Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

war immer schöner, und seine Beredsamkeit wuchs mit seiner Stel¬
lung. Der erste Act deö zweiten Ministeriums Richelieu war der,
die Freiheit der Presse, sowie die individuelle Freiheit von Neuem
aufzuheben.

Royer-Collard griff diese zwei Ausnahmsgesetze an, indem er
sie als "eine wucherische Anleihe, welche die Macht zu Grunde richte",
bezeichnete. Als die Negierung ein neues Wahlgesetz, bestimmt daS
von 1817 zu ersetzen, vorlegte, vertheidigte Royer-Collard das erste,
als seinen Grundsätzen und der Charte angemessener.

Uebrigens war das zweite Ministerium Richelieu noch zu ge¬
mäßigt, um lange Zeit mit der royalistischen Partei in gutem Ein¬
verständnisse zu leben, mit der royalistischen Partei, welche wieder
zur Majorität geworden war, zu einer Majorität, erbittert durch die
unreifen Verschwörungen der Verlornen Posten des Liberalismus, und
mehr als je davon überzeugt, daß Strenge allein die Monarchie
retten könne. Minister, wie die Herren Deserre, Mounier und Pas-
quier waren für sie nur verkappte Revolutionäre, und sie konnte ihr
Vertrauen nur einem Ministerium schenken, welches der vollständige
Ausdruck ihrer Zuneigung und ihres Hasses war. Sie fand end¬
lich ein solches im Jahre 1822 in dem Ministerium Villole.

Ich habe hier nicht die Geschichte jener traurigen Verwaltung
zu schreiben, welche durch fünf Jahre im Besitze der Macht blieb,
und dieselbe erst abgab, als sie sie durch Mißbrauch vollständig ver¬
nichtet hatte.

Royer-Collard war ihr furchtbarster Feind. Seit dem ersten
Acte der Gewaltthätigkeit: der Verbannung Manuels, bis zu der
Fusillade der Straße Se. Denis, welche seinen Sturz beschleunigten,
hatte das Ministerium Villvle beständig gegen jenes Wort zu käm¬
pfen, das um so imponirender erschien, als es offen monarchisch ge¬
sinnt war.

Als die Wahlen vom Jahre 1824, welche auf den spanischen
Krieg, den Royer Collard laut getadelt hatte, folgten, dem Herrn
von Villele jene so ergebene Phalanx der Dreihundert gesandt
hatten, kannte der Minister kein Maß mehr. Royer-Collard, von
der Linken, deren Widerwillen er nicht theilte, getrennt, ganz allein
seine Partei in der Kammer vertretend, stieg so hoch in der öffent¬
lichen Achtung, daß in drei Jahren das linke Centrum durch ihn,


Wrenztotcn. 18in. IV. 4

war immer schöner, und seine Beredsamkeit wuchs mit seiner Stel¬
lung. Der erste Act deö zweiten Ministeriums Richelieu war der,
die Freiheit der Presse, sowie die individuelle Freiheit von Neuem
aufzuheben.

Royer-Collard griff diese zwei Ausnahmsgesetze an, indem er
sie als „eine wucherische Anleihe, welche die Macht zu Grunde richte",
bezeichnete. Als die Negierung ein neues Wahlgesetz, bestimmt daS
von 1817 zu ersetzen, vorlegte, vertheidigte Royer-Collard das erste,
als seinen Grundsätzen und der Charte angemessener.

Uebrigens war das zweite Ministerium Richelieu noch zu ge¬
mäßigt, um lange Zeit mit der royalistischen Partei in gutem Ein¬
verständnisse zu leben, mit der royalistischen Partei, welche wieder
zur Majorität geworden war, zu einer Majorität, erbittert durch die
unreifen Verschwörungen der Verlornen Posten des Liberalismus, und
mehr als je davon überzeugt, daß Strenge allein die Monarchie
retten könne. Minister, wie die Herren Deserre, Mounier und Pas-
quier waren für sie nur verkappte Revolutionäre, und sie konnte ihr
Vertrauen nur einem Ministerium schenken, welches der vollständige
Ausdruck ihrer Zuneigung und ihres Hasses war. Sie fand end¬
lich ein solches im Jahre 1822 in dem Ministerium Villole.

Ich habe hier nicht die Geschichte jener traurigen Verwaltung
zu schreiben, welche durch fünf Jahre im Besitze der Macht blieb,
und dieselbe erst abgab, als sie sie durch Mißbrauch vollständig ver¬
nichtet hatte.

Royer-Collard war ihr furchtbarster Feind. Seit dem ersten
Acte der Gewaltthätigkeit: der Verbannung Manuels, bis zu der
Fusillade der Straße Se. Denis, welche seinen Sturz beschleunigten,
hatte das Ministerium Villvle beständig gegen jenes Wort zu käm¬
pfen, das um so imponirender erschien, als es offen monarchisch ge¬
sinnt war.

