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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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zeSHabir. Bekanntlich sind die Benedictiner nicht an eine genau bestimmte
Ordenstracht gebunden, sondern wählen denjenigen Stoff, der sich
in der Gegend eines jeden ihrer Kloster am leichtesten haben läßt.
-- Auf einem anderen weit besseren und breiteren Stufenwege stie¬
gen wir hinunter zur Stadt S. Germano, welche hart am Fuße
des Berges liegt. Hier erkannte ich mit tausend Freuden den süd¬
licheren Charakter der Städte, den ich nimmer wieder zu schauen
geglaubt hatte, das bewegtere Leben der Straßen, die Plattformen
der Häuser, ihre geweißter Wände, die Linnenschirmdächer vor den
Bottegen, die Limmonadieren und unzählige andere kleine Züge, durch
Welche die neapolitanischen Ortschaften von denen Mittel-Italiens in
so unglaublich scharfem Abstände sich unterscheiden. Ich hatte mein
besonderes Vergnügen an dem Erstaunen Otto'S über die Köstlichkeit
einer mit Eis (novo, Schnee) gemischten Limonade (^rimito), die
wir im nächsten besten Eaffee forderten. Wir verweilten in S. Ger-
mano nicht länger als höchst nöthig war, und beeilten uns, das ein¬
same Wirthshaus <it!>Jo unser heutiges Nachtquartier, zu er¬
reichen. Nach einem kleinen Demelv mit dem Fuhrmann, der we¬
nigstens Probiren wollte, ob er uns"nicht um das Nachtessen, wel¬
ches er uns zu liefern schuldig war, treten könnte, setzten wir uns
in Gesellschaft einiger Neapolitaner, die anfänglich ziemlich schweig¬
sam waren, endlich aber doch mit Lebhaftigkeit auf unser Gespräch
eingingen, zu Tische und hatten Maccaroni, geschmortes Rind¬
fleisch, Sallat, Kartoffeln, Käse, trinkbaren Wein, so daß wir
zufrieden sein konnten. Eine Gesellschaft Franzosen, Damen und
Herren, fanden sich bald nachher ein, und wußten sich mit ihren
Forderungen nicht recht verständlich zu machen. Wir halfen aus,
und es gab mancherlei Gelächter. In dem Hause ist eine ächt süd¬
italienische Schmutzwirthschaft. Man möchte nichts eigentlich recht
herzhaft anrühren, indeß sind die Betten frisch überzogen. Gute Nacht!
Links neben uns lärmen, streiten und schimpfen die Neapolitaner,
rechts unter uns lachen die Franzosen; die Thüren sind nicht zu
verschließen, sondern lehnen nur an. Gott bewahre unsre Sittsam¬
keit uno der Herr der Flöhe und der Wanzen behüte uns vor seinen
Creaturen I




zeSHabir. Bekanntlich sind die Benedictiner nicht an eine genau bestimmte
Ordenstracht gebunden, sondern wählen denjenigen Stoff, der sich
in der Gegend eines jeden ihrer Kloster am leichtesten haben läßt.
— Auf einem anderen weit besseren und breiteren Stufenwege stie¬
gen wir hinunter zur Stadt S. Germano, welche hart am Fuße
des Berges liegt. Hier erkannte ich mit tausend Freuden den süd¬
licheren Charakter der Städte, den ich nimmer wieder zu schauen
geglaubt hatte, das bewegtere Leben der Straßen, die Plattformen
der Häuser, ihre geweißter Wände, die Linnenschirmdächer vor den
Bottegen, die Limmonadieren und unzählige andere kleine Züge, durch
Welche die neapolitanischen Ortschaften von denen Mittel-Italiens in
so unglaublich scharfem Abstände sich unterscheiden. Ich hatte mein
besonderes Vergnügen an dem Erstaunen Otto'S über die Köstlichkeit
einer mit Eis (novo, Schnee) gemischten Limonade (^rimito), die
wir im nächsten besten Eaffee forderten. Wir verweilten in S. Ger-
mano nicht länger als höchst nöthig war, und beeilten uns, das ein¬
same Wirthshaus <it!>Jo unser heutiges Nachtquartier, zu er¬
reichen. Nach einem kleinen Demelv mit dem Fuhrmann, der we¬
nigstens Probiren wollte, ob er uns«nicht um das Nachtessen, wel¬
ches er uns zu liefern schuldig war, treten könnte, setzten wir uns
in Gesellschaft einiger Neapolitaner, die anfänglich ziemlich schweig¬
sam waren, endlich aber doch mit Lebhaftigkeit auf unser Gespräch
eingingen, zu Tische und hatten Maccaroni, geschmortes Rind¬
fleisch, Sallat, Kartoffeln, Käse, trinkbaren Wein, so daß wir
zufrieden sein konnten. Eine Gesellschaft Franzosen, Damen und
Herren, fanden sich bald nachher ein, und wußten sich mit ihren
Forderungen nicht recht verständlich zu machen. Wir halfen aus,
und es gab mancherlei Gelächter. In dem Hause ist eine ächt süd¬
italienische Schmutzwirthschaft. Man möchte nichts eigentlich recht
herzhaft anrühren, indeß sind die Betten frisch überzogen. Gute Nacht!
