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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Geld, dieser Hauptnerv alles Lebens unserer Tage, dazu mangelte --
die Sache fand leider nirgends so rechten Anklang. Der hohe Adel
verschmähte es zwar nicht, unbeschadet seiner sonstigen Stellung und
Würde, bei den Jagdfesten, die ein Croupier in Baden-Baden auf
öffentlicher Promenade zur Indignation aller Übrigen nicht so hochge¬
bildeten Leute veranstaltete, als Piqueur zu agiren; allein eigene ade¬
lige Jagd- und Reitvereine wurden außer Schlesien nirgends ins Le¬
ben gerufen.

Nur der Adel Meklenburgs, dieser würdige Repräsentant alles
altadeligen Treibens, wurde ob solcher Idee seiner lieben Brüder
in Schlesien begeistert, und beschloß eine Nachahmung. Diesel¬
ben Eorryphäen desselbigen, die vor mehren Jahren eine Subscription
zur Unterstützung der heiligen Sache des Don Carlos in Spanien
eröffnet hatten, und von denen in letzter Landtagsversammlung Einer
die seiner und seiner Genossen würdigen Worte sprach: "Er sei stolz,
daß seine Vorfahren einst das Faustrecht ausgeübt hatten," traten
auch hier wieder an die Spitze. Man ist es in Meklenburg schon
so gewohnt, diese Herren immer voran zu sehen, wo es ein die
Wohlfahrt des ganzen Landes bezweckendes Unternehmen gilt, daß
man sich hierüber auch nicht im Geringsten wunderte. Die vollkom¬
mene, freilich bisweilen etwas ins Lächerliche ausartende Nachahmung
der Pferderennen nach englischer Weise, das Gesetz wornach auf den
fliehenden Wilddieb nach zweimaligem Anrufe geschossen werden darf,
das vollkommen ausgebildete Patrimonial-Gerichtswesen und noch
mehre derartige Einrichtungen verdankt das Land dieser Phalanx sei¬
ner altadeligen Gutsbesitzer. Freilich, als im vorigen Jahre Mitglie¬
der der Ritterschaft des bürgerlichen Standes auf dem Landtage die
Proposition stellten, daß die öffentliche Spielbank in Dobberan, der
mancher Staatsbürger schon seinen völligen Ruin verdankt, aufgeho¬
ben werden solle, daß die ganze Ritterschaft auf das Privilegium der
Zollfreiheit, wodurch sie auf Kosten des übrigen Volkes so sehr be¬
vorzugt würde, verzichten müsse, daß man den Anschluß des Landes
an den Jollverein vorbereiten wolle, da opponirte dieser alte Adel auf
das Heftigste dagegen und wußte durch allerlei Machinationen auch
glücklich dies Alles zu hintertreiben.

Es bildete sich also im vorigen Jahre durch zahlreiche Unter¬
schriften ein "Parforcc-Verein", dessen Mitglieder natürlich alle dem
ersten Adel des Landes angehörten. Der Großherzog von Meklenburg-
Schwerin wurde zum Protector dieses ruhmvollen, so sehr der Zeit
angemessenen Bundes erkieset, schlug aber leider diese hohe Würde
ganz entschieden ab. Man ließ sich hiedurch nicht in seinen Absichten
stören, sondern kaufte eine theure Meute abgerichteter Hunde in Eng¬
land, und verpflichtete sich, die Jagd auf seinen und der angehörigen
Bauern Feldern zu gestatten. Zur Freude des Landes nahmen im


Geld, dieser Hauptnerv alles Lebens unserer Tage, dazu mangelte —
die Sache fand leider nirgends so rechten Anklang. Der hohe Adel
verschmähte es zwar nicht, unbeschadet seiner sonstigen Stellung und
Würde, bei den Jagdfesten, die ein Croupier in Baden-Baden auf
öffentlicher Promenade zur Indignation aller Übrigen nicht so hochge¬
bildeten Leute veranstaltete, als Piqueur zu agiren; allein eigene ade¬
lige Jagd- und Reitvereine wurden außer Schlesien nirgends ins Le¬
ben gerufen.

Nur der Adel Meklenburgs, dieser würdige Repräsentant alles
altadeligen Treibens, wurde ob solcher Idee seiner lieben Brüder
in Schlesien begeistert, und beschloß eine Nachahmung. Diesel¬
ben Eorryphäen desselbigen, die vor mehren Jahren eine Subscription
zur Unterstützung der heiligen Sache des Don Carlos in Spanien
eröffnet hatten, und von denen in letzter Landtagsversammlung Einer
die seiner und seiner Genossen würdigen Worte sprach: „Er sei stolz,
daß seine Vorfahren einst das Faustrecht ausgeübt hatten," traten
auch hier wieder an die Spitze. Man ist es in Meklenburg schon
so gewohnt, diese Herren immer voran zu sehen, wo es ein die
Wohlfahrt des ganzen Landes bezweckendes Unternehmen gilt, daß
man sich hierüber auch nicht im Geringsten wunderte. Die vollkom¬
mene, freilich bisweilen etwas ins Lächerliche ausartende Nachahmung
der Pferderennen nach englischer Weise, das Gesetz wornach auf den
fliehenden Wilddieb nach zweimaligem Anrufe geschossen werden darf,
das vollkommen ausgebildete Patrimonial-Gerichtswesen und noch
mehre derartige Einrichtungen verdankt das Land dieser Phalanx sei¬
ner altadeligen Gutsbesitzer. Freilich, als im vorigen Jahre Mitglie¬
der der Ritterschaft des bürgerlichen Standes auf dem Landtage die
Proposition stellten, daß die öffentliche Spielbank in Dobberan, der
mancher Staatsbürger schon seinen völligen Ruin verdankt, aufgeho¬
ben werden solle, daß die ganze Ritterschaft auf das Privilegium der
Zollfreiheit, wodurch sie auf Kosten des übrigen Volkes so sehr be¬
vorzugt würde, verzichten müsse, daß man den Anschluß des Landes
an den Jollverein vorbereiten wolle, da opponirte dieser alte Adel auf
das Heftigste dagegen und wußte durch allerlei Machinationen auch
glücklich dies Alles zu hintertreiben.

