Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.an dem mehr Fleisch und Blut, als Knochen sind; mit einer jener an dem mehr Fleisch und Blut, als Knochen sind; mit einer jener <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271644"/> <p xml:id="ID_1031" prev="#ID_1030" next="#ID_1032"> an dem mehr Fleisch und Blut, als Knochen sind; mit einer jener<lb/> neckisch lächelnden Figuren in Ramberg's Kupfern zu den Taschen¬<lb/> büchern der Zwanziger Jahre, die so regelmäßig ihr Grübchen im<lb/> Kinn und in der Wange haben; oder mit einem unserer vielen flot¬<lb/> ten Musensöhne, deren Begeisterung oft nur die Wallung des jungen<lb/> Blutes ist und sehr wesentlich mit ihrem romantischen äußern Auf¬<lb/> putz zusammenhängt, denn was wird oft aus demselben Brausekopf,<lb/> wenn ihm das Leben die zierliche Kappe vom blonden Scheitel, die<lb/> stolzen Sporen vom Stiefel und den Schnurrbart von der Lippe<lb/> nimmt! Freilich, der Poet, wenn er ein rechter ist, bleibt immer<lb/> jung, und wir wollen hoffen, daß Freitags Poesie sich ihre anmu¬<lb/> thige Jugend bewahren wird. Aber um nachhaltiger zu wirken und<lb/> über die Sphäre eines geselligen Talents sich zu erheben, müßte Frei¬<lb/> tag etwas tiefer in seine Brust greifen, und wir wünschten, daß ihm<lb/> die Verse nicht gar so leicht würden, als es den Anschein hat, oder<lb/> vielmehr, daß er nicht Alles, was leicht in klingenden Reim geht,<lb/> für ein poetisches Thema hielte. Seine Phantasie ist lebhaft und<lb/> reich in der kleinen gefälligen Detailmalcrei; dieses Detail wird ihm<lb/> aber oft zur Hauptsache im Gedichte, während die Pointe schwach,<lb/> der Grundgedanke unbedeutend ist. Er weiß sehr geschickt mit dem<lb/> Zauberapparat der alten Romantik umzuspringen, aber er spielt da¬<lb/> mit zu viel. So kehren die Schilderungen der Elfenwirthschaft, —<lb/> im Grunde nur Variationen der englischen Fee-Mad-Poesie — jeden<lb/> Augenblick wieder; jene romantischen Metamorphosen, wo der Schmet¬<lb/> terling ein Roß, der Halm eine Lanze, der Blumenkelch ein Schloß,<lb/> der Leuchtwurm eine Laterne wird u. s. w. Die Gedichtsammlung,<lb/> die wir im Auge haben (In Breslau. Bei Urban Kern in Bres-<lb/> lau, 184',), zerfallt in drei Abtheilungen. In der ersten: ,,Bilder<lb/> aus dem Volke", sind einige sehr hübsche Gedichte, meist beschrei¬<lb/> bender Art. Darunter wäre „der polnische Bettler'' ein vortreff¬<lb/> liches Lied, wenn Form und Ausdehnung nicht zu breit wären. „Ein<lb/> Kindertränen" ist manchmal voll Sinnigkeit. Auch „Albrecht Dü¬<lb/> rer" und „der Glaube des Armen" zeichnen sich durch schöne An¬<lb/> schauungen aus; dagegen ist „des Burschen Ende" die kindischste<lb/> Verherrlichung eines Studentenduells mit zufallig traurigem Aus¬<lb/> gang. Ein Todschlag, dessen Motive wir nicht kennen, ist eben nur<lb/> ein Unglücksfall und weiter Nichts; dazu ist der sterbende Pudel am<lb/> Grabe des Burschen eine abgedroschene Sentimentalität. Die zweite<lb/> Abtheilung: „Ein Trinkgelage", bringt mehr lyrische Bewegung,<lb/> als die beschreibenden Volksbilder. Aber auch hier finden wir oft<lb/> neben heiterem Humor bloße Spielerei. „Die Schöpfung der Künst¬<lb/> ler" ist eben kein schmeichelhafter Scherz und beruht noch auf der<lb/> altmodischen Anschauung von dem absonderlichen Wesen der (privile-<lb/> girten Wein- und Liebes-) Poeten. Die Dichter von heute wollen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