Links neben uns lärmen, streiten und schimpfen die Neapolitaner,
rechts unter uns lachen die Franzosen; die Thüren sind nicht zu
verschließen, sondern lehnen nur an. Gott bewahre unsre Sittsam¬
keit uno der Herr der Flöhe und der Wanzen behüte uns vor seinen
Creaturen I




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[0592] zeSHabir. Bekanntlich sind die Benedictiner nicht an eine genau bestimmte Ordenstracht gebunden, sondern wählen denjenigen Stoff, der sich in der Gegend eines jeden ihrer Kloster am leichtesten haben läßt. — Auf einem anderen weit besseren und breiteren Stufenwege stie¬ gen wir hinunter zur Stadt S. Germano, welche hart am Fuße des Berges liegt. Hier erkannte ich mit tausend Freuden den süd¬ licheren Charakter der Städte, den ich nimmer wieder zu schauen geglaubt hatte, das bewegtere Leben der Straßen, die Plattformen der Häuser, ihre geweißter Wände, die Linnenschirmdächer vor den Bottegen, die Limmonadieren und unzählige andere kleine Züge, durch Welche die neapolitanischen Ortschaften von denen Mittel-Italiens in so unglaublich scharfem Abstände sich unterscheiden. Ich hatte mein besonderes Vergnügen an dem Erstaunen Otto'S über die Köstlichkeit einer mit Eis (novo, Schnee) gemischten Limonade (^rimito), die wir im nächsten besten Eaffee forderten. Wir verweilten in S. Ger- mano nicht länger als höchst nöthig war, und beeilten uns, das ein¬ same Wirthshaus <it!>Jo unser heutiges Nachtquartier, zu er¬ reichen. Nach einem kleinen Demelv mit dem Fuhrmann, der we¬ nigstens Probiren wollte, ob er uns«nicht um das Nachtessen, wel¬ ches er uns zu liefern schuldig war, treten könnte, setzten wir uns in Gesellschaft einiger Neapolitaner, die anfänglich ziemlich schweig¬ sam waren, endlich aber doch mit Lebhaftigkeit auf unser Gespräch eingingen, zu Tische und hatten Maccaroni, geschmortes Rind¬ fleisch, Sallat, Kartoffeln, Käse, trinkbaren Wein, so daß wir zufrieden sein konnten. Eine Gesellschaft Franzosen, Damen und Herren, fanden sich bald nachher ein, und wußten sich mit ihren Forderungen nicht recht verständlich zu machen. Wir halfen aus, und es gab mancherlei Gelächter. In dem Hause ist eine ächt süd¬ italienische Schmutzwirthschaft. Man möchte nichts eigentlich recht herzhaft anrühren, indeß sind die Betten frisch überzogen. Gute Nacht! Links neben uns lärmen, streiten und schimpfen die Neapolitaner, rechts unter uns lachen die Franzosen; die Thüren sind nicht zu verschließen, sondern lehnen nur an. Gott bewahre unsre Sittsam¬ keit uno der Herr der Flöhe und der Wanzen behüte uns vor seinen Creaturen I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/592>, abgerufen am 05.02.2025.