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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Protestationen gegen die Beschlüsse in Tausenden von Eremplaren
zur Unterschrift in Umlauf gesetzt, namentlich in Baiern, in Baden,
in beiden Hessen und in Würtemberg. Es fehlte aber auch nicht
ganz an heimlichen Umtrieben, und zum ersten Male dachten die
Leiter derselben an Vereinigung der vereinzelten Gruppen zu gemein¬
schaftlichem Wirken. Am 22. Juli 1832 wurde in der Wohnung
des Kaufmanns Hinlel zu Frankfurt a. M. eine Versammlung ge¬
halten, bei welcher sich ungefähr 40 Personen aus der Stadt selbst,
aus Baden, Rheinbmern, Sachsen, Nassau und dem Großherzog-
thum Hessen einfanden; aus Churhessen war, wie es somit scheint,
Niemand zugegen. Die Versammlung kam überein, dahin zu wir¬
ken, daß die Ständeversammlungen Protestationen und Remonstra"
livrer gegen die Bundesbeschlüsse einlegten, und das Volk darüber
zu belehren, welche Rechte es habe, wenn die Steuern von den
Landständen nicht bewilligt würden. Außerdem wurde von der Ver¬
sammlung beschlossen, den Preßverein, trotz der Bundesbeschlüsse
fortbestehen zu lassen und sogar das Centralcomitv desselben Med)
Frankfurt zu vel legen.

Kehren wir zu dem churhcssischen Landtage zurück. Während
desselben hatte Jordans Popularität nicht nur im Lande, sondern
auch außerhalb Churhessens, bedeutend zugenommen; im Lande war
man so begeistert für ihn, daß z. B. im März 1832 durch einen
Ausschuß von Marburger Bürgern eine Sammlung von Beiträgen
veranstaltet wurde, um Jordan, zur Anerkennung seiner Verdienste
um die Begründung der churhesstschen Verfassungsurkunde u. s. w.
ein Denkmal der Dankbarkeit zu setzen; von auswärts wurden
Adressen voll Lobes und Dankes an ihn gerichtet. Aber desto be¬
denklicher war, wie er selbst nur zu gut fühlte, seine Stellung nach
oben geworden. Die reaktionäre Partei machte mancherlei Demon-
steationen gegen ihn. Sie ließ ihm im Juli 1832 einen dem Poft-
zeichen uach aus Hanau abgesandten Drohbrief zugehen, welcher
mit den Worten begann: "An den niederträchtigen Demagogen Jor¬
dan," ihn dann weiter in den rohesten Ausdrücken als einen "ver¬
ruchten Jacobiner" schmähte und die Bemerkung hinzufügte, daß die
Regierungen solche Volksverführer und Demagogen, wie er, v. Rot¬
teck und Welcker seien, nicht länger auf dem Katheder dulden, son¬
dern nächstens vom Lehrstuhl entfernen und gebührend bestrafen our-


Protestationen gegen die Beschlüsse in Tausenden von Eremplaren
zur Unterschrift in Umlauf gesetzt, namentlich in Baiern, in Baden,
in beiden Hessen und in Würtemberg. Es fehlte aber auch nicht
ganz an heimlichen Umtrieben, und zum ersten Male dachten die
Leiter derselben an Vereinigung der vereinzelten Gruppen zu gemein¬
schaftlichem Wirken. Am 22. Juli 1832 wurde in der Wohnung
des Kaufmanns Hinlel zu Frankfurt a. M. eine Versammlung ge¬
halten, bei welcher sich ungefähr 40 Personen aus der Stadt selbst,
aus Baden, Rheinbmern, Sachsen, Nassau und dem Großherzog-
thum Hessen einfanden; aus Churhessen war, wie es somit scheint,
Niemand zugegen. Die Versammlung kam überein, dahin zu wir¬
ken, daß die Ständeversammlungen Protestationen und Remonstra»
livrer gegen die Bundesbeschlüsse einlegten, und das Volk darüber
zu belehren, welche Rechte es habe, wenn die Steuern von den
Landständen nicht bewilligt würden. Außerdem wurde von der Ver¬
sammlung beschlossen, den Preßverein, trotz der Bundesbeschlüsse
fortbestehen zu lassen und sogar das Centralcomitv desselben Med)
Frankfurt zu vel legen.

