Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den .eichen Zoll ihrer aufrichtigen Huldigung darzubringen überaus
erschwerte, war die Gegenwart der Königin von England am Rhein.
Das Comite mußte Rücksicht und nicht gelinge Rücksicht darauf neh¬
men, denn das Comito wie die Einwohner Bonn's selbst sind preu¬
ßische Unterthanen, deren natürliche Pflicht es wir, wenn der höchste
Repräsentant des ganzen Reiches, der König selbst, in ihren Marken
einen Gast empfängt, ihn darin zu unterstützen. Da nun von dem
Könige das Fest in den Kreis der seiner seltenen Besucherin vorge¬
führten Festlichkeiten gezogen wurde, so wurde es Pflicht des Conn"!
ihm darin so bereitwillig wie nur irgend möglich entgegen zu kom¬
men. Das verlangte schon das einfachste und älteste aller Rechte, das
Gastrecht, und selbst der Ultraradicalste, der alle anderen Rücksichten
verwirft, muß das gelte" lassen. Aber das Fest selbst erhielt dadurch
etwas Zweifarbiges und schillerndes und verlor seine innere Einheit;
denn das Comitv mußte Rücksicht nehmen und den Forderungen des
Gastrechtes die Forderungen des Festes an und für sich nachsetzen und
die Menge theilte nun ihre Aufmerksamkeit zwischen den Gästen und
dem Feste. Dabei litt die schöne Grundidee des Letzteren unsäglich;
sie litt so, daß sie gleich dem Rheine selbst, anfangs ein herrlicher
breiter, Großes bewegender und tragender Strom, sich zuletzt gänzlich
verlor und die durch den Gedanken so erhebende Feier, ärmlich --
ja im Verhältniß zu den vielen und großen Anstrengungen -- kläg¬
lich schloß.

Und nun, geehrter Freund, lasse ich die Blätter folgen, wie sie
in meinem Tagebuche sich finden , ursprünglich nicht für den Druck,
sondern für die Lieben daheim bestimmt, aufgezeichnet, mehr das
Innere als das Aeußere des Festes, daS Sie ja in allen Zeitungen
lesen werden, erzählend.

Eins muß ich noch vorhersenden, zu Ihrem besseren Verständniß,
wie ich nämlich dazu kam, ein besonders eingeladener Gast bei dem
Feste zu sein. Manches in dem Folgenden wird Ihnen dadurch deut¬
licher werden.

Als Lißt und ich nämlich uns im Februar 1844 nach schönen
und froh mit einander verlebten Tagen in Weimar von einander
trennten, sagte er bei dem Abschiede zu mir: "Du könntest mir wohl
den Gefallen thun und mir eine Cantate für die Enthüllung des
Beethoven-Monumentes in Bonn schreiben. Mehrere Terte die ich


den .eichen Zoll ihrer aufrichtigen Huldigung darzubringen überaus
erschwerte, war die Gegenwart der Königin von England am Rhein.
Das Comite mußte Rücksicht und nicht gelinge Rücksicht darauf neh¬
men, denn das Comito wie die Einwohner Bonn's selbst sind preu¬
ßische Unterthanen, deren natürliche Pflicht es wir, wenn der höchste
Repräsentant des ganzen Reiches, der König selbst, in ihren Marken
einen Gast empfängt, ihn darin zu unterstützen. Da nun von dem
Könige das Fest in den Kreis der seiner seltenen Besucherin vorge¬
führten Festlichkeiten gezogen wurde, so wurde es Pflicht des Conn»!
ihm darin so bereitwillig wie nur irgend möglich entgegen zu kom¬
men. Das verlangte schon das einfachste und älteste aller Rechte, das
Gastrecht, und selbst der Ultraradicalste, der alle anderen Rücksichten
verwirft, muß das gelte» lassen. Aber das Fest selbst erhielt dadurch
etwas Zweifarbiges und schillerndes und verlor seine innere Einheit;
denn das Comitv mußte Rücksicht nehmen und den Forderungen des
Gastrechtes die Forderungen des Festes an und für sich nachsetzen und
die Menge theilte nun ihre Aufmerksamkeit zwischen den Gästen und
dem Feste. Dabei litt die schöne Grundidee des Letzteren unsäglich;
sie litt so, daß sie gleich dem Rheine selbst, anfangs ein herrlicher
breiter, Großes bewegender und tragender Strom, sich zuletzt gänzlich
verlor und die durch den Gedanken so erhebende Feier, ärmlich —
ja im Verhältniß zu den vielen und großen Anstrengungen — kläg¬
lich schloß.

