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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Formular überreicht, das er laut und deutlich zu spreche" und dann
mit der Hand auf dem Evangelium neben Kreuz und Kerzen münd¬
lich zu beschwören, hierauf schriftlich zu unterzeichnen und in die
Hände der Vorstände zu legen hat. *) In wie fern sich alle diese
Satzungen mit dem seit 1648 bestehenden Neligionsfrieden verein¬
baren lassen, in wie fern sie dem Gedeihen der deutschen Nation för¬
dernd oder hemmend entgegenarbeiten, das sind Fragen, die außerhalb
der Grenze dieser Mittheilungen liegen. Ich spreche in diesen Blät¬
tern zu einem Publikum, das für ein selbstständiges, eigenes Urtheil
reif geworden. Auch will ich hiermit auf Genossen meines Glau¬
bens so wenig einen Stein werfen, als auf irgend eine andere der
bestehenden anerkannten und nicht anerkannten Religionen. Auswüchse
giebt es überall, und der Verständige weiß diese genau vom Kern
zu unterscheide!?. Was ich hier mittheile, ist nicht Sache des katho¬
lischen Glaubens und möge ja von Niemanden dazu gestempelt wer¬
den! Die Mißgriffe einer zelotischer Parthei können nicht der ge-
sammten, unendlich größeren Mehrzahl einer ganzen Körperschaft zur
Last fallen.

Folgende zerstreute Bemerkungen können hier nicht schweigend
übergangen werden:

1) Durch ein allerhöchstes königl. Ministerialrescript ist im
Sommer 1845 jedem hannoveranischen Unterthanen der Eintritt in
diese Anstalt streng untersagt. Die näheren Gründe, welche die Ne¬
gierung zu diesem energischen Schritt veranlaßt, sind mir nicht be¬
kannt. Wohl hörte ich von einigen auffallenden Beispielen fana¬
tischer Unduldsamkeit, die selbst die katholische höhere Geistlichkeit des
Landes gegen diese weltpriesterlichen Jesuiten mißtrauisch gemacht
haben sollen. Da ich aber hier nur mittheilen will, was ich theils
nach meinen eignen Erlebnissen, theils nach meiner Einsicht in die
Schriften des Collegs verbürgen kann, so übergehe ich alle Gerüchte,
als nicht in den Bereich meiner Geständnisse gehörend. Rückwirkende
Kraft übte jenes Verbot nicht. Die bereits im Lande ansässigen
Mitglieder des Collegs (21 an der Zahl) sitzen ruhig auf ihren
geistlichen Pfründen.



*) Daß ich diesem Eid nicht untreu geworden, sollen die Leser in der
dritten Abtheilung erfahren. Die früher und jetzt hierbei gebräuchlichen For¬
mulare finden sie in dem bereits citirten Werke abgedruckt.

Formular überreicht, das er laut und deutlich zu spreche» und dann
mit der Hand auf dem Evangelium neben Kreuz und Kerzen münd¬
lich zu beschwören, hierauf schriftlich zu unterzeichnen und in die
Hände der Vorstände zu legen hat. *) In wie fern sich alle diese
Satzungen mit dem seit 1648 bestehenden Neligionsfrieden verein¬
baren lassen, in wie fern sie dem Gedeihen der deutschen Nation för¬
dernd oder hemmend entgegenarbeiten, das sind Fragen, die außerhalb
der Grenze dieser Mittheilungen liegen. Ich spreche in diesen Blät¬
tern zu einem Publikum, das für ein selbstständiges, eigenes Urtheil
reif geworden. Auch will ich hiermit auf Genossen meines Glau¬
bens so wenig einen Stein werfen, als auf irgend eine andere der
bestehenden anerkannten und nicht anerkannten Religionen. Auswüchse
giebt es überall, und der Verständige weiß diese genau vom Kern
zu unterscheide!?. Was ich hier mittheile, ist nicht Sache des katho¬
lischen Glaubens und möge ja von Niemanden dazu gestempelt wer¬
den! Die Mißgriffe einer zelotischer Parthei können nicht der ge-
sammten, unendlich größeren Mehrzahl einer ganzen Körperschaft zur
Last fallen.

