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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Sylvester Jordan*)



i.

Sylvester Jordan, der Sohn eines Schuhmachers Namens
Matthias Jordan, ist in Omes, einem kleinen Dörfchen Tyrols, zwei
Stunden von Jnspruck, als das jüngste von acht Kindern, geboren.
Er kam scheinbar todt zur Welt und mußte durch das künstliche
Mittel eines Weinbades dazu gebracht werden, die ersten Lebens¬
zeichen zu geben. So begann er ein schwächliches Dasein, und auch
im spätern Verlaufe der körperlichen Ausbildung hat sich sein Kör¬
perbau nicht zu der hohen, stämmigen Gestalt entwickelt, an welcher
man den kräftigen Volksschlag zu erkennen pflegt, welchem er durch
Geburt und Heimath angehört.

Zwar hatten seine Aeltern ein kleines Haus nebst einigen Acker¬
stücken und Wiesen zu eigen; aber bei sonstiger Mittellosigkeit ver¬
mochte weder dieser kleine Besitz noch der saure Verdienst des alten
Jordan, eines selber schwächlichen und von Jugend auf kränkelnden
Mannes, für einen leidlichen Unterhalt der zahlreichen Familie recht
auszukommen. Zur Bestellung des kleinen Grundbesitzes mußte die
Beihilfe der Kinder in vollem Maße in Anspruch genommen wer¬
den. Heumachen, Holzträger, Düngerfahren, das Einsammeln
der Feldfrüchte und alle andern, zum Theil noch beschwerlicheren
ländlichen Arbeiten, welche zur Bebauung und Vearndtung von
Acker und Wiese erforderlich sind, mußten von den Kindern ver-



*) Der unlängst erschienenen Schrift: Sylvester Jordans Leben und Lei¬
den. Von Trinks und Julius. (Leipz. C. W.B. Naumburg 1845.25 Bog.)nach¬
rält.
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Grenzlwten, I"is. IV. 4z
Sylvester Jordan*)



i.

Sylvester Jordan, der Sohn eines Schuhmachers Namens
Matthias Jordan, ist in Omes, einem kleinen Dörfchen Tyrols, zwei
Stunden von Jnspruck, als das jüngste von acht Kindern, geboren.
Er kam scheinbar todt zur Welt und mußte durch das künstliche
Mittel eines Weinbades dazu gebracht werden, die ersten Lebens¬
zeichen zu geben. So begann er ein schwächliches Dasein, und auch
im spätern Verlaufe der körperlichen Ausbildung hat sich sein Kör¬
perbau nicht zu der hohen, stämmigen Gestalt entwickelt, an welcher
man den kräftigen Volksschlag zu erkennen pflegt, welchem er durch
Geburt und Heimath angehört.

Zwar hatten seine Aeltern ein kleines Haus nebst einigen Acker¬
stücken und Wiesen zu eigen; aber bei sonstiger Mittellosigkeit ver¬
mochte weder dieser kleine Besitz noch der saure Verdienst des alten
Jordan, eines selber schwächlichen und von Jugend auf kränkelnden
Mannes, für einen leidlichen Unterhalt der zahlreichen Familie recht
auszukommen. Zur Bestellung des kleinen Grundbesitzes mußte die
Beihilfe der Kinder in vollem Maße in Anspruch genommen wer¬
den. Heumachen, Holzträger, Düngerfahren, das Einsammeln
der Feldfrüchte und alle andern, zum Theil noch beschwerlicheren
ländlichen Arbeiten, welche zur Bebauung und Vearndtung von
Acker und Wiese erforderlich sind, mußten von den Kindern ver-



*) Der unlängst erschienenen Schrift: Sylvester Jordans Leben und Lei¬
den. Von Trinks und Julius. (Leipz. C. W.B. Naumburg 1845.25 Bog.)nach¬
rält.
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[0337] Sylvester Jordan*) i. Sylvester Jordan, der Sohn eines Schuhmachers Namens Matthias Jordan, ist in Omes, einem kleinen Dörfchen Tyrols, zwei Stunden von Jnspruck, als das jüngste von acht Kindern, geboren. Er kam scheinbar todt zur Welt und mußte durch das künstliche Mittel eines Weinbades dazu gebracht werden, die ersten Lebens¬ zeichen zu geben. So begann er ein schwächliches Dasein, und auch im spätern Verlaufe der körperlichen Ausbildung hat sich sein Kör¬ perbau nicht zu der hohen, stämmigen Gestalt entwickelt, an welcher man den kräftigen Volksschlag zu erkennen pflegt, welchem er durch Geburt und Heimath angehört. Zwar hatten seine Aeltern ein kleines Haus nebst einigen Acker¬ stücken und Wiesen zu eigen; aber bei sonstiger Mittellosigkeit ver¬ mochte weder dieser kleine Besitz noch der saure Verdienst des alten Jordan, eines selber schwächlichen und von Jugend auf kränkelnden Mannes, für einen leidlichen Unterhalt der zahlreichen Familie recht auszukommen. Zur Bestellung des kleinen Grundbesitzes mußte die Beihilfe der Kinder in vollem Maße in Anspruch genommen wer¬ den. Heumachen, Holzträger, Düngerfahren, das Einsammeln der Feldfrüchte und alle andern, zum Theil noch beschwerlicheren ländlichen Arbeiten, welche zur Bebauung und Vearndtung von Acker und Wiese erforderlich sind, mußten von den Kindern ver- *) Der unlängst erschienenen Schrift: Sylvester Jordans Leben und Lei¬ den. Von Trinks und Julius. (Leipz. C. W.B. Naumburg 1845.25 Bog.)nach¬ rält. ezh Grenzlwten, I«is. IV. 4z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/337>, abgerufen am 05.02.2025.