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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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schieht das nicht, weil es mir an Stoff mangeln würde, noch ein paar
Druckseiten damit auszufüllen: unser Gemeindewesen ist reich
an eingerotteten Mißbräuchen, an deren Abstellung manches Jahrze-
hend gesetzt werden muß. Jedenfalls darf ihr Vorhandensein nicht
dem Bürgermeister Czapka zur Last gelegt werden, der eine bei hie¬
sigen Sladtvorstehern ganz ungewöhnliche Thätigkeit an den Tag
legt, und eben dieser Rüstigkeit und überall eindringenden Geschäfts¬
kenntniß des jetzigen Bürgermeisters ist es namentlich zuzuschreiben,
daß derselbe im Großen unpopulär geworden. Sein Eifer und sein
gründliches Wollen stört die guten Leute in ihrer hergebrachten Be¬
quemlichkeit, und Manche, welche sich von Mißbräuchen laisge Jahre
gemästet haben, sehen sich mit einem Male verkürzt; diese Leute sind
es, welche Jeder schreien und Jedermann verketzern werden, der nützen
will in dem Kreise seines Berufes; die Menge, der große Haufe
macht gern Chorus und stimmt den Klagestöhnendcn bei, weil es gilt,
sich an einem Höhergestellten zu reiben. Wir finden es darum sehr
löblich, daß die Leipziger Zeitschrift "Der Komet" den Korrespondenten
der Hamburger Jahreszeiten mit der Veröffentlichung seines Namens
bedroht hat, falls derselbe fortfahre, lediglich ekelhafte Skandalgeschich¬
ten aus Wien zu berichten. Das heißt die Aufgabe der Presse mi߬
kennen, wenn man glaubt, es sei ihre Bestimmung, anrüchige That¬
sachen und pikante Gerüchte auf den Markt zu schleppen; in einer
Hauptstadt von 4vel,VW begeben sich solcher Sachen in Fülle und
jedes Haus hat seine Mysterien, aber nur die Ignoranz und Gemein¬
heit wird sich dazu hergeben, diesen Schlamm in die Oeffentlichkeit zu
tragen, weil sie das Bessere nicht weiß und nicht schätzt. Wien birgt
dessen, was der Kundgebung werth ist, so vielerlei in sich, daß man
Nicht gezwungen ist aus der Hefe zu schöpfen, wenn man anders keine
angeborne Hinneigung zu diesem unreinen Elemente hat.

Der Fürstbischof von Breslau Baron vyn Diepenbxok kam auf
einige Tage Hieher, um in die Hände des Hoskanzlers Graf Jazaghj
den Eid der Treue abzulegen, da die österreichischen Herzogthümer
Troppau und Teschau zu dem Sprengel des bischöflichen Stuhls zu
Breslau gehören. Seine Anwesenheit hat sein aus dem Flämischen
übertragenes Werk des Dichters Conscience, dessen Erträgniß den Ar¬
men bestimmt ist, in den aristokratischen Kreisen der Gesellschaft zur
Modelektüre gemacht, so daß man jetzt die meisten Damen ein Buch
preisen hört, dessen schlichter Geist und puritanische Einfalt sonst sicher
das Wohlgefallen der Salons nicht zu erringen im Stande gewesen
wären. Diepenbrock wird als ein klerikaler Politiker, doch von der
gemäßigten Farbe geschildert.

Die Bühne liefert nichts Bedeutendes; im Hofburgtheater geht
nächstens, nachdem Oehlenschlägers Dina wegen mancherlei Vorberei¬
tungen für die spätere Wintersaison zurückgelegt worden, ein Trauer-


schieht das nicht, weil es mir an Stoff mangeln würde, noch ein paar
Druckseiten damit auszufüllen: unser Gemeindewesen ist reich
an eingerotteten Mißbräuchen, an deren Abstellung manches Jahrze-
hend gesetzt werden muß. Jedenfalls darf ihr Vorhandensein nicht
dem Bürgermeister Czapka zur Last gelegt werden, der eine bei hie¬
sigen Sladtvorstehern ganz ungewöhnliche Thätigkeit an den Tag
legt, und eben dieser Rüstigkeit und überall eindringenden Geschäfts¬
kenntniß des jetzigen Bürgermeisters ist es namentlich zuzuschreiben,
daß derselbe im Großen unpopulär geworden. Sein Eifer und sein
gründliches Wollen stört die guten Leute in ihrer hergebrachten Be¬
quemlichkeit, und Manche, welche sich von Mißbräuchen laisge Jahre
gemästet haben, sehen sich mit einem Male verkürzt; diese Leute sind
es, welche Jeder schreien und Jedermann verketzern werden, der nützen
will in dem Kreise seines Berufes; die Menge, der große Haufe
macht gern Chorus und stimmt den Klagestöhnendcn bei, weil es gilt,
sich an einem Höhergestellten zu reiben. Wir finden es darum sehr
löblich, daß die Leipziger Zeitschrift „Der Komet" den Korrespondenten
der Hamburger Jahreszeiten mit der Veröffentlichung seines Namens
bedroht hat, falls derselbe fortfahre, lediglich ekelhafte Skandalgeschich¬
ten aus Wien zu berichten. Das heißt die Aufgabe der Presse mi߬
kennen, wenn man glaubt, es sei ihre Bestimmung, anrüchige That¬
sachen und pikante Gerüchte auf den Markt zu schleppen; in einer
Hauptstadt von 4vel,VW begeben sich solcher Sachen in Fülle und
jedes Haus hat seine Mysterien, aber nur die Ignoranz und Gemein¬
heit wird sich dazu hergeben, diesen Schlamm in die Oeffentlichkeit zu
tragen, weil sie das Bessere nicht weiß und nicht schätzt. Wien birgt
dessen, was der Kundgebung werth ist, so vielerlei in sich, daß man
Nicht gezwungen ist aus der Hefe zu schöpfen, wenn man anders keine
angeborne Hinneigung zu diesem unreinen Elemente hat.

Der Fürstbischof von Breslau Baron vyn Diepenbxok kam auf
einige Tage Hieher, um in die Hände des Hoskanzlers Graf Jazaghj
den Eid der Treue abzulegen, da die österreichischen Herzogthümer
Troppau und Teschau zu dem Sprengel des bischöflichen Stuhls zu
Breslau gehören. Seine Anwesenheit hat sein aus dem Flämischen
übertragenes Werk des Dichters Conscience, dessen Erträgniß den Ar¬
men bestimmt ist, in den aristokratischen Kreisen der Gesellschaft zur
Modelektüre gemacht, so daß man jetzt die meisten Damen ein Buch
preisen hört, dessen schlichter Geist und puritanische Einfalt sonst sicher
das Wohlgefallen der Salons nicht zu erringen im Stande gewesen
wären. Diepenbrock wird als ein klerikaler Politiker, doch von der
gemäßigten Farbe geschildert.

Die Bühne liefert nichts Bedeutendes; im Hofburgtheater geht
nächstens, nachdem Oehlenschlägers Dina wegen mancherlei Vorberei¬
tungen für die spätere Wintersaison zurückgelegt worden, ein Trauer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/230>, abgerufen am 05.02.2025.