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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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lich nicht ertheilt; die Bauer" wählten Jordan zum zweiten Male,
er schlug aber, wie er eS ihnen vorhergesagt hatte, die Wahl nun¬
mehr aus.

Er befestigte sich immer mehr in dem Entschlüsse, in stiller Zu¬
rückgezogenheit seiner Familie, seinem Lehramte und den Wissen¬
schaften zu leben. Zu seiner Erholung und Zerstreuung beschäftigte
er sich besonders mit englischer Sprache und Literatur. Auch schrieb
er, seitdem er sich so gänzlich von den öffentlichen Angelegen¬
heiten zurückgezogen hatte, nichts mehr über churhessische Angelegen¬
heiten.

So lebte nun Jordan still in Marburg, und glaubte sich in
Churhessen so sicher, daß er in der genannten Stadt im Jahre 1836
ein Haus kaufte. Und noch 1838 übersandte er dem Minister v.
Hanstein (seit September 1837 Minister des Innern) ein Promemo-
ria über die ihm bis dahin von Seiten der Staatsregierung wider¬
fahrene Behandlung, stellte in einem Briefe, welchem das Promemo-
ria angefügt war, seine financielle Lage dar, und bat um Realisi--
rung der alten Zusicherungen, jedoch mit dem Bemerken, daß er des¬
halb nie ein Gesuch einreichen würde. Der Minister antwortete
rasch und versprach, wenn das Budget von den Ständen angenom¬
men sein würde, auf Jordans Gehaltserhöhung Bedacht zu nehmen.

Da auf einmal am 18. Juni I8Z9, Morgens 7 Uhr, wird
Jordans Haus mit Gendarmen und Polizeisergeanten umstellt, und
der Landgerichtsrath Wangemann mit einem Actuar, begleitet von
einem Polizeiinspector und einem Polizeicommissär, tritt in sein Ar¬
beitszimmer ein. Der Polizeiinspector überreicht ihm im Namen der
Polizeidirection ein Ministerialrescript, welches seine Suspension vom
Amte "wegen der gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung,
die Betheiligung an revolutionären Umtrieben betreffend," bis auf
weitere Verfügung verordnete, worauf ihm Wangemann eröffnet, daß
das Churfürstliche Landgericht diese Untersuchung beschlossen und ihn
mit der Führung derselben beauftragt habe.


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lich nicht ertheilt; die Bauer» wählten Jordan zum zweiten Male,
er schlug aber, wie er eS ihnen vorhergesagt hatte, die Wahl nun¬
mehr aus.

Er befestigte sich immer mehr in dem Entschlüsse, in stiller Zu¬
rückgezogenheit seiner Familie, seinem Lehramte und den Wissen¬
schaften zu leben. Zu seiner Erholung und Zerstreuung beschäftigte
er sich besonders mit englischer Sprache und Literatur. Auch schrieb
er, seitdem er sich so gänzlich von den öffentlichen Angelegen¬
heiten zurückgezogen hatte, nichts mehr über churhessische Angelegen¬
heiten.

So lebte nun Jordan still in Marburg, und glaubte sich in
Churhessen so sicher, daß er in der genannten Stadt im Jahre 1836
ein Haus kaufte. Und noch 1838 übersandte er dem Minister v.
Hanstein (seit September 1837 Minister des Innern) ein Promemo-
ria über die ihm bis dahin von Seiten der Staatsregierung wider¬
fahrene Behandlung, stellte in einem Briefe, welchem das Promemo-
ria angefügt war, seine financielle Lage dar, und bat um Realisi--
rung der alten Zusicherungen, jedoch mit dem Bemerken, daß er des¬
halb nie ein Gesuch einreichen würde. Der Minister antwortete
rasch und versprach, wenn das Budget von den Ständen angenom¬
men sein würde, auf Jordans Gehaltserhöhung Bedacht zu nehmen.

Da auf einmal am 18. Juni I8Z9, Morgens 7 Uhr, wird
Jordans Haus mit Gendarmen und Polizeisergeanten umstellt, und
der Landgerichtsrath Wangemann mit einem Actuar, begleitet von
einem Polizeiinspector und einem Polizeicommissär, tritt in sein Ar¬
beitszimmer ein. Der Polizeiinspector überreicht ihm im Namen der
Polizeidirection ein Ministerialrescript, welches seine Suspension vom
Amte „wegen der gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung,
die Betheiligung an revolutionären Umtrieben betreffend," bis auf
weitere Verfügung verordnete, worauf ihm Wangemann eröffnet, daß
das Churfürstliche Landgericht diese Untersuchung beschlossen und ihn
mit der Führung derselben beauftragt habe.


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[0411] lich nicht ertheilt; die Bauer» wählten Jordan zum zweiten Male, er schlug aber, wie er eS ihnen vorhergesagt hatte, die Wahl nun¬ mehr aus. Er befestigte sich immer mehr in dem Entschlüsse, in stiller Zu¬ rückgezogenheit seiner Familie, seinem Lehramte und den Wissen¬ schaften zu leben. Zu seiner Erholung und Zerstreuung beschäftigte er sich besonders mit englischer Sprache und Literatur. Auch schrieb er, seitdem er sich so gänzlich von den öffentlichen Angelegen¬ heiten zurückgezogen hatte, nichts mehr über churhessische Angelegen¬ heiten. So lebte nun Jordan still in Marburg, und glaubte sich in Churhessen so sicher, daß er in der genannten Stadt im Jahre 1836 ein Haus kaufte. Und noch 1838 übersandte er dem Minister v. Hanstein (seit September 1837 Minister des Innern) ein Promemo- ria über die ihm bis dahin von Seiten der Staatsregierung wider¬ fahrene Behandlung, stellte in einem Briefe, welchem das Promemo- ria angefügt war, seine financielle Lage dar, und bat um Realisi-- rung der alten Zusicherungen, jedoch mit dem Bemerken, daß er des¬ halb nie ein Gesuch einreichen würde. Der Minister antwortete rasch und versprach, wenn das Budget von den Ständen angenom¬ men sein würde, auf Jordans Gehaltserhöhung Bedacht zu nehmen. Da auf einmal am 18. Juni I8Z9, Morgens 7 Uhr, wird Jordans Haus mit Gendarmen und Polizeisergeanten umstellt, und der Landgerichtsrath Wangemann mit einem Actuar, begleitet von einem Polizeiinspector und einem Polizeicommissär, tritt in sein Ar¬ beitszimmer ein. Der Polizeiinspector überreicht ihm im Namen der Polizeidirection ein Ministerialrescript, welches seine Suspension vom Amte „wegen der gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung, die Betheiligung an revolutionären Umtrieben betreffend," bis auf weitere Verfügung verordnete, worauf ihm Wangemann eröffnet, daß das Churfürstliche Landgericht diese Untersuchung beschlossen und ihn mit der Führung derselben beauftragt habe. 52-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/411>, abgerufen am 05.02.2025.