an dem mehr Fleisch und Blut, als Knochen sind; mit einer jener
neckisch lächelnden Figuren in Ramberg's Kupfern zu den Taschen¬
büchern der Zwanziger Jahre, die so regelmäßig ihr Grübchen im
Kinn und in der Wange haben; oder mit einem unserer vielen flot¬
ten Musensöhne, deren Begeisterung oft nur die Wallung des jungen
Blutes ist und sehr wesentlich mit ihrem romantischen äußern Auf¬
putz zusammenhängt, denn was wird oft aus demselben Brausekopf,
wenn ihm das Leben die zierliche Kappe vom blonden Scheitel, die
stolzen Sporen vom Stiefel und den Schnurrbart von der Lippe
nimmt! Freilich, der Poet, wenn er ein rechter ist, bleibt immer
jung, und wir wollen hoffen, daß Freitags Poesie sich ihre anmu¬
thige Jugend bewahren wird. Aber um nachhaltiger zu wirken und
über die Sphäre eines geselligen Talents sich zu erheben, müßte Frei¬
tag etwas tiefer in seine Brust greifen, und wir wünschten, daß ihm
die Verse nicht gar so leicht würden, als es den Anschein hat, oder
vielmehr, daß er nicht Alles, was leicht in klingenden Reim geht,
für ein poetisches Thema hielte. Seine Phantasie ist lebhaft und
reich in der kleinen gefälligen Detailmalcrei; dieses Detail wird ihm
aber oft zur Hauptsache im Gedichte, während die Pointe schwach,
der Grundgedanke unbedeutend ist. Er weiß sehr geschickt mit dem
Zauberapparat der alten Romantik umzuspringen, aber er spielt da¬
mit zu viel. So kehren die Schilderungen der Elfenwirthschaft, —
im Grunde nur Variationen der englischen Fee-Mad-Poesie — jeden
Augenblick wieder; jene romantischen Metamorphosen, wo der Schmet¬
terling ein Roß, der Halm eine Lanze, der Blumenkelch ein Schloß,
der Leuchtwurm eine Laterne wird u. s. w. Die Gedichtsammlung,
die wir im Auge haben (In Breslau. Bei Urban Kern in Bres-
lau, 184',), zerfallt in drei Abtheilungen. In der ersten: ,,Bilder
aus dem Volke", sind einige sehr hübsche Gedichte, meist beschrei¬
bender Art. Darunter wäre „der polnische Bettler'' ein vortreff¬
liches Lied, wenn Form und Ausdehnung nicht zu breit wären. „Ein
Kindertränen" ist manchmal voll Sinnigkeit. Auch „Albrecht Dü¬
rer" und „der Glaube des Armen" zeichnen sich durch schöne An¬
schauungen aus; dagegen ist „des Burschen Ende" die kindischste
Verherrlichung eines Studentenduells mit zufallig traurigem Aus¬
gang. Ein Todschlag, dessen Motive wir nicht kennen, ist eben nur
ein Unglücksfall und weiter Nichts; dazu ist der sterbende Pudel am
Grabe des Burschen eine abgedroschene Sentimentalität. Die zweite
Abtheilung: „Ein Trinkgelage", bringt mehr lyrische Bewegung,
als die beschreibenden Volksbilder. Aber auch hier finden wir oft
neben heiterem Humor bloße Spielerei. „Die Schöpfung der Künst¬
ler" ist eben kein schmeichelhafter Scherz und beruht noch auf der
altmodischen Anschauung von dem absonderlichen Wesen der (privile-
girten Wein- und Liebes-) Poeten. Die Dichter von heute wollen
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