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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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kurze Skizze von dem zu erhalten, was die Dichtung der Oper, vom
Komponisten ebenfalls entworfen, betrifft.

Tannhäuser und Heinrich von Ofterdingen sind hier von Wag¬
ner, nach alter deutscher Volkssage, zu einer Person verwebt, und
mit dem geisterhaften Spuk des Hörsclberges, in welchem die Göttin
Holda (oder wie sie in jener Zeit genannt wurde: Frau Benus) ihr
Wesen treibt, beginnt der erste Act.'

Tannhäuser, von den Banden Holdas umstrickt, ruht beim Auf¬
rollen des Borhanges zu ihren Füßen, und in bald wollüstig weichen,
bald bachantisch wilden Chören umschwärmen Nymphen und Najaden
die Liebenden. Da reißt sich Tannhauser, durch einen Traum an die
schöne, so lang entbehrte Welt erinnert, aus dem erschlaffenden Sin¬
nentaumel empor; vergebens sucht ihn die Göttin mit süßen Schmei¬
chelworten zurückzuhalten, er greift in die Saiten der Harfe, und bei
dem Ruf: "Mein Heil ruht in Maria" verschwindet mit einem Zau-
berschlage der tolle Spuk, und betäubt, erschüttert steht er in sonnen¬
heller Landschaft auf der heißersehnten Erde. Aber noch kann er die¬
sen plötzlichen Uebergang nicht fassen; das fröhliche Maillet eines
Hirten, der fromme Gesang gen Rom wallfahrender Pilger weckt ihn
endlich aus seinen Träumen, und brünstig betend sinkt er auf die
Kniee nieder.

Jetzt schallen, näher und naher kommend, muntere Hörnerklänge
aus den Bergen und mit fröhlichem Jägertroß, so wie mit den frem¬
den Gästen, die zu dem Wettgesang in der Wartburg eingetroffen,
naht sich der Landgraf. Tannhauser, oder vielmehr Heinrich von
Ofterdingen, wird von ihnen erkannt und freudig begrüßt. Will er
sich aber auch noch scheu und befangen den Freunden entziehen, so lösen
gar bald Wolfram von Eschenbachs Andeutungen auf den Sieg, den
er sich durch seine Lieder im Herzen der Nichte des Landgrafen, Eli¬
sabeth, errungen, jeden bangen Zweifel seiner Brust, und unter dem
jubelnden Chor der Jäger eilt er in ihrer Mitte zur nicht fernen Burg.

Der zweite Act spielt in der Sängerhalle der Wartburg, und
Tannhauser wird hier von der schüchternen, liebenden Jungfrau, die
den lang Entfernten betrauert hat, freudig empfangen. Hierauf na¬
hen in prachtvollem Festschmuck die Fürsten und Edlen des Reiches,
dem Sängerkriege beizuwohnen und reihen sich auf die für sie berei¬
teten Sitze; Wolfram von Eschenbach beginnt nach der vom Land¬
grafen gestellten Aufgabe in seinem Sänge der "Liebe Wesen zu er¬
gründen." Tannhäuser, in dessen Brust das Lied kaum besänftigte
Erinnerungen weckt, greift jetzt mit kräftiger Hand in die Saiten
und singt in noch glühender" und schwelgerisch sinnlichen Farben der
Liebe Preis. Walther von der Bogelweide erhebt sich jetzt und weist
den kühnen Sänger mit seinem Lied in die Schranken der Zucht und
Sitte zurück; doch nur erregter wird Tannhäusers Lied durch das des


Gr-nzbotcn, Is-is. IV. , 36

kurze Skizze von dem zu erhalten, was die Dichtung der Oper, vom
Komponisten ebenfalls entworfen, betrifft.

Tannhäuser und Heinrich von Ofterdingen sind hier von Wag¬
ner, nach alter deutscher Volkssage, zu einer Person verwebt, und
mit dem geisterhaften Spuk des Hörsclberges, in welchem die Göttin
Holda (oder wie sie in jener Zeit genannt wurde: Frau Benus) ihr
Wesen treibt, beginnt der erste Act.'

Tannhäuser, von den Banden Holdas umstrickt, ruht beim Auf¬
rollen des Borhanges zu ihren Füßen, und in bald wollüstig weichen,
bald bachantisch wilden Chören umschwärmen Nymphen und Najaden
die Liebenden. Da reißt sich Tannhauser, durch einen Traum an die
schöne, so lang entbehrte Welt erinnert, aus dem erschlaffenden Sin¬
nentaumel empor; vergebens sucht ihn die Göttin mit süßen Schmei¬
chelworten zurückzuhalten, er greift in die Saiten der Harfe, und bei
dem Ruf: „Mein Heil ruht in Maria" verschwindet mit einem Zau-
berschlage der tolle Spuk, und betäubt, erschüttert steht er in sonnen¬
heller Landschaft auf der heißersehnten Erde. Aber noch kann er die¬
sen plötzlichen Uebergang nicht fassen; das fröhliche Maillet eines
Hirten, der fromme Gesang gen Rom wallfahrender Pilger weckt ihn
endlich aus seinen Träumen, und brünstig betend sinkt er auf die
Kniee nieder.

Jetzt schallen, näher und naher kommend, muntere Hörnerklänge
aus den Bergen und mit fröhlichem Jägertroß, so wie mit den frem¬
den Gästen, die zu dem Wettgesang in der Wartburg eingetroffen,
naht sich der Landgraf. Tannhauser, oder vielmehr Heinrich von
Ofterdingen, wird von ihnen erkannt und freudig begrüßt. Will er
sich aber auch noch scheu und befangen den Freunden entziehen, so lösen
gar bald Wolfram von Eschenbachs Andeutungen auf den Sieg, den
er sich durch seine Lieder im Herzen der Nichte des Landgrafen, Eli¬
sabeth, errungen, jeden bangen Zweifel seiner Brust, und unter dem
jubelnden Chor der Jäger eilt er in ihrer Mitte zur nicht fernen Burg.

Der zweite Act spielt in der Sängerhalle der Wartburg, und
Tannhauser wird hier von der schüchternen, liebenden Jungfrau, die
den lang Entfernten betrauert hat, freudig empfangen. Hierauf na¬
hen in prachtvollem Festschmuck die Fürsten und Edlen des Reiches,
dem Sängerkriege beizuwohnen und reihen sich auf die für sie berei¬
teten Sitze; Wolfram von Eschenbach beginnt nach der vom Land¬
grafen gestellten Aufgabe in seinem Sänge der „Liebe Wesen zu er¬
gründen." Tannhäuser, in dessen Brust das Lied kaum besänftigte
Erinnerungen weckt, greift jetzt mit kräftiger Hand in die Saiten
und singt in noch glühender» und schwelgerisch sinnlichen Farben der
Liebe Preis. Walther von der Bogelweide erhebt sich jetzt und weist
den kühnen Sänger mit seinem Lied in die Schranken der Zucht und
Sitte zurück; doch nur erregter wird Tannhäusers Lied durch das des


Gr-nzbotcn, Is-is. IV. , 36
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/285>, abgerufen am 05.02.2025.