Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auswanderte, dort Advocat wurde, mehrere der einflußreichsten Jour¬
nale redigirte, spater Italien, England und Frankreich bereiste und
endlich in amerikanschen Staatsdienst trat. Die verschiedenen Schriften,
die er wahrend dieser Zeit theils in englischer, theils in deutscher
Sprache publicirte, sind uns nicht alle gegenwartig, aber sein engli¬
sches Sittenbuch ist anerkannt eine der trefflichsten Schriften über
britisches Leben. Die geniale Persönlichkeit dieses Mannes ist eben
so ungewöhnlich wie seine erstaunlichen Kenntnisse. Ein ungeheueres,
das Heterogenste umfassendes Gedächtniß ist bei ihm mit einer Leich¬
tigkeit der Darstellung, mit einem Reichthum von Ideen und mit
einer unermüdlichen Thätigkeit gepaart, wie sie nur bei einer so feu¬
rigen und zugleich unverwüstlich gesunden Natur möglich ist. Der¬
selbe Francis Grund, der in Amerika ein beliebter Bolksredner ist,
der die Geschichte, die Gesetzgebung, den Binnen- und Seehandel, die
Hilfsquellen und die Zustände der cis- und transatlantischen Nationen
in ihren kleinsten Details kennt, ist eben so vertraut mit den neuesten
Forschungen der europäischen Geschichte, den jüngsten Entdeckungen
der Naturwissenschaft und den neuesten Productionen der Literaturen
dies- und jenseits des Oceans. Grund hat ein Handbuch der Chemie
geschrieben und Gedichte von Rückert sehr glücklich in's Englische über¬
setzt. Während er eine ununterbrochene Verbindung mit den bedeu¬
tendsten englischen und amerikanischen Zeitungen unterhalt, bringt die
Augsburger Allgemeine und die (Zottaische Vierteljahrsschrift aus sei¬
ner Feder jene Mittheilungen und Beleuchtungen amerikanischer Zu¬
stände, die seit Jahren als die besten Quellen über diese Angelegen¬
heiten gelten. Francis Grund, obwohl in glücklichen Lebensverhältnis¬
sen und ein Weltmann im edelsten Sinne des Wortes, ist durch und
durch Demokrat. Es ist ein Mann von einige" vierzig Jahren und
offenbar noch zu einer großen politischen Rolle bestimmt. Interessant
wäre es, die Biographie von Francis Grund genauer zu kennen, denn
der Uebergang von einem geborenen Oesterreicher zu einem amerikani¬
schen Politiker muß gar viele lehrreiche und merkwürdige Awischensta-
tionen gehabt haben, unter denen vielleicht nicht die unbedeutsamste
jene Periode war, wo der republikanische Bürger, als verheiratheter
Mann und in Begleitung seiner Gattin, einer liebenswürdigen Dame
aus Südcarolina, nach Europa kam, um die Universität Tübingen
zu beziehen.

Ziemlich abgesondert und außer Verkehr mit den übrigen Deut¬
schen leben hier einige deutsche kommunistische Schriftsteller, die Herren
Marx, Engels, Seiler u. s. w. Letzterer leitet ein nach französischem
Muster organisi'rtes Correspondenzbureau, welches eine gute Zahl deut¬
scher Zeitungen mit den neuesten Nachrichten und Auszügen aus
englischen, französischen und belgischen Blättern versorgt. Das Unter¬
nehmen, welches ungefähr ein Jahr alt ist, scheint bereits in seinem


auswanderte, dort Advocat wurde, mehrere der einflußreichsten Jour¬
nale redigirte, spater Italien, England und Frankreich bereiste und
endlich in amerikanschen Staatsdienst trat. Die verschiedenen Schriften,
die er wahrend dieser Zeit theils in englischer, theils in deutscher
Sprache publicirte, sind uns nicht alle gegenwartig, aber sein engli¬
sches Sittenbuch ist anerkannt eine der trefflichsten Schriften über
britisches Leben. Die geniale Persönlichkeit dieses Mannes ist eben
so ungewöhnlich wie seine erstaunlichen Kenntnisse. Ein ungeheueres,
das Heterogenste umfassendes Gedächtniß ist bei ihm mit einer Leich¬
tigkeit der Darstellung, mit einem Reichthum von Ideen und mit
einer unermüdlichen Thätigkeit gepaart, wie sie nur bei einer so feu¬
rigen und zugleich unverwüstlich gesunden Natur möglich ist. Der¬
selbe Francis Grund, der in Amerika ein beliebter Bolksredner ist,
der die Geschichte, die Gesetzgebung, den Binnen- und Seehandel, die
Hilfsquellen und die Zustände der cis- und transatlantischen Nationen
in ihren kleinsten Details kennt, ist eben so vertraut mit den neuesten
Forschungen der europäischen Geschichte, den jüngsten Entdeckungen
