Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.unbestreitbar, und wird in Krakau auch selbst von solchen Leuten Als Oesterreich im Jahre 1796 seinen Theil Polens und mit Wir Deutschen fühlen nicht eben in nationalen Denkmälern eine Nachdem Oesterreich das alte Königsschloß bereits zur Kaserne In den einst von Gold und Silber und Kunstwerken strotzen¬ unbestreitbar, und wird in Krakau auch selbst von solchen Leuten Als Oesterreich im Jahre 1796 seinen Theil Polens und mit Wir Deutschen fühlen nicht eben in nationalen Denkmälern eine Nachdem Oesterreich das alte Königsschloß bereits zur Kaserne In den einst von Gold und Silber und Kunstwerken strotzen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271474"/> <p xml:id="ID_577" prev="#ID_576"> unbestreitbar, und wird in Krakau auch selbst von solchen Leuten<lb/> nicht geleugnet, welche um der Entreicherung des Königsschlosses<lb/> willen ungehalten oder gar erbittert auf Oesterreich sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_578"> Als Oesterreich im Jahre 1796 seinen Theil Polens und mit<lb/> diesem Krakau übernahm, mußte ihm natürlich die Organisation sei¬<lb/> nes Verwaltungswegs das Wichtigste erscheinen. Es bedürfte zu<lb/> Krakau einer Kaserne, und diese konnte es sich nur aus dem alten<lb/> Königsschlosse schaffen. Was aber sollten die königlichen Kostbar¬<lb/> keiten in einer Kaserne? Es nahm dieselben daher heraus, und<lb/> zwar um so unbedenklicher, als dieselben ihm nicht als Heiligthümer<lb/> galten, wie den Polen. Rücksicht auf diese allerdings hätte es neh¬<lb/> men und die alten Denkmäler wenigstens in der Stadt Krakau lassen<lb/> sollen. Vielleicht wußte Oesterreich nicht, wie heilig den Polen die¬<lb/> selben seien; es konnte sich das nicht denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_579"> Wir Deutschen fühlen nicht eben in nationalen Denkmälern eine<lb/> so gewaltige Heiligkeit und können uns daher nicht leicht in das<lb/> Gefühl der Polen versetzen. Während die Polen schaarenweis nach<lb/> dem Schloß Pulawy und dem zu Krakau wallfahrten und in hin¬<lb/> reißender Begeisterung einst jauchzten, jetzt weinen, fragt in unserem<lb/> lieben deutschen Vaterlande außer einigen Literaten, welche Stoff zu<lb/> einer Novelle brauchen, kein Mensch nach der eisernen Krone und<lb/> dem alten Kaiserstuhle zu Aachen. Bildergallerien, Kunstausstellun¬<lb/> gen und Fräulein Taglioni erheben unser Herz; was kümmert uns<lb/> sehr der Plunder aus der altdeutschen Welt? Wir sind vielleicht<lb/> kleinere Narren als die Polen, aber die Polen sind größere Men¬<lb/> schen als wir.</p><lb/> <p xml:id="ID_580"> Nachdem Oesterreich das alte Königsschloß bereits zur Kaserne<lb/> herabgewürdigt hatte, war es nicht eben entsetzlich, daß der Senat<lb/> der „freien, unabhängigen und streng neutralen Stadt Krakau mit<lb/> ihrem Gebiet" dasselbe in ein Spital und ArmenvcrpflegungShaus<lb/> verwandelte. Die Stufe vom Königsschloß zur Kaserne ist weit tie¬<lb/> fer, als die von der Kaserne zum Spital.</p><lb/> <p xml:id="ID_581"> In den einst von Gold und Silber und Kunstwerken strotzen¬<lb/> den Zimmern des zweiten Stockwerks, in denen der große Kasimir<lb/> und der unbesiegte Sobieski gewohnt, fand ich jetzt unter verrauchten<lb/> Decken auf verlötheten Dielen Kranke und Bettler. Ich bin kein<lb/> Communist, gestehe aber, daß mich dies ungemein erbaute.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
unbestreitbar, und wird in Krakau auch selbst von solchen Leuten
nicht geleugnet, welche um der Entreicherung des Königsschlosses
willen ungehalten oder gar erbittert auf Oesterreich sind.
Als Oesterreich im Jahre 1796 seinen Theil Polens und mit
diesem Krakau übernahm, mußte ihm natürlich die Organisation sei¬
nes Verwaltungswegs das Wichtigste erscheinen. Es bedürfte zu
Krakau einer Kaserne, und diese konnte es sich nur aus dem alten
Königsschlosse schaffen. Was aber sollten die königlichen Kostbar¬
keiten in einer Kaserne? Es nahm dieselben daher heraus, und
zwar um so unbedenklicher, als dieselben ihm nicht als Heiligthümer
galten, wie den Polen. Rücksicht auf diese allerdings hätte es neh¬
men und die alten Denkmäler wenigstens in der Stadt Krakau lassen
sollen. Vielleicht wußte Oesterreich nicht, wie heilig den Polen die¬
selben seien; es konnte sich das nicht denken.
Wir Deutschen fühlen nicht eben in nationalen Denkmälern eine
so gewaltige Heiligkeit und können uns daher nicht leicht in das
Gefühl der Polen versetzen. Während die Polen schaarenweis nach
dem Schloß Pulawy und dem zu Krakau wallfahrten und in hin¬
reißender Begeisterung einst jauchzten, jetzt weinen, fragt in unserem
lieben deutschen Vaterlande außer einigen Literaten, welche Stoff zu
einer Novelle brauchen, kein Mensch nach der eisernen Krone und
dem alten Kaiserstuhle zu Aachen. Bildergallerien, Kunstausstellun¬
gen und Fräulein Taglioni erheben unser Herz; was kümmert uns
sehr der Plunder aus der altdeutschen Welt? Wir sind vielleicht
kleinere Narren als die Polen, aber die Polen sind größere Men¬
schen als wir.
Nachdem Oesterreich das alte Königsschloß bereits zur Kaserne
herabgewürdigt hatte, war es nicht eben entsetzlich, daß der Senat
der „freien, unabhängigen und streng neutralen Stadt Krakau mit
ihrem Gebiet" dasselbe in ein Spital und ArmenvcrpflegungShaus
verwandelte. Die Stufe vom Königsschloß zur Kaserne ist weit tie¬
fer, als die von der Kaserne zum Spital.
In den einst von Gold und Silber und Kunstwerken strotzen¬
den Zimmern des zweiten Stockwerks, in denen der große Kasimir
und der unbesiegte Sobieski gewohnt, fand ich jetzt unter verrauchten
Decken auf verlötheten Dielen Kranke und Bettler. Ich bin kein
Communist, gestehe aber, daß mich dies ungemein erbaute.
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