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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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andere nur kraft ihres Blutes erhielten. Wie sticht dagegen der
bornirte Dünkel des Wiener lüxti lito ab; hier werden selbst dem
genialsten Staatsmann seine bürgerlichen Eltern nicht vergessen, und
hätte der Kaiser noch so hoch ihn erhoben, und hätte der Staat ihm
die Verwaltung seines ganzen Vermögens anvertraut; die "Creme"
wird aus Höflichkeit, eins Rücksicht für den Hof und vielleicht aus
unwillkührlicher Achtung ihm entgegenlächeln, aber verschwägern wird
sie sich nicht mit ihm. --

In England ist die Stammtafel der Frau von keinem Belange;
die Adelsgeschlechter GroßbritanienS zählen nach Männern! Der
Mann ist es, der seinem Stamme den Adel erworben, und billig ist
es auch der Mann allein, der ihn fortpflanzt. In Oesterreich aber
muß die Henne eben so viel Federn haben wie der Hahn. Ist denn
die Mannheit deö österreichischen Adels weniger intensiv, weniger
stark in Ehre, daß das Blut der Frau erst dazu steuern muß, um
diese Ehre ungeschmälert den Kindern vererben zu können? Welche
Begriffsconfusion l Männern aus den Geschlechtern der Liechtenstein,
Sternberg, Schwarzenberg, Auersperg, Kollowrat, Colloredo u. s. w.,
Geschlechter, die viele wackere Helden und ruhmvolle Namen dem
Vaterlande geliefert, sollen der Hälfte ihrer Ehre sich begeben, sollen
nicht die unbescholtene Jungfrau, die sie zur Gattin wählen, durch
diese Wahl den besten Frauen des Landes gleichstellen können! Der
einfachste Bürger sucht seinen Stolz darin, die Würde seines Hau¬
ses sich selbst zu danken, und Männer deren Vorfahren dem Staate
oder -- um mich legitim auszudrücken -- dem Monarchen mit Ehre
gedient, Männer die vielleicht selbst schon Gelegenheit hatten, man¬
nigfache Verdienste sich zu erwerben, machen die Ehre ihres Hauses
und ihrer Kinder von dem Glänze ihrer Frau, ihres Schwiegerva¬
ters, ihrer Schwiegermutter und deren Sippschaft abhängig!--

Die österreichischen Ladies fühlen die große Macht, welche das
Vorurtheil ihnen eingeräumt, und machen sie mit aller Tyrannei
weiblicher Strenge geltend. Vielleicht durchzieht sie die leise Ahnung,
daß der Tag nicht sehr ferne mehr ist, wo an diesem Vorurteile
gerüttelt wird, wo das Vollblut im Preise fallen und selbst die
stolzesten Tories, um ihre sinkende Macht zu stützen, bürgerliche Frauen
ihrem Stamme einverleiben werden, wie doch bereits der oberschlcst-
sche Adel untereinander die Convention geschlossen hat, ehrsame Bür-


andere nur kraft ihres Blutes erhielten. Wie sticht dagegen der
bornirte Dünkel des Wiener lüxti lito ab; hier werden selbst dem
genialsten Staatsmann seine bürgerlichen Eltern nicht vergessen, und
hätte der Kaiser noch so hoch ihn erhoben, und hätte der Staat ihm
die Verwaltung seines ganzen Vermögens anvertraut; die „Creme"
wird aus Höflichkeit, eins Rücksicht für den Hof und vielleicht aus
unwillkührlicher Achtung ihm entgegenlächeln, aber verschwägern wird
sie sich nicht mit ihm. —

In England ist die Stammtafel der Frau von keinem Belange;
die Adelsgeschlechter GroßbritanienS zählen nach Männern! Der
Mann ist es, der seinem Stamme den Adel erworben, und billig ist
es auch der Mann allein, der ihn fortpflanzt. In Oesterreich aber
muß die Henne eben so viel Federn haben wie der Hahn. Ist denn
die Mannheit deö österreichischen Adels weniger intensiv, weniger
stark in Ehre, daß das Blut der Frau erst dazu steuern muß, um
diese Ehre ungeschmälert den Kindern vererben zu können? Welche
Begriffsconfusion l Männern aus den Geschlechtern der Liechtenstein,
Sternberg, Schwarzenberg, Auersperg, Kollowrat, Colloredo u. s. w.,
Geschlechter, die viele wackere Helden und ruhmvolle Namen dem
Vaterlande geliefert, sollen der Hälfte ihrer Ehre sich begeben, sollen
nicht die unbescholtene Jungfrau, die sie zur Gattin wählen, durch
diese Wahl den besten Frauen des Landes gleichstellen können! Der
einfachste Bürger sucht seinen Stolz darin, die Würde seines Hau¬
ses sich selbst zu danken, und Männer deren Vorfahren dem Staate
oder — um mich legitim auszudrücken — dem Monarchen mit Ehre
gedient, Männer die vielleicht selbst schon Gelegenheit hatten, man¬
nigfache Verdienste sich zu erwerben, machen die Ehre ihres Hauses
und ihrer Kinder von dem Glänze ihrer Frau, ihres Schwiegerva¬
ters, ihrer Schwiegermutter und deren Sippschaft abhängig!--

Die österreichischen Ladies fühlen die große Macht, welche das
Vorurtheil ihnen eingeräumt, und machen sie mit aller Tyrannei
weiblicher Strenge geltend. Vielleicht durchzieht sie die leise Ahnung,
daß der Tag nicht sehr ferne mehr ist, wo an diesem Vorurteile
gerüttelt wird, wo das Vollblut im Preise fallen und selbst die
stolzesten Tories, um ihre sinkende Macht zu stützen, bürgerliche Frauen
ihrem Stamme einverleiben werden, wie doch bereits der oberschlcst-
sche Adel untereinander die Convention geschlossen hat, ehrsame Bür-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/438>, abgerufen am 10.02.2025.