Und nun, geehrter Freund, lasse ich die Blätter folgen, wie sie
in meinem Tagebuche sich finden , ursprünglich nicht für den Druck,
sondern für die Lieben daheim bestimmt, aufgezeichnet, mehr das
Innere als das Aeußere des Festes, daS Sie ja in allen Zeitungen
lesen werden, erzählend.

Eins muß ich noch vorhersenden, zu Ihrem besseren Verständniß,
wie ich nämlich dazu kam, ein besonders eingeladener Gast bei dem
Feste zu sein. Manches in dem Folgenden wird Ihnen dadurch deut¬
licher werden.

Als Lißt und ich nämlich uns im Februar 1844 nach schönen
und froh mit einander verlebten Tagen in Weimar von einander
trennten, sagte er bei dem Abschiede zu mir: „Du könntest mir wohl
den Gefallen thun und mir eine Cantate für die Enthüllung des
Beethoven-Monumentes in Bonn schreiben. Mehrere Terte die ich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271300"/>
            <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94"> den .eichen Zoll ihrer aufrichtigen Huldigung darzubringen überaus<lb/>
erschwerte, war die Gegenwart der Königin von England am Rhein.<lb/>
Das Comite mußte Rücksicht und nicht gelinge Rücksicht darauf neh¬<lb/>
men, denn das Comito wie die Einwohner Bonn's selbst sind preu¬<lb/>
ßische Unterthanen, deren natürliche Pflicht es wir, wenn der höchste<lb/>
Repräsentant des ganzen Reiches, der König selbst, in ihren Marken<lb/>
einen Gast empfängt, ihn darin zu unterstützen. Da nun von dem<lb/>
Könige das Fest in den Kreis der seiner seltenen Besucherin vorge¬<lb/>
führten Festlichkeiten gezogen wurde, so wurde es Pflicht des Conn»!<lb/>
ihm darin so bereitwillig wie nur irgend möglich entgegen zu kom¬<lb/>
men. Das verlangte schon das einfachste und älteste aller Rechte, das<lb/>
Gastrecht, und selbst der Ultraradicalste, der alle anderen Rücksichten<lb/>
verwirft, muß das gelte» lassen. Aber das Fest selbst erhielt dadurch<lb/>
etwas Zweifarbiges und schillerndes und verlor seine innere Einheit;<lb/>
denn das Comitv mußte Rücksicht nehmen und den Forderungen des<lb/>
Gastrechtes die Forderungen des Festes an und für sich nachsetzen und<lb/>
die Menge theilte nun ihre Aufmerksamkeit zwischen den Gästen und<lb/>
dem Feste. Dabei litt die schöne Grundidee des Letzteren unsäglich;<lb/>
sie litt so, daß sie gleich dem Rheine selbst, anfangs ein herrlicher<lb/>
breiter, Großes bewegender und tragender Strom, sich zuletzt gänzlich<lb/>
verlor und die durch den Gedanken so erhebende Feier, ärmlich &#x2014;<lb/>
ja im Verhältniß zu den vielen und großen Anstrengungen &#x2014; kläg¬<lb/>
lich schloß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_96"> Und nun, geehrter Freund, lasse ich die Blätter folgen, wie sie<lb/>
in meinem Tagebuche sich finden , ursprünglich nicht für den Druck,<lb/>
sondern für die Lieben daheim bestimmt, aufgezeichnet, mehr das<lb/>
Innere als das Aeußere des Festes, daS Sie ja in allen Zeitungen<lb/>
lesen werden, erzählend.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_97"> Eins muß ich noch vorhersenden, zu Ihrem besseren Verständniß,<lb/>