Folgende zerstreute Bemerkungen können hier nicht schweigend
übergangen werden:

1) Durch ein allerhöchstes königl. Ministerialrescript ist im
Sommer 1845 jedem hannoveranischen Unterthanen der Eintritt in
diese Anstalt streng untersagt. Die näheren Gründe, welche die Ne¬
gierung zu diesem energischen Schritt veranlaßt, sind mir nicht be¬
kannt. Wohl hörte ich von einigen auffallenden Beispielen fana¬
tischer Unduldsamkeit, die selbst die katholische höhere Geistlichkeit des
Landes gegen diese weltpriesterlichen Jesuiten mißtrauisch gemacht
haben sollen. Da ich aber hier nur mittheilen will, was ich theils
nach meinen eignen Erlebnissen, theils nach meiner Einsicht in die
Schriften des Collegs verbürgen kann, so übergehe ich alle Gerüchte,
als nicht in den Bereich meiner Geständnisse gehörend. Rückwirkende
Kraft übte jenes Verbot nicht. Die bereits im Lande ansässigen
Mitglieder des Collegs (21 an der Zahl) sitzen ruhig auf ihren
geistlichen Pfründen.



*) Daß ich diesem Eid nicht untreu geworden, sollen die Leser in der
dritten Abtheilung erfahren. Die früher und jetzt hierbei gebräuchlichen For¬
mulare finden sie in dem bereits citirten Werke abgedruckt.
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[0206] Formular überreicht, das er laut und deutlich zu spreche» und dann mit der Hand auf dem Evangelium neben Kreuz und Kerzen münd¬ lich zu beschwören, hierauf schriftlich zu unterzeichnen und in die Hände der Vorstände zu legen hat. *) In wie fern sich alle diese Satzungen mit dem seit 1648 bestehenden Neligionsfrieden verein¬ baren lassen, in wie fern sie dem Gedeihen der deutschen Nation för¬ dernd oder hemmend entgegenarbeiten, das sind Fragen, die außerhalb der Grenze dieser Mittheilungen liegen. Ich spreche in diesen Blät¬ tern zu einem Publikum, das für ein selbstständiges, eigenes Urtheil reif geworden. Auch will ich hiermit auf Genossen meines Glau¬ bens so wenig einen Stein werfen, als auf irgend eine andere der bestehenden anerkannten und nicht anerkannten Religionen. Auswüchse giebt es überall, und der Verständige weiß diese genau vom Kern zu unterscheide!?. Was ich hier mittheile, ist nicht Sache des katho¬ lischen Glaubens und möge ja von Niemanden dazu gestempelt wer¬ den! Die Mißgriffe einer zelotischer Parthei können nicht der ge- sammten, unendlich größeren Mehrzahl einer ganzen Körperschaft zur Last fallen. Folgende zerstreute Bemerkungen können hier nicht schweigend übergangen werden: 1) Durch ein allerhöchstes königl. Ministerialrescript ist im Sommer 1845 jedem hannoveranischen Unterthanen der Eintritt in diese Anstalt streng untersagt. Die näheren Gründe, welche die Ne¬ gierung zu diesem energischen Schritt veranlaßt, sind mir nicht be¬ kannt. Wohl hörte ich von einigen auffallenden Beispielen fana¬ tischer Unduldsamkeit, die selbst die katholische höhere Geistlichkeit des Landes gegen diese weltpriesterlichen Jesuiten mißtrauisch gemacht haben sollen. Da ich aber hier nur mittheilen will, was ich theils nach meinen eignen Erlebnissen, theils nach meiner Einsicht in die Schriften des Collegs verbürgen kann, so übergehe ich alle Gerüchte, als nicht in den Bereich meiner Geständnisse gehörend. Rückwirkende Kraft übte jenes Verbot nicht. Die bereits im Lande ansässigen Mitglieder des Collegs (21 an der Zahl) sitzen ruhig auf ihren geistlichen Pfründen. *) Daß ich diesem Eid nicht untreu geworden, sollen die Leser in der dritten Abtheilung erfahren. Die früher und jetzt hierbei gebräuchlichen For¬ mulare finden sie in dem bereits citirten Werke abgedruckt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/206>, abgerufen am 05.02.2025.