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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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läßt, auch ein wunderthätiger befand, betrachtet hatten, schritten wir
in die Kapellen, deren eS in der Kirche achtzehn giebt. Die herr¬
lichsten Grabdenkmäler der polnischen Könige, Krakauer Bischöfe und
anderer polnischen Großen finden sich in denselben. Die älteste,
welche königliche Gräber besitzt, im fünfzehnten Jahrhundert gebaut,
ist die Kreuzkapellc, in welcher die Könige Michael Wisnowiccki und
Wladislaw und Kasimir Jagello ruhen; die prachtvollste aber ist die
Sigismund- oder Jagellonenkapelle, welche im Jahre 1520 errichtet
worden ist, und die Statuen mehrerer jagellonischer Könige, die Grä¬
ber und Grabdenkmäler von den Königen Sigismund I., Sigismund
August und der Königin Anna, einen prachtvollen Thron von Mar¬
mor und den Feldaltar SigismundS I. enthält. Auch äußerlich strotzt
diese Kapelle von Pracht. Ihre Kuppel ist über und über vergol¬
det, und wirft bei Sonnenschein eine Strahlcnmasse von sich, die das
Auge nicht ertragen kann.

Als ich in all' den Kapellen gewesen war, in welchen königliche
Todte und Personen von geschichtlicher Wichtigkeit ruhen, führten mich
meine Gefährten nach der großen Kirchthüre hin, unfern welcher sich der
Eingang zu einem unterirdischen Grabgewölbe befindet. Vor diesem
Eingange blieben sie zögernd stehen, und sagten: "Hier unten ruht
Thaddäus Kosciuszko." Ich weiß nicht, wie mir bei diesen Worten
geschah. Ich bin kein Pole, aber es war mir, als zersprengte eine
bittere, bittere Wehmuth mir das Herz, als solle ich weinen wie ein
Kind. Bor den vielen Gräbern in den Kapellen, einen wie erschüt¬
ternden Eindruck sie auch auf mich hervorbrachten, hatte ich meine
Festigkeit behalten, hier aber war sie mir so verschwunden, daß ich
kaum Muth besaß, in das unterirdische Gewölbe hinabzusteigen.

Drei Särge von schwarzem Marmor stehen in demselben, und
in diesen ruhen drei Männer, welche lebendig sein werden bis zu
dem Tage, wo die ganze Welt im Todesschlafe liegt. Diese drei
Männer sind der König Johann Sobiesky, der Fürst Joseph Porla^
towsky und der Herrlichste, den Polen je geboren, Thaddäus Ko¬
sciuszko.

Es ist in der That ein Trost, freilich ein recht schmerzlicher,
kleiner, daß doch Polen ein wenigstens dem Namen nach freies
Stückchen Land behalten hat, auf dem es seinem Kosciuszko ein
Ruhelager bereiten konnte. Weder in Galizien, noch im Herzogthum


läßt, auch ein wunderthätiger befand, betrachtet hatten, schritten wir
in die Kapellen, deren eS in der Kirche achtzehn giebt. Die herr¬
lichsten Grabdenkmäler der polnischen Könige, Krakauer Bischöfe und
anderer polnischen Großen finden sich in denselben. Die älteste,
welche königliche Gräber besitzt, im fünfzehnten Jahrhundert gebaut,
ist die Kreuzkapellc, in welcher die Könige Michael Wisnowiccki und
Wladislaw und Kasimir Jagello ruhen; die prachtvollste aber ist die
Sigismund- oder Jagellonenkapelle, welche im Jahre 1520 errichtet
worden ist, und die Statuen mehrerer jagellonischer Könige, die Grä¬
ber und Grabdenkmäler von den Königen Sigismund I., Sigismund
August und der Königin Anna, einen prachtvollen Thron von Mar¬
mor und den Feldaltar SigismundS I. enthält. Auch äußerlich strotzt
diese Kapelle von Pracht. Ihre Kuppel ist über und über vergol¬
det, und wirft bei Sonnenschein eine Strahlcnmasse von sich, die das
Auge nicht ertragen kann.