der Naturwissenschaft und den neuesten Productionen der Literaturen
dies- und jenseits des Oceans. Grund hat ein Handbuch der Chemie
geschrieben und Gedichte von Rückert sehr glücklich in's Englische über¬
setzt. Während er eine ununterbrochene Verbindung mit den bedeu¬
tendsten englischen und amerikanischen Zeitungen unterhalt, bringt die
Augsburger Allgemeine und die (Zottaische Vierteljahrsschrift aus sei¬
ner Feder jene Mittheilungen und Beleuchtungen amerikanischer Zu¬
stände, die seit Jahren als die besten Quellen über diese Angelegen¬
heiten gelten. Francis Grund, obwohl in glücklichen Lebensverhältnis¬
sen und ein Weltmann im edelsten Sinne des Wortes, ist durch und
durch Demokrat. Es ist ein Mann von einige» vierzig Jahren und
offenbar noch zu einer großen politischen Rolle bestimmt. Interessant
wäre es, die Biographie von Francis Grund genauer zu kennen, denn
der Uebergang von einem geborenen Oesterreicher zu einem amerikani¬
schen Politiker muß gar viele lehrreiche und merkwürdige Awischensta-
tionen gehabt haben, unter denen vielleicht nicht die unbedeutsamste
jene Periode war, wo der republikanische Bürger, als verheiratheter
Mann und in Begleitung seiner Gattin, einer liebenswürdigen Dame
aus Südcarolina, nach Europa kam, um die Universität Tübingen
zu beziehen.

Ziemlich abgesondert und außer Verkehr mit den übrigen Deut¬
schen leben hier einige deutsche kommunistische Schriftsteller, die Herren
Marx, Engels, Seiler u. s. w. Letzterer leitet ein nach französischem
Muster organisi'rtes Correspondenzbureau, welches eine gute Zahl deut¬
scher Zeitungen mit den neuesten Nachrichten und Auszügen aus
englischen, französischen und belgischen Blättern versorgt. Das Unter¬
nehmen, welches ungefähr ein Jahr alt ist, scheint bereits in seinem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271771"/>
            <p xml:id="ID_1376" prev="#ID_1375"> auswanderte, dort Advocat wurde, mehrere der einflußreichsten Jour¬<lb/>
nale redigirte, spater Italien, England und Frankreich bereiste und<lb/>
endlich in amerikanschen Staatsdienst trat. Die verschiedenen Schriften,<lb/>
die er wahrend dieser Zeit theils in englischer, theils in deutscher<lb/>
Sprache publicirte, sind uns nicht alle gegenwartig, aber sein engli¬<lb/>
sches Sittenbuch ist anerkannt eine der trefflichsten Schriften über<lb/>
britisches Leben. Die geniale Persönlichkeit dieses Mannes ist eben<lb/>
so ungewöhnlich wie seine erstaunlichen Kenntnisse. Ein ungeheueres,<lb/>
das Heterogenste umfassendes Gedächtniß ist bei ihm mit einer Leich¬<lb/>
tigkeit der Darstellung, mit einem Reichthum von Ideen und mit<lb/>
einer unermüdlichen Thätigkeit gepaart, wie sie nur bei einer so feu¬<lb/>
rigen und zugleich unverwüstlich gesunden Natur möglich ist. Der¬<lb/>
selbe Francis Grund, der in Amerika ein beliebter Bolksredner ist,<lb/>
der die Geschichte, die Gesetzgebung, den Binnen- und Seehandel, die<lb/>
Hilfsquellen und die Zustände der cis- und transatlantischen Nationen<lb/>
in ihren kleinsten Details kennt, ist eben so vertraut mit den neuesten<lb/>
Forschungen der europäischen Geschichte, den jüngsten Entdeckungen<lb/>
der Naturwissenschaft und den neuesten Productionen der Literaturen<lb/>
dies- und jenseits des Oceans. Grund hat ein Handbuch der Chemie<lb/>
geschrieben und Gedichte von Rückert sehr glücklich in's Englische über¬<lb/>
setzt. Während er eine ununterbrochene Verbindung mit den bedeu¬<lb/>
tendsten englischen und amerikanischen Zeitungen unterhalt, bringt die<lb/>
Augsburger Allgemeine und die (Zottaische Vierteljahrsschrift aus sei¬<lb/>
ner Feder jene Mittheilungen und Beleuchtungen amerikanischer Zu¬<lb/>
stände, die seit Jahren als die besten Quellen über diese Angelegen¬<lb/>
heiten gelten. Francis Grund, obwohl in glücklichen Lebensverhältnis¬<lb/>
sen und ein Weltmann im edelsten Sinne des Wortes, ist durch und<lb/>
durch Demokrat. Es ist ein Mann von einige» vierzig Jahren und<lb/>
offenbar noch zu einer großen politischen Rolle bestimmt. Interessant<lb/>
wäre es, die Biographie von Francis Grund genauer zu kennen, denn<lb/>
