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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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niqen gestellt und Front gegen Die welche für dieselben Principien
eifern, gemacht, als sich zu diesen letztern zu halten und mit ihnen
gegen jene Abtrünnigen Front zu machen: das ist ein l-rit ii^on^.ij.
Und auch jetzt noch, trotz allen schönen Zuredens von der Seite der
durch den Protest Angegriffenen, bleiben sie in der einmal eingenom¬
menen Stellung. Ist das jetzt ein bloßer Eigensinn der Uebereilung?
eine Folge blos der Scham und Furcht, sich durch Umkehr einen
üblen Namen zu machen? Oder wie ist es sonst zu erklären?

Die plumpsten ihrer Gegner, wie wir schon gesehen, schreien:
Heuchelei! Diesen wird der^Vorwurf der Heuchelei r.labiles, und
denn doch auch nicht ohne Schein von Berechtigung zurückgegeben.
Dem Prediger Kuntze wird von Pischon gesagt: Die Gewissensnoth,
durch welche sich Kunze seinem Vorgeben nach gezwungen gefühlt
habe, gegen die Unterzeichner des Protestes von der Kanzel Sturm
zu lauten, sei ein eitler Vorwand: durch Kuntzes ganze Predigt leuch¬
tet unverkennbar die Freude, etwas gesunden zu haben, um sich an
den Andern zu reiben. Auch wird den Kirchlichen öfter gesagt, daß
ihr vorgeblicher Glaube ihnen nur ein Deckmantel für ihre Herrsch¬
sucht sei. -- Diese Plänkeleien treffen natürlich nicht das Wesen der
Sache. -- Schede hilft sich damit, daß er meint, die Unterzeichner des
Protestes täuschten sich selbst über die Stellung, welche sie einnahmen,
sie täuschten sich über die Differenz mit Denen, dir sie in ihrem Pro¬
teste angriffen und über die Gefahr, welche ihnen von daher der Kirche
zu drohen schiene, während sie doch einzig und allein von der Seite
der Lichtfreunde drohe. -- Auf diesen Standpunct gehen die Andern in¬
sofern ein, als sie eine Selbsttäuschung zwar nicht zugeben, aber ihre
Stellung doch als eine in der That seltsame, wo nicht falsche, aner¬
kennen, die sie aber einzunehmen gezwungen werden durch das an-
inaßliche, gewissermaßen Bannstrahlcn schleudernde Auftreten der evan¬
gelischen Kirchcnzeirung.

Ueber die schönste Saat, die seit längerer Zeit in der Kirche aufge¬
gangen, erzählt Herr Eltester, sei mit einem Male ein Sturm her¬
eingebrochen. Nach jener Rede Wislicens über die Frage: "Ob
Schrift, ob Geist?" seien zuerst in der Pastoralversammlung zu Ber¬
lin, sodann in der Evangelischen Kirchenzeitung Ausbrüche des heftig¬
sten Eifers, der leidenschaftlichsten Hitze kund gegeben, Alles sei dar¬
auf angelegt worden, Aufregung in der Kirche hervorzubringen. Auf
eine förmliche Ercommunicarion -- (von der übrigens Hengstenberg
sagt, sie sei in seiner Abwesenheit und gegen seinen Willen in die
Zeitung gerathen) -- seien nach einander Erklärungen gefolgt, die
theilweise jedes Maß der Billigkeit überschritten hätten, theilwei<e,
wenn er mit ihrer Haltung auch einverstanden sein konnte, doch an
dem Orte, wo sie erschienen und in der Hand Derer, die nach Par¬
teizwecken die Sache leiteten, nur verderblich hätten wirken können.


niqen gestellt und Front gegen Die welche für dieselben Principien
eifern, gemacht, als sich zu diesen letztern zu halten und mit ihnen
gegen jene Abtrünnigen Front zu machen: das ist ein l-rit ii^on^.ij.
Und auch jetzt noch, trotz allen schönen Zuredens von der Seite der
durch den Protest Angegriffenen, bleiben sie in der einmal eingenom¬
menen Stellung. Ist das jetzt ein bloßer Eigensinn der Uebereilung?
eine Folge blos der Scham und Furcht, sich durch Umkehr einen
üblen Namen zu machen? Oder wie ist es sonst zu erklären?

Die plumpsten ihrer Gegner, wie wir schon gesehen, schreien:
Heuchelei! Diesen wird der^Vorwurf der Heuchelei r.labiles, und
denn doch auch nicht ohne Schein von Berechtigung zurückgegeben.
Dem Prediger Kuntze wird von Pischon gesagt: Die Gewissensnoth,
durch welche sich Kunze seinem Vorgeben nach gezwungen gefühlt
habe, gegen die Unterzeichner des Protestes von der Kanzel Sturm
zu lauten, sei ein eitler Vorwand: durch Kuntzes ganze Predigt leuch¬
tet unverkennbar die Freude, etwas gesunden zu haben, um sich an
den Andern zu reiben. Auch wird den Kirchlichen öfter gesagt, daß
ihr vorgeblicher Glaube ihnen nur ein Deckmantel für ihre Herrsch¬
sucht sei. — Diese Plänkeleien treffen natürlich nicht das Wesen der
Sache. — Schede hilft sich damit, daß er meint, die Unterzeichner des
Protestes täuschten sich selbst über die Stellung, welche sie einnahmen,
sie täuschten sich über die Differenz mit Denen, dir sie in ihrem Pro¬
teste angriffen und über die Gefahr, welche ihnen von daher der Kirche
zu drohen schiene, während sie doch einzig und allein von der Seite
der Lichtfreunde drohe. — Auf diesen Standpunct gehen die Andern in¬
sofern ein, als sie eine Selbsttäuschung zwar nicht zugeben, aber ihre
Stellung doch als eine in der That seltsame, wo nicht falsche, aner¬
kennen, die sie aber einzunehmen gezwungen werden durch das an-
inaßliche, gewissermaßen Bannstrahlcn schleudernde Auftreten der evan¬
gelischen Kirchcnzeirung.