Es bildete sich also im vorigen Jahre durch zahlreiche Unter¬
schriften ein „Parforcc-Verein", dessen Mitglieder natürlich alle dem
ersten Adel des Landes angehörten. Der Großherzog von Meklenburg-
Schwerin wurde zum Protector dieses ruhmvollen, so sehr der Zeit
angemessenen Bundes erkieset, schlug aber leider diese hohe Würde
ganz entschieden ab. Man ließ sich hiedurch nicht in seinen Absichten
stören, sondern kaufte eine theure Meute abgerichteter Hunde in Eng¬
land, und verpflichtete sich, die Jagd auf seinen und der angehörigen
Bauern Feldern zu gestatten. Zur Freude des Landes nahmen im


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[0519] Geld, dieser Hauptnerv alles Lebens unserer Tage, dazu mangelte — die Sache fand leider nirgends so rechten Anklang. Der hohe Adel verschmähte es zwar nicht, unbeschadet seiner sonstigen Stellung und Würde, bei den Jagdfesten, die ein Croupier in Baden-Baden auf öffentlicher Promenade zur Indignation aller Übrigen nicht so hochge¬ bildeten Leute veranstaltete, als Piqueur zu agiren; allein eigene ade¬ lige Jagd- und Reitvereine wurden außer Schlesien nirgends ins Le¬ ben gerufen. Nur der Adel Meklenburgs, dieser würdige Repräsentant alles altadeligen Treibens, wurde ob solcher Idee seiner lieben Brüder in Schlesien begeistert, und beschloß eine Nachahmung. Diesel¬ ben Eorryphäen desselbigen, die vor mehren Jahren eine Subscription zur Unterstützung der heiligen Sache des Don Carlos in Spanien eröffnet hatten, und von denen in letzter Landtagsversammlung Einer die seiner und seiner Genossen würdigen Worte sprach: „Er sei stolz, daß seine Vorfahren einst das Faustrecht ausgeübt hatten," traten auch hier wieder an die Spitze. Man ist es in Meklenburg schon so gewohnt, diese Herren immer voran zu sehen, wo es ein die Wohlfahrt des ganzen Landes bezweckendes Unternehmen gilt, daß man sich hierüber auch nicht im Geringsten wunderte. Die vollkom¬ mene, freilich bisweilen etwas ins Lächerliche ausartende Nachahmung der Pferderennen nach englischer Weise, das Gesetz wornach auf den fliehenden Wilddieb nach zweimaligem Anrufe geschossen werden darf, das vollkommen ausgebildete Patrimonial-Gerichtswesen und noch mehre derartige Einrichtungen verdankt das Land dieser Phalanx sei¬ ner altadeligen Gutsbesitzer. Freilich, als im vorigen Jahre Mitglie¬ der der Ritterschaft des bürgerlichen Standes auf dem Landtage die Proposition stellten, daß die öffentliche Spielbank in Dobberan, der mancher Staatsbürger schon seinen völligen Ruin verdankt, aufgeho¬ ben werden solle, daß die ganze Ritterschaft auf das Privilegium der Zollfreiheit, wodurch sie auf Kosten des übrigen Volkes so sehr be¬ vorzugt würde, verzichten müsse, daß man den Anschluß des Landes an den Jollverein vorbereiten wolle, da opponirte dieser alte Adel auf das Heftigste dagegen und wußte durch allerlei Machinationen auch glücklich dies Alles zu hintertreiben. Es bildete sich also im vorigen Jahre durch zahlreiche Unter¬ schriften ein „Parforcc-Verein", dessen Mitglieder natürlich alle dem ersten Adel des Landes angehörten. Der Großherzog von Meklenburg- Schwerin wurde zum Protector dieses ruhmvollen, so sehr der Zeit angemessenen Bundes erkieset, schlug aber leider diese hohe Würde ganz entschieden ab. Man ließ sich hiedurch nicht in seinen Absichten stören, sondern kaufte eine theure Meute abgerichteter Hunde in Eng¬ land, und verpflichtete sich, die Jagd auf seinen und der angehörigen Bauern Feldern zu gestatten. Zur Freude des Landes nahmen im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/519>, abgerufen am 05.02.2025.