Als die Wahlen vom Jahre 1824, welche auf den spanischen
Krieg, den Royer Collard laut getadelt hatte, folgten, dem Herrn
von Villele jene so ergebene Phalanx der Dreihundert gesandt
hatten, kannte der Minister kein Maß mehr. Royer-Collard, von
der Linken, deren Widerwillen er nicht theilte, getrennt, ganz allein
seine Partei in der Kammer vertretend, stieg so hoch in der öffent¬
lichen Achtung, daß in drei Jahren das linke Centrum durch ihn,


Wrenztotcn. 18in. IV. 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271294"/>
          <p xml:id="ID_77" prev="#ID_76"> war immer schöner, und seine Beredsamkeit wuchs mit seiner Stel¬<lb/>
lung. Der erste Act deö zweiten Ministeriums Richelieu war der,<lb/>
die Freiheit der Presse, sowie die individuelle Freiheit von Neuem<lb/>
aufzuheben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_78"> Royer-Collard griff diese zwei Ausnahmsgesetze an, indem er<lb/>
sie als &#x201E;eine wucherische Anleihe, welche die Macht zu Grunde richte",<lb/>
bezeichnete. Als die Negierung ein neues Wahlgesetz, bestimmt daS<lb/>
von 1817 zu ersetzen, vorlegte, vertheidigte Royer-Collard das erste,<lb/>
als seinen Grundsätzen und der Charte angemessener.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_79"> Uebrigens war das zweite Ministerium Richelieu noch zu ge¬<lb/>
mäßigt, um lange Zeit mit der royalistischen Partei in gutem Ein¬<lb/>
verständnisse zu leben, mit der royalistischen Partei, welche wieder<lb/>
zur Majorität geworden war, zu einer Majorität, erbittert durch die<lb/>
unreifen Verschwörungen der Verlornen Posten des Liberalismus, und<lb/>
mehr als je davon überzeugt, daß Strenge allein die Monarchie<lb/>
retten könne. Minister, wie die Herren Deserre, Mounier und Pas-<lb/>
quier waren für sie nur verkappte Revolutionäre, und sie konnte ihr<lb/>
Vertrauen nur einem Ministerium schenken, welches der vollständige<lb/>
Ausdruck ihrer Zuneigung und ihres Hasses war. Sie fand end¬<lb/>
lich ein solches im Jahre 1822 in dem Ministerium Villole.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_80"> Ich habe hier nicht die Geschichte jener traurigen Verwaltung<lb/>
zu schreiben, welche durch fünf Jahre im Besitze der Macht blieb,<lb/>
und dieselbe erst abgab, als sie sie durch Mißbrauch vollständig ver¬<lb/>
nichtet hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_81"> Royer-Collard war ihr furchtbarster Feind. Seit dem ersten<lb/>
Acte der Gewaltthätigkeit: der Verbannung Manuels, bis zu der<lb/>
Fusillade der Straße Se. Denis, welche seinen Sturz beschleunigten,<lb/>
hatte das Ministerium Villvle beständig gegen jenes Wort zu käm¬<lb/>
pfen, das um so imponirender erschien, als es offen monarchisch ge¬<lb/>
sinnt war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_82" next="#ID_83"> Als die Wahlen vom Jahre 1824, welche auf den spanischen<lb/>
Krieg, den Royer Collard laut getadelt hatte, folgten, dem Herrn<lb/>
von Villele jene so ergebene Phalanx der Dreihundert gesandt<lb/>
hatten, kannte der Minister kein Maß mehr. Royer-Collard, von<lb/>
der Linken, deren Widerwillen er nicht theilte, getrennt, ganz allein<lb/>
seine Partei in der Kammer vertretend, stieg so hoch in der öffent¬<lb/>
lichen Achtung, daß in drei Jahren das linke Centrum durch ihn,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Wrenztotcn. 18in. IV. 4</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] war immer schöner, und seine Beredsamkeit wuchs mit seiner Stel¬ lung. Der erste Act deö zweiten Ministeriums Richelieu war der, die Freiheit der Presse, sowie die individuelle Freiheit von Neuem aufzuheben. Royer-Collard griff diese zwei Ausnahmsgesetze an, indem er sie als „eine wucherische Anleihe, welche die Macht zu Grunde richte", bezeichnete. Als die Negierung ein neues Wahlgesetz, bestimmt daS von 1817 zu ersetzen, vorlegte, vertheidigte Royer-Collard das erste, als seinen Grundsätzen und der Charte angemessener. Uebrigens war das zweite Ministerium Richelieu noch zu ge¬ mäßigt, um lange Zeit mit der royalistischen Partei in gutem Ein¬ verständnisse zu leben, mit der royalistischen Partei, welche wieder zur Majorität geworden war, zu einer Majorität, erbittert durch die unreifen Verschwörungen der Verlornen Posten des Liberalismus, und mehr als je davon überzeugt, daß Strenge allein die Monarchie retten könne. Minister, wie die Herren Deserre, Mounier und Pas- quier waren für sie nur verkappte Revolutionäre, und sie konnte ihr Vertrauen nur einem Ministerium schenken, welches der vollständige Ausdruck ihrer Zuneigung und ihres Hasses war. Sie fand end¬ lich ein solches im Jahre 1822 in dem Ministerium Villole. Ich habe hier nicht die Geschichte jener traurigen Verwaltung zu schreiben, welche durch fünf Jahre im Besitze der Macht blieb, und dieselbe erst abgab, als sie sie durch Mißbrauch vollständig ver¬ nichtet hatte. Royer-Collard war ihr furchtbarster Feind. Seit dem ersten Acte der Gewaltthätigkeit: der Verbannung Manuels, bis zu der Fusillade der Straße Se. Denis, welche seinen Sturz beschleunigten, hatte das Ministerium Villvle beständig gegen jenes Wort zu käm¬ pfen, das um so imponirender erschien, als es offen monarchisch ge¬ sinnt war. Als die Wahlen vom Jahre 1824, welche auf den spanischen Krieg, den Royer Collard laut getadelt hatte, folgten, dem Herrn von Villele jene so ergebene Phalanx der Dreihundert gesandt hatten, kannte der Minister kein Maß mehr. Royer-Collard, von der Linken, deren Widerwillen er nicht theilte, getrennt, ganz allein seine Partei in der Kammer vertretend, stieg so hoch in der öffent¬ lichen Achtung, daß in drei Jahren das linke Centrum durch ihn, Wrenztotcn. 18in. IV. 4

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/33
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/33>, abgerufen am 05.02.2025.