergeblich gewesen und man
müsse es noch nicht für rathscun befunden haben, dasselbe ohne alle
Entschädigung von Seite der Belasteten aufzuheben.

Da nun aber das Wesen eines Staats nicht darin bestehen
kann, die Kräfte der Staatsangehörigen in Leistung nutz- und zweck¬
loser Dienste abzumühen, so muß man sich billig wundern, daß diese
veraltete Sicherheitsmaßregel, welche fast lächerlich geworden, nicht
bereits längst ohne Weiteres ausgehoben worden ist.

Dabei wurde ich an eine ähnliche Sache erinnert. Im west¬
lichen Theile des Herzogthums Altenburg sind nämlich, wie mir bei
meiner Durchreise glaubhaft erzählt wurde, die Besitzer gewisser Gü¬
ter verpflichtet, an einem bestimmten Tage des Jahres, wenn ich
nicht irre, am dritten Pfingstfeiertage, sich in Kloster LauSnitz, einem
in waldiger Gegend gelegenen Orte, einzufinden. Jeder muß mit
einem großen Spieße, Bärenspieß genannt, versehen sein, zum Zei¬
chen, daß er gehörig gerüstet sei, dem Landesherrn und den übrigen
Jagdberechtigten bei der nobelen Passion der Bärenjagd nach Kräften
beizustehen. Ein solcher Spieß muß aus jedem dieser Güter vor¬
handen sein; er ist Pertinenzstück desselben und wird jedesmal auf
den Gutsinhaber vererbt. Da es nun seit Menschengedenken keine
dergleichen zottigen Bestien mehr giebt, so haben sich bei den Ver¬
sammlungen die Tage der Gefahr in Tage der Fröhlichkeit und Lu-


64 "

Ich erkundigte mich weiter, ob ihnen dieser ersprießliche Dienst
bezahlt werde oder sie sonst einigen Nutzen davon hätten, worauf sie
erwiederten, daß dies keineswegs der Fall sei; es wäre aber ein al¬
tes Recht, welches sie nicht abkommen lassen wollten.

In Münchberg erkundigte ich mich dann weiter nach diesem
Gebrauche und erfuhr, daß derselbe sich allerdings aus den Zeiten
des Faustrechts direct herschreibe, und daß die, die Messe zu Hof be¬
suchenden und diese Straße reisenden Kaufleute noch heutiges Tages
für diesen Schutz und Geleite eine Abgabe bezahlen müßten; die frag¬
lichen Gemeinden verrichten aber diesen Dienst nicht umsonst, indem
ihnen dafür bei Errichtung desselben in alter Zeit gewisse andere
Dienste und Leistungen erlassen worden wären; zu Gelde angeschla¬
gen, machten dieselben jährlich eine beträchtliche Summe aus. Die
Versuche der Regierung, diese Gemeinden zur Uebernahme der frü¬
hern Leistungen oder eines Theils derselben gegen die Aufhebung des
Geleites zu vermögen, wären bis jetzt vergeblich gewesen und man
müsse es noch nicht für rathscun befunden haben, dasselbe ohne alle
Entschädigung von Seite der Belasteten aufzuheben.

Da nun aber das Wesen eines Staats nicht darin bestehen
kann, die Kräfte der Staatsangehörigen in Leistung nutz- und zweck¬
loser Dienste abzumühen, so muß man sich billig wundern, daß diese
veraltete Sicherheitsmaßregel, welche fast lächerlich geworden, nicht
bereits längst ohne Weiteres ausgehoben worden ist.

Dabei wurde ich an eine ähnliche Sache erinnert. Im west¬
lichen Theile des Herzogthums Altenburg sind nämlich, wie mir bei
meiner Durchreise glaubhaft erzählt wurde, die Besitzer gewisser Gü¬
ter verpflichtet, an einem bestimmten Tage des Jahres, wenn ich
nicht irre, am dritten Pfingstfeiertage, sich in Kloster LauSnitz, einem
in waldiger Gegend gelegenen Orte, einzufinden. Jeder muß mit
einem großen Spieße, Bärenspieß genannt, versehen sein, zum Zei¬
chen, daß er gehörig gerüstet sei, dem Landesherrn und den übrigen
Jagdberechtigten bei der nobelen Passion der Bärenjagd nach Kräften
beizustehen. Ein solcher Spieß muß aus jedem dieser Güter vor¬
handen sein; er ist Pertinenzstück desselben und wird jedesmal auf
den Gutsinhaber vererbt. Da es nun seit Menschengedenken keine
dergleichen zottigen Bestien mehr giebt, so haben sich bei den Ver¬
sammlungen die Tage der Gefahr in Tage der Fröhlichkeit und Lu-


