Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Gestürzte, der ein Poet war, noch Zeit und Fassung gehabt habe, Einige Tage darauf kam Neschid, auf der Heimreise, nach Adria- Neschid-Pascha begann nun eifrig den Samen der Civilisation, *) Achmet, seines Zeichens ein Schuster, wurde später Schiffsknccht, wo er sich vermuthlich so viel nautische Kenntnisse erwarb, daß ihn Mahmud zum Admiral erhob. Als solcher hatte er in der That den Heldenmuth, die kaiser¬ liche Flotte, nach der Schlacht bei Nezib, an Mehemed-Ali zu übergeben. 57"
Gestürzte, der ein Poet war, noch Zeit und Fassung gehabt habe, Einige Tage darauf kam Neschid, auf der Heimreise, nach Adria- Neschid-Pascha begann nun eifrig den Samen der Civilisation, *) Achmet, seines Zeichens ein Schuster, wurde später Schiffsknccht, wo er sich vermuthlich so viel nautische Kenntnisse erwarb, daß ihn Mahmud zum Admiral erhob. Als solcher hatte er in der That den Heldenmuth, die kaiser¬ liche Flotte, nach der Schlacht bei Nezib, an Mehemed-Ali zu übergeben. 57»
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Gestürzte, der ein Poet war, noch Zeit und Fassung gehabt habe,
seinen Abschied vom Leben in harmonische Verse zu bringen und
schriftlich zu hinterlassen.
Einige Tage darauf kam Neschid, auf der Heimreise, nach Adria-
nopel, und fand das Grab seines Gönners, den er auf dein Gipfel
der Macht geglaubt hatte. Dieser tragische Vorfall wurde ein Wen¬
depunkt in Reschid's Leben und scheint von entscheidenden Einflüsse
auf seine politische Richtung gewesen zu sein. Ungewiß über seine
eigene Zukunft, kam er nach Stambul. Der Sultan wußte Nichts
von den Folgen seines unseligen Rausches und betrauerte aufrichtig
den Tod des edlen Pertew, der, wie man ihm gesagt hatte, an ei¬
nem Schlagflusse dahingegangen war. Reschid aber sagte ihm die
Wahrheit und recitirte ihm sogar die letzten rhythmischen Worte des
Hingerichteten Ministers. Darauf soll Mahmud, der längst den gu¬
ten Vorsatz gefaßt hatte, sich nicht mehr mit dem Blute seiner Die¬
ner zu beflecken, in Thränen zerflossen sein, und dieser späten Reue
hatte es Reschid zu verdanken, daß plötzlich die Gewalt in seine
Hände überging. Aber nicht so rachsüchtig wie seine Gegner, be¬
gnügte er sich damit, Haut-Pascha, der sich vom Sclaven zum
Schwiegersohne des Sultans aufgeschwungen hatte, und Akis, also
die beiden Haupturheber von Pertew's Ermordung, zu verbannen.
Neschid-Pascha begann nun eifrig den Samen der Civilisation,
den er im Westen gesammelt hatte, auszusäen. Er schuf zuerst die
zwei Staatsdivans, welche die Arbeit der Negierung regeln sollen,
und den Divan für die Wohlfahrt des Gemeinwesens, der die ad¬
ministrativen Vorschläge auszuarbeiten hat. In diesen ehrenwerthen
Bestrebungen fand er aber nur eine schwache Stütze an den euro¬
päischen Legationen gegen die Einflüsterungen Rußlands und den
fanatischen Argwohn des Volkes. Seine Feinde Chosrew, Achmet
und Haut, eifersüchtig auf ein Verdienst, das nicht' gleich dem ihren,
aus Blutvergießen und Schande entsprossen war, untergruben ihm
den Boden unter den Füßen, und um einem eclatanten Sturz zu¬
vorzukommen, verbannte er sich freiwillig und ging wieder als an-
*) Achmet, seines Zeichens ein Schuster, wurde später Schiffsknccht, wo
er sich vermuthlich so viel nautische Kenntnisse erwarb, daß ihn Mahmud zum
Admiral erhob. Als solcher hatte er in der That den Heldenmuth, die kaiser¬
liche Flotte, nach der Schlacht bei Nezib, an Mehemed-Ali zu übergeben.
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