der Uebergang von einem geborenen Oesterreicher zu einem amerikani¬<lb/>
schen Politiker muß gar viele lehrreiche und merkwürdige Awischensta-<lb/>
tionen gehabt haben, unter denen vielleicht nicht die unbedeutsamste<lb/>
jene Periode war, wo der republikanische Bürger, als verheiratheter<lb/>
Mann und in Begleitung seiner Gattin, einer liebenswürdigen Dame<lb/>
aus Südcarolina, nach Europa kam, um die Universität Tübingen<lb/>
zu beziehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1377" next="#ID_1378"> Ziemlich abgesondert und außer Verkehr mit den übrigen Deut¬<lb/>
schen leben hier einige deutsche kommunistische Schriftsteller, die Herren<lb/>
Marx, Engels, Seiler u. s. w. Letzterer leitet ein nach französischem<lb/>
Muster organisi'rtes Correspondenzbureau, welches eine gute Zahl deut¬<lb/>
scher Zeitungen mit den neuesten Nachrichten und Auszügen aus<lb/>
englischen, französischen und belgischen Blättern versorgt. Das Unter¬<lb/>
nehmen, welches ungefähr ein Jahr alt ist, scheint bereits in seinem</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510] auswanderte, dort Advocat wurde, mehrere der einflußreichsten Jour¬ nale redigirte, spater Italien, England und Frankreich bereiste und endlich in amerikanschen Staatsdienst trat. Die verschiedenen Schriften, die er wahrend dieser Zeit theils in englischer, theils in deutscher Sprache publicirte, sind uns nicht alle gegenwartig, aber sein engli¬ sches Sittenbuch ist anerkannt eine der trefflichsten Schriften über britisches Leben. Die geniale Persönlichkeit dieses Mannes ist eben so ungewöhnlich wie seine erstaunlichen Kenntnisse. Ein ungeheueres, das Heterogenste umfassendes Gedächtniß ist bei ihm mit einer Leich¬ tigkeit der Darstellung, mit einem Reichthum von Ideen und mit einer unermüdlichen Thätigkeit gepaart, wie sie nur bei einer so feu¬ rigen und zugleich unverwüstlich gesunden Natur möglich ist. Der¬ selbe Francis Grund, der in Amerika ein beliebter Bolksredner ist, der die Geschichte, die Gesetzgebung, den Binnen- und Seehandel, die Hilfsquellen und die Zustände der cis- und transatlantischen Nationen in ihren kleinsten Details kennt, ist eben so vertraut mit den neuesten Forschungen der europäischen Geschichte, den jüngsten Entdeckungen der Naturwissenschaft und den neuesten Productionen der Literaturen dies- und jenseits des Oceans. Grund hat ein Handbuch der Chemie geschrieben und Gedichte von Rückert sehr glücklich in's Englische über¬ setzt. Während er eine ununterbrochene Verbindung mit den bedeu¬ tendsten englischen und amerikanischen Zeitungen unterhalt, bringt die Augsburger Allgemeine und die (Zottaische Vierteljahrsschrift aus sei¬ ner Feder jene Mittheilungen und Beleuchtungen amerikanischer Zu¬ stände, die seit Jahren als die besten Quellen über diese Angelegen¬ heiten gelten. Francis Grund, obwohl in glücklichen Lebensverhältnis¬ sen und ein Weltmann im edelsten Sinne des Wortes, ist durch und durch Demokrat. Es ist ein Mann von einige» vierzig Jahren und offenbar noch zu einer großen politischen Rolle bestimmt. Interessant wäre es, die Biographie von Francis Grund genauer zu kennen, denn der Uebergang von einem geborenen Oesterreicher zu einem amerikani¬ schen Politiker muß gar viele lehrreiche und merkwürdige Awischensta- tionen gehabt haben, unter denen vielleicht nicht die unbedeutsamste jene Periode war, wo der republikanische Bürger, als verheiratheter Mann und in Begleitung seiner Gattin, einer liebenswürdigen Dame aus Südcarolina, nach Europa kam, um die Universität Tübingen zu beziehen. Ziemlich abgesondert und außer Verkehr mit den übrigen Deut¬ schen leben hier einige deutsche kommunistische Schriftsteller, die Herren Marx, Engels, Seiler u. s. w. Letzterer leitet ein nach französischem Muster organisi'rtes Correspondenzbureau, welches eine gute Zahl deut¬ scher Zeitungen mit den neuesten Nachrichten und Auszügen aus englischen, französischen und belgischen Blättern versorgt. Das Unter¬ nehmen, welches ungefähr ein Jahr alt ist, scheint bereits in seinem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/510
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/510>, abgerufen am 05.02.2025.