64 »
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0594" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271855"/>
          <p xml:id="ID_1546"> Ich erkundigte mich weiter, ob ihnen dieser ersprießliche Dienst<lb/>
bezahlt werde oder sie sonst einigen Nutzen davon hätten, worauf sie<lb/>
erwiederten, daß dies keineswegs der Fall sei; es wäre aber ein al¬<lb/>
tes Recht, welches sie nicht abkommen lassen wollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1547"> In Münchberg erkundigte ich mich dann weiter nach diesem<lb/>
Gebrauche und erfuhr, daß derselbe sich allerdings aus den Zeiten<lb/>
des Faustrechts direct herschreibe, und daß die, die Messe zu Hof be¬<lb/>
suchenden und diese Straße reisenden Kaufleute noch heutiges Tages<lb/>
für diesen Schutz und Geleite eine Abgabe bezahlen müßten; die frag¬<lb/>
lichen Gemeinden verrichten aber diesen Dienst nicht umsonst, indem<lb/>
ihnen dafür bei Errichtung desselben in alter Zeit gewisse andere<lb/>
Dienste und Leistungen erlassen worden wären; zu Gelde angeschla¬<lb/>
gen, machten dieselben jährlich eine beträchtliche Summe aus. Die<lb/>
Versuche der Regierung, diese Gemeinden zur Uebernahme der frü¬<lb/>
hern Leistungen oder eines Theils derselben gegen die Aufhebung des<lb/>
Geleites zu vermögen, wären bis jetzt vergeblich gewesen und man<lb/>
müsse es noch nicht für rathscun befunden haben, dasselbe ohne alle<lb/>
Entschädigung von Seite der Belasteten aufzuheben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1548"> Da nun aber das Wesen eines Staats nicht darin bestehen<lb/>
kann, die Kräfte der Staatsangehörigen in Leistung nutz- und zweck¬<lb/>
loser Dienste abzumühen, so muß man sich billig wundern, daß diese<lb/>
veraltete Sicherheitsmaßregel, welche fast lächerlich geworden, nicht<lb/>
bereits längst ohne Weiteres ausgehoben worden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1549" next="#ID_1550"> Dabei wurde ich an eine ähnliche Sache erinnert. Im west¬<lb/>
lichen Theile des Herzogthums Altenburg sind nämlich, wie mir bei<lb/>
meiner Durchreise glaubhaft erzählt wurde, die Besitzer gewisser Gü¬<lb/>
ter verpflichtet, an einem bestimmten Tage des Jahres, wenn ich<lb/>
nicht irre, am dritten Pfingstfeiertage, sich in Kloster LauSnitz, einem<lb/>
in waldiger Gegend gelegenen Orte, einzufinden. Jeder muß mit<lb/>
einem großen Spieße, Bärenspieß genannt, versehen sein, zum Zei¬<lb/>
chen, daß er gehörig gerüstet sei, dem Landesherrn und den übrigen<lb/>
Jagdberechtigten bei der nobelen Passion der Bärenjagd nach Kräften<lb/>
beizustehen. Ein solcher Spieß muß aus jedem dieser Güter vor¬<lb/>
handen sein; er ist Pertinenzstück desselben und wird jedesmal auf<lb/>
den Gutsinhaber vererbt. Da es nun seit Menschengedenken keine<lb/>
dergleichen zottigen Bestien mehr giebt, so haben sich bei den Ver¬<lb/>
sammlungen die Tage der Gefahr in Tage der Fröhlichkeit und Lu-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 64 »</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0594] Ich erkundigte mich weiter, ob ihnen dieser ersprießliche Dienst bezahlt werde oder sie sonst einigen Nutzen davon hätten, worauf sie erwiederten, daß dies keineswegs der Fall sei; es wäre aber ein al¬ tes Recht, welches sie nicht abkommen lassen wollten. In Münchberg erkundigte ich mich dann weiter nach diesem Gebrauche und erfuhr, daß derselbe sich allerdings aus den Zeiten des Faustrechts direct herschreibe, und daß die, die Messe zu Hof be¬ suchenden und diese Straße reisenden Kaufleute noch heutiges Tages für diesen Schutz und Geleite eine Abgabe bezahlen müßten; die frag¬ lichen Gemeinden verrichten aber diesen Dienst nicht umsonst, indem ihnen dafür bei Errichtung desselben in alter Zeit gewisse andere Dienste und Leistungen erlassen worden wären; zu Gelde angeschla¬ gen, machten dieselben jährlich eine beträchtliche Summe aus. Die Versuche der Regierung, diese Gemeinden zur Uebernahme der frü¬ hern Leistungen oder eines Theils derselben gegen die Aufhebung des Geleites zu vermögen, wären bis jetzt vergeblich gewesen und man müsse es noch nicht für rathscun befunden haben, dasselbe ohne alle Entschädigung von Seite der Belasteten aufzuheben. Da nun aber das Wesen eines Staats nicht darin bestehen kann, die Kräfte der Staatsangehörigen in Leistung nutz- und zweck¬ loser Dienste abzumühen, so muß man sich billig wundern, daß diese veraltete Sicherheitsmaßregel, welche fast lächerlich geworden, nicht bereits längst ohne Weiteres ausgehoben worden ist. Dabei wurde ich an eine ähnliche Sache erinnert. Im west¬ lichen Theile des Herzogthums Altenburg sind nämlich, wie mir bei meiner Durchreise glaubhaft erzählt wurde, die Besitzer gewisser Gü¬ ter verpflichtet, an einem bestimmten Tage des Jahres, wenn ich nicht irre, am dritten Pfingstfeiertage, sich in Kloster LauSnitz, einem in waldiger Gegend gelegenen Orte, einzufinden. Jeder muß mit einem großen Spieße, Bärenspieß genannt, versehen sein, zum Zei¬ chen, daß er gehörig gerüstet sei, dem Landesherrn und den übrigen Jagdberechtigten bei der nobelen Passion der Bärenjagd nach Kräften beizustehen. Ein solcher Spieß muß aus jedem dieser Güter vor¬ handen sein; er ist Pertinenzstück desselben und wird jedesmal auf den Gutsinhaber vererbt. Da es nun seit Menschengedenken keine dergleichen zottigen Bestien mehr giebt, so haben sich bei den Ver¬ sammlungen die Tage der Gefahr in Tage der Fröhlichkeit und Lu- 64 »

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/594
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/594>, abgerufen am 05.02.2025.