Ueber die schönste Saat, die seit längerer Zeit in der Kirche aufge¬
gangen, erzählt Herr Eltester, sei mit einem Male ein Sturm her¬
eingebrochen. Nach jener Rede Wislicens über die Frage: „Ob
Schrift, ob Geist?" seien zuerst in der Pastoralversammlung zu Ber¬
lin, sodann in der Evangelischen Kirchenzeitung Ausbrüche des heftig¬
sten Eifers, der leidenschaftlichsten Hitze kund gegeben, Alles sei dar¬
auf angelegt worden, Aufregung in der Kirche hervorzubringen. Auf
eine förmliche Ercommunicarion — (von der übrigens Hengstenberg
sagt, sie sei in seiner Abwesenheit und gegen seinen Willen in die
Zeitung gerathen) — seien nach einander Erklärungen gefolgt, die
theilweise jedes Maß der Billigkeit überschritten hätten, theilwei<e,
wenn er mit ihrer Haltung auch einverstanden sein konnte, doch an
dem Orte, wo sie erschienen und in der Hand Derer, die nach Par¬
teizwecken die Sache leiteten, nur verderblich hätten wirken können.


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[0423] niqen gestellt und Front gegen Die welche für dieselben Principien eifern, gemacht, als sich zu diesen letztern zu halten und mit ihnen gegen jene Abtrünnigen Front zu machen: das ist ein l-rit ii^on^.ij. Und auch jetzt noch, trotz allen schönen Zuredens von der Seite der durch den Protest Angegriffenen, bleiben sie in der einmal eingenom¬ menen Stellung. Ist das jetzt ein bloßer Eigensinn der Uebereilung? eine Folge blos der Scham und Furcht, sich durch Umkehr einen üblen Namen zu machen? Oder wie ist es sonst zu erklären? Die plumpsten ihrer Gegner, wie wir schon gesehen, schreien: Heuchelei! Diesen wird der^Vorwurf der Heuchelei r.labiles, und denn doch auch nicht ohne Schein von Berechtigung zurückgegeben. Dem Prediger Kuntze wird von Pischon gesagt: Die Gewissensnoth, durch welche sich Kunze seinem Vorgeben nach gezwungen gefühlt habe, gegen die Unterzeichner des Protestes von der Kanzel Sturm zu lauten, sei ein eitler Vorwand: durch Kuntzes ganze Predigt leuch¬ tet unverkennbar die Freude, etwas gesunden zu haben, um sich an den Andern zu reiben. Auch wird den Kirchlichen öfter gesagt, daß ihr vorgeblicher Glaube ihnen nur ein Deckmantel für ihre Herrsch¬ sucht sei. — Diese Plänkeleien treffen natürlich nicht das Wesen der Sache. — Schede hilft sich damit, daß er meint, die Unterzeichner des Protestes täuschten sich selbst über die Stellung, welche sie einnahmen, sie täuschten sich über die Differenz mit Denen, dir sie in ihrem Pro¬ teste angriffen und über die Gefahr, welche ihnen von daher der Kirche zu drohen schiene, während sie doch einzig und allein von der Seite der Lichtfreunde drohe. — Auf diesen Standpunct gehen die Andern in¬ sofern ein, als sie eine Selbsttäuschung zwar nicht zugeben, aber ihre Stellung doch als eine in der That seltsame, wo nicht falsche, aner¬ kennen, die sie aber einzunehmen gezwungen werden durch das an- inaßliche, gewissermaßen Bannstrahlcn schleudernde Auftreten der evan¬ gelischen Kirchcnzeirung. Ueber die schönste Saat, die seit längerer Zeit in der Kirche aufge¬ gangen, erzählt Herr Eltester, sei mit einem Male ein Sturm her¬ eingebrochen. Nach jener Rede Wislicens über die Frage: „Ob Schrift, ob Geist?" seien zuerst in der Pastoralversammlung zu Ber¬ lin, sodann in der Evangelischen Kirchenzeitung Ausbrüche des heftig¬ sten Eifers, der leidenschaftlichsten Hitze kund gegeben, Alles sei dar¬ auf angelegt worden, Aufregung in der Kirche hervorzubringen. Auf eine förmliche Ercommunicarion — (von der übrigens Hengstenberg sagt, sie sei in seiner Abwesenheit und gegen seinen Willen in die Zeitung gerathen) — seien nach einander Erklärungen gefolgt, die theilweise jedes Maß der Billigkeit überschritten hätten, theilwei<e, wenn er mit ihrer Haltung auch einverstanden sein konnte, doch an dem Orte, wo sie erschienen und in der Hand Derer, die nach Par¬ teizwecken die Sache leiteten, nur verderblich hätten wirken können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/423>, abgerufen am 05.02.2025.