Als ich in all' den Kapellen gewesen war, in welchen königliche
Todte und Personen von geschichtlicher Wichtigkeit ruhen, führten mich
meine Gefährten nach der großen Kirchthüre hin, unfern welcher sich der
Eingang zu einem unterirdischen Grabgewölbe befindet. Vor diesem
Eingange blieben sie zögernd stehen, und sagten: „Hier unten ruht
Thaddäus Kosciuszko." Ich weiß nicht, wie mir bei diesen Worten
geschah. Ich bin kein Pole, aber es war mir, als zersprengte eine
bittere, bittere Wehmuth mir das Herz, als solle ich weinen wie ein
Kind. Bor den vielen Gräbern in den Kapellen, einen wie erschüt¬
ternden Eindruck sie auch auf mich hervorbrachten, hatte ich meine
Festigkeit behalten, hier aber war sie mir so verschwunden, daß ich
kaum Muth besaß, in das unterirdische Gewölbe hinabzusteigen.

Drei Särge von schwarzem Marmor stehen in demselben, und
in diesen ruhen drei Männer, welche lebendig sein werden bis zu
dem Tage, wo die ganze Welt im Todesschlafe liegt. Diese drei
Männer sind der König Johann Sobiesky, der Fürst Joseph Porla^
towsky und der Herrlichste, den Polen je geboren, Thaddäus Ko¬
sciuszko.

Es ist in der That ein Trost, freilich ein recht schmerzlicher,
kleiner, daß doch Polen ein wenigstens dem Namen nach freies
Stückchen Land behalten hat, auf dem es seinem Kosciuszko ein
Ruhelager bereiten konnte. Weder in Galizien, noch im Herzogthum


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[0216] läßt, auch ein wunderthätiger befand, betrachtet hatten, schritten wir in die Kapellen, deren eS in der Kirche achtzehn giebt. Die herr¬ lichsten Grabdenkmäler der polnischen Könige, Krakauer Bischöfe und anderer polnischen Großen finden sich in denselben. Die älteste, welche königliche Gräber besitzt, im fünfzehnten Jahrhundert gebaut, ist die Kreuzkapellc, in welcher die Könige Michael Wisnowiccki und Wladislaw und Kasimir Jagello ruhen; die prachtvollste aber ist die Sigismund- oder Jagellonenkapelle, welche im Jahre 1520 errichtet worden ist, und die Statuen mehrerer jagellonischer Könige, die Grä¬ ber und Grabdenkmäler von den Königen Sigismund I., Sigismund August und der Königin Anna, einen prachtvollen Thron von Mar¬ mor und den Feldaltar SigismundS I. enthält. Auch äußerlich strotzt diese Kapelle von Pracht. Ihre Kuppel ist über und über vergol¬ det, und wirft bei Sonnenschein eine Strahlcnmasse von sich, die das Auge nicht ertragen kann. Als ich in all' den Kapellen gewesen war, in welchen königliche Todte und Personen von geschichtlicher Wichtigkeit ruhen, führten mich meine Gefährten nach der großen Kirchthüre hin, unfern welcher sich der Eingang zu einem unterirdischen Grabgewölbe befindet. Vor diesem Eingange blieben sie zögernd stehen, und sagten: „Hier unten ruht Thaddäus Kosciuszko." Ich weiß nicht, wie mir bei diesen Worten geschah. Ich bin kein Pole, aber es war mir, als zersprengte eine bittere, bittere Wehmuth mir das Herz, als solle ich weinen wie ein Kind. Bor den vielen Gräbern in den Kapellen, einen wie erschüt¬ ternden Eindruck sie auch auf mich hervorbrachten, hatte ich meine Festigkeit behalten, hier aber war sie mir so verschwunden, daß ich kaum Muth besaß, in das unterirdische Gewölbe hinabzusteigen. Drei Särge von schwarzem Marmor stehen in demselben, und in diesen ruhen drei Männer, welche lebendig sein werden bis zu dem Tage, wo die ganze Welt im Todesschlafe liegt. Diese drei Männer sind der König Johann Sobiesky, der Fürst Joseph Porla^ towsky und der Herrlichste, den Polen je geboren, Thaddäus Ko¬ sciuszko. Es ist in der That ein Trost, freilich ein recht schmerzlicher, kleiner, daß doch Polen ein wenigstens dem Namen nach freies Stückchen Land behalten hat, auf dem es seinem Kosciuszko ein Ruhelager bereiten konnte. Weder in Galizien, noch im Herzogthum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/216>, abgerufen am 05.02.2025.