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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Sanction der Regierung bestehenden Tarif zu erhöhen oder zu ermä
ßigen, oder eine zweite Aolllinie zu organisiren, auf welcher der als
nothwendig erkannte Zuschlag erhoben würde, so blieb der Opposition
wohl nichts anderes übrig, als im Wege der Association durch frei¬
willige Zustimmung einen Verein zu begründen, dessen Mitglieder sich
verpflichteten, keine anderen Waaren zu kaufen, als solche, welche im
Lande selbst erzeugt werden. Auf diese Weise entstand ein Prohibitiv-
system im Innern des Landes, weil die Einführung desselben an der
Zollgrenze durch die Weigerung der Staatsgewalt unmöglich gemacht
worden. Man hatte petitionircn können, aber von Seite der Behör¬
den heißt es in solchem Falle nur allzu häufig: die Menge versteht
nicht, worum es sich handelt, und giebt leichtsinnig den Namen her
zu einer Sache, die ihr nichts kostet und welche ihr in keiner Weise
Ungelegenheiten macht. Um nun diesen Einwurf von vornherein zu
entkräften und der Staatsgewalt durch das Beispiel factischer Bei¬
trittserklärungen den nicht mehr zu widerlegenden Beweis zu bieten,
von der Einhelligkeit des Volkswillens und der Entschiedenheit einer
Meinung, die ihren Ausspruch durch freiwillige Entbehrungen zu er¬
härten versteht, hat man statt einer Petition monstro den Schutz¬
verein ins Leben gerufen, nicht als eine Befriedigung des politisch-in¬
dustriellen Nationalwunsches, sondern als eine nachdrückliche Geltend-
machung desselben; denn nicht mit Unrecht wird die Welt in einer so
zahlreichen Genossenschaft, die einen Zweck verfolgt, welcher durch die
gesetzgebende Gewalt zu erledigen wäre, eine wesentliche Lücke in der
LegislatUr entdecken, und die Regierung kann entweder diese offenkun¬
dig gewordene Lückenhaftigkeit der Gesetzgebung durch die gewaltsame
Unterdrückung des Vereins verhüllen oder durch bereitwilliges Aufneh¬
men der Frage auf verfassungsmäßigen Wege für immer ausbessern.

Die Wortführer der Regierungspartei wollten das erstere Mittel
ergriffen wissen und der Ton, in dem sie gegen die neueste Erscheinung
des ungarischen Staatslebens zu Felde zogen, ließ auf die Absicht der
Staatsgewalt schließen, die Aufregung der Jndustrieenthustasten durch
einen Machtstreich zu dämpfen. Nachdem indeß die erste Ueberraschung
vorüber war, wählte die Regierung den andern Weg und hat durch
einige wesentliche Modificationen des Zolltarifs den Wunsch an den
Tag gelegt, auf der Bahn der Reform noch weiter zu gehen. Die
Modificationen der Zollsätze betrafen mehrere für die Ausfuhr Ungarn"
sehr wichtige Artikel, hauptsächlich Nohhäute und Leder. Bei der Aus¬
dehnung der Viehzucht in Ungarn und bei den niedern Fleischpreisen,
welche zur guten Verwerthung des Schlachtviehs eine leichte Ausfuhr
der Häute und Felle als höchst wünschenswerth erscheinen lassen müs¬
sen, wird man begreifen, wie tief und heilsam diese Maßregel in das
ganze Wirthschaftssystem der Grundbesitzer eingreifen muß. Es ist
mir bekannt , daß in vielen Gegenden an der Theiß das Fleisch der


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Sanction der Regierung bestehenden Tarif zu erhöhen oder zu ermä
ßigen, oder eine zweite Aolllinie zu organisiren, auf welcher der als
nothwendig erkannte Zuschlag erhoben würde, so blieb der Opposition
wohl nichts anderes übrig, als im Wege der Association durch frei¬
willige Zustimmung einen Verein zu begründen, dessen Mitglieder sich
verpflichteten, keine anderen Waaren zu kaufen, als solche, welche im
Lande selbst erzeugt werden. Auf diese Weise entstand ein Prohibitiv-
system im Innern des Landes, weil die Einführung desselben an der
Zollgrenze durch die Weigerung der Staatsgewalt unmöglich gemacht
worden. Man hatte petitionircn können, aber von Seite der Behör¬
den heißt es in solchem Falle nur allzu häufig: die Menge versteht
nicht, worum es sich handelt, und giebt leichtsinnig den Namen her
zu einer Sache, die ihr nichts kostet und welche ihr in keiner Weise
Ungelegenheiten macht. Um nun diesen Einwurf von vornherein zu
entkräften und der Staatsgewalt durch das Beispiel factischer Bei¬
trittserklärungen den nicht mehr zu widerlegenden Beweis zu bieten,
von der Einhelligkeit des Volkswillens und der Entschiedenheit einer
Meinung, die ihren Ausspruch durch freiwillige Entbehrungen zu er¬
härten versteht, hat man statt einer Petition monstro den Schutz¬
verein ins Leben gerufen, nicht als eine Befriedigung des politisch-in¬
dustriellen Nationalwunsches, sondern als eine nachdrückliche Geltend-
machung desselben; denn nicht mit Unrecht wird die Welt in einer so
zahlreichen Genossenschaft, die einen Zweck verfolgt, welcher durch die
gesetzgebende Gewalt zu erledigen wäre, eine wesentliche Lücke in der
LegislatUr entdecken, und die Regierung kann entweder diese offenkun¬
dig gewordene Lückenhaftigkeit der Gesetzgebung durch die gewaltsame
Unterdrückung des Vereins verhüllen oder durch bereitwilliges Aufneh¬
men der Frage auf verfassungsmäßigen Wege für immer ausbessern.

Die Wortführer der Regierungspartei wollten das erstere Mittel
ergriffen wissen und der Ton, in dem sie gegen die neueste Erscheinung
des ungarischen Staatslebens zu Felde zogen, ließ auf die Absicht der
Staatsgewalt schließen, die Aufregung der Jndustrieenthustasten durch
einen Machtstreich zu dämpfen. Nachdem indeß die erste Ueberraschung
vorüber war, wählte die Regierung den andern Weg und hat durch
einige wesentliche Modificationen des Zolltarifs den Wunsch an den
Tag gelegt, auf der Bahn der Reform noch weiter zu gehen. Die
Modificationen der Zollsätze betrafen mehrere für die Ausfuhr Ungarn»
sehr wichtige Artikel, hauptsächlich Nohhäute und Leder. Bei der Aus¬
dehnung der Viehzucht in Ungarn und bei den niedern Fleischpreisen,
welche zur guten Verwerthung des Schlachtviehs eine leichte Ausfuhr
der Häute und Felle als höchst wünschenswerth erscheinen lassen müs¬
sen, wird man begreifen, wie tief und heilsam diese Maßregel in das
ganze Wirthschaftssystem der Grundbesitzer eingreifen muß. Es ist
mir bekannt , daß in vielen Gegenden an der Theiß das Fleisch der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/555>, abgerufen am 05.02.2025.