Kehren wir zu dem churhcssischen Landtage zurück. Während
desselben hatte Jordans Popularität nicht nur im Lande, sondern
auch außerhalb Churhessens, bedeutend zugenommen; im Lande war
man so begeistert für ihn, daß z. B. im März 1832 durch einen
Ausschuß von Marburger Bürgern eine Sammlung von Beiträgen
veranstaltet wurde, um Jordan, zur Anerkennung seiner Verdienste
um die Begründung der churhesstschen Verfassungsurkunde u. s. w.
ein Denkmal der Dankbarkeit zu setzen; von auswärts wurden
Adressen voll Lobes und Dankes an ihn gerichtet. Aber desto be¬
denklicher war, wie er selbst nur zu gut fühlte, seine Stellung nach
oben geworden. Die reaktionäre Partei machte mancherlei Demon-
steationen gegen ihn. Sie ließ ihm im Juli 1832 einen dem Poft-
zeichen uach aus Hanau abgesandten Drohbrief zugehen, welcher
mit den Worten begann: „An den niederträchtigen Demagogen Jor¬
dan," ihn dann weiter in den rohesten Ausdrücken als einen „ver¬
ruchten Jacobiner" schmähte und die Bemerkung hinzufügte, daß die
Regierungen solche Volksverführer und Demagogen, wie er, v. Rot¬
teck und Welcker seien, nicht länger auf dem Katheder dulden, son¬
dern nächstens vom Lehrstuhl entfernen und gebührend bestrafen our-


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[0405] Protestationen gegen die Beschlüsse in Tausenden von Eremplaren zur Unterschrift in Umlauf gesetzt, namentlich in Baiern, in Baden, in beiden Hessen und in Würtemberg. Es fehlte aber auch nicht ganz an heimlichen Umtrieben, und zum ersten Male dachten die Leiter derselben an Vereinigung der vereinzelten Gruppen zu gemein¬ schaftlichem Wirken. Am 22. Juli 1832 wurde in der Wohnung des Kaufmanns Hinlel zu Frankfurt a. M. eine Versammlung ge¬ halten, bei welcher sich ungefähr 40 Personen aus der Stadt selbst, aus Baden, Rheinbmern, Sachsen, Nassau und dem Großherzog- thum Hessen einfanden; aus Churhessen war, wie es somit scheint, Niemand zugegen. Die Versammlung kam überein, dahin zu wir¬ ken, daß die Ständeversammlungen Protestationen und Remonstra» livrer gegen die Bundesbeschlüsse einlegten, und das Volk darüber zu belehren, welche Rechte es habe, wenn die Steuern von den Landständen nicht bewilligt würden. Außerdem wurde von der Ver¬ sammlung beschlossen, den Preßverein, trotz der Bundesbeschlüsse fortbestehen zu lassen und sogar das Centralcomitv desselben Med) Frankfurt zu vel legen. Kehren wir zu dem churhcssischen Landtage zurück. Während desselben hatte Jordans Popularität nicht nur im Lande, sondern auch außerhalb Churhessens, bedeutend zugenommen; im Lande war man so begeistert für ihn, daß z. B. im März 1832 durch einen Ausschuß von Marburger Bürgern eine Sammlung von Beiträgen veranstaltet wurde, um Jordan, zur Anerkennung seiner Verdienste um die Begründung der churhesstschen Verfassungsurkunde u. s. w. ein Denkmal der Dankbarkeit zu setzen; von auswärts wurden Adressen voll Lobes und Dankes an ihn gerichtet. Aber desto be¬ denklicher war, wie er selbst nur zu gut fühlte, seine Stellung nach oben geworden. Die reaktionäre Partei machte mancherlei Demon- steationen gegen ihn. Sie ließ ihm im Juli 1832 einen dem Poft- zeichen uach aus Hanau abgesandten Drohbrief zugehen, welcher mit den Worten begann: „An den niederträchtigen Demagogen Jor¬ dan," ihn dann weiter in den rohesten Ausdrücken als einen „ver¬ ruchten Jacobiner" schmähte und die Bemerkung hinzufügte, daß die Regierungen solche Volksverführer und Demagogen, wie er, v. Rot¬ teck und Welcker seien, nicht länger auf dem Katheder dulden, son¬ dern nächstens vom Lehrstuhl entfernen und gebührend bestrafen our-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/405>, abgerufen am 05.02.2025.