wie ich nämlich dazu kam, ein besonders eingeladener Gast bei dem<lb/>
Feste zu sein. Manches in dem Folgenden wird Ihnen dadurch deut¬<lb/>
licher werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_98" next="#ID_99"> Als Lißt und ich nämlich uns im Februar 1844 nach schönen<lb/>
und froh mit einander verlebten Tagen in Weimar von einander<lb/>
trennten, sagte er bei dem Abschiede zu mir: &#x201E;Du könntest mir wohl<lb/>
den Gefallen thun und mir eine Cantate für die Enthüllung des<lb/>
Beethoven-Monumentes in Bonn schreiben. Mehrere Terte die ich</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] den .eichen Zoll ihrer aufrichtigen Huldigung darzubringen überaus erschwerte, war die Gegenwart der Königin von England am Rhein. Das Comite mußte Rücksicht und nicht gelinge Rücksicht darauf neh¬ men, denn das Comito wie die Einwohner Bonn's selbst sind preu¬ ßische Unterthanen, deren natürliche Pflicht es wir, wenn der höchste Repräsentant des ganzen Reiches, der König selbst, in ihren Marken einen Gast empfängt, ihn darin zu unterstützen. Da nun von dem Könige das Fest in den Kreis der seiner seltenen Besucherin vorge¬ führten Festlichkeiten gezogen wurde, so wurde es Pflicht des Conn»! ihm darin so bereitwillig wie nur irgend möglich entgegen zu kom¬ men. Das verlangte schon das einfachste und älteste aller Rechte, das Gastrecht, und selbst der Ultraradicalste, der alle anderen Rücksichten verwirft, muß das gelte» lassen. Aber das Fest selbst erhielt dadurch etwas Zweifarbiges und schillerndes und verlor seine innere Einheit; denn das Comitv mußte Rücksicht nehmen und den Forderungen des Gastrechtes die Forderungen des Festes an und für sich nachsetzen und die Menge theilte nun ihre Aufmerksamkeit zwischen den Gästen und dem Feste. Dabei litt die schöne Grundidee des Letzteren unsäglich; sie litt so, daß sie gleich dem Rheine selbst, anfangs ein herrlicher breiter, Großes bewegender und tragender Strom, sich zuletzt gänzlich verlor und die durch den Gedanken so erhebende Feier, ärmlich — ja im Verhältniß zu den vielen und großen Anstrengungen — kläg¬ lich schloß. Und nun, geehrter Freund, lasse ich die Blätter folgen, wie sie in meinem Tagebuche sich finden , ursprünglich nicht für den Druck, sondern für die Lieben daheim bestimmt, aufgezeichnet, mehr das Innere als das Aeußere des Festes, daS Sie ja in allen Zeitungen lesen werden, erzählend. Eins muß ich noch vorhersenden, zu Ihrem besseren Verständniß, wie ich nämlich dazu kam, ein besonders eingeladener Gast bei dem Feste zu sein. Manches in dem Folgenden wird Ihnen dadurch deut¬ licher werden. Als Lißt und ich nämlich uns im Februar 1844 nach schönen und froh mit einander verlebten Tagen in Weimar von einander trennten, sagte er bei dem Abschiede zu mir: „Du könntest mir wohl den Gefallen thun und mir eine Cantate für die Enthüllung des Beethoven-Monumentes in Bonn schreiben. Mehrere Terte die ich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/39
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/39>, abgerufen am 05.02.2025.