Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Eine fast kreisförmige Runde im Umriß des Ganzen, eine kurze, Die beiden Fräuleins, nicht gewöhnt Fremde, zumal nicht-pol¬ Grenzbvte". 18is. IV. 2
Eine fast kreisförmige Runde im Umriß des Ganzen, eine kurze, Die beiden Fräuleins, nicht gewöhnt Fremde, zumal nicht-pol¬ Grenzbvte». 18is. IV. 2
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Eine fast kreisförmige Runde im Umriß des Ganzen, eine kurze,
unter scharfer, aber angenehmer Zeichnung geformte Nase, schwel¬
lende Lippen, ein kurzes, meist gespaltenes Kinn und dunkle Augen,
aus deren Blicke eben so Kühnheit wie Melancholie, wie wollüstige
Hingebung leuchtet, bilden die Physiognomie der Slavin, und diese
weicht natürlich sehr von der der Deutschen ab, und ist dem deut¬
schen Männerauge etwas Ungewohntes, etwas Neues. Diese Neu¬
heit steigert den Reiz des ohnehin gewöhnlich sehr angenehmen Ge¬
sichts ungemein und macht ihn dem Deutschen berauschend und hin¬
reißend. Allgemein Hort man die Deutschen in Polen die Schönheit
der Polinnen preisen und weit über die ihrer Landsmänninnen
schätzen. Doch habe ich auch Beweise davon erhalten, daß das Um¬
gekehrte ebenfalls bestehet, und der Pole die deutschen Frauen für
schön hält, ihr Pflegina ist ihm allerdings widerlich, und in Betracht
dessen bespöttelt er sie gewöhnlich sehr bitter. HeirathSlustige Deut¬
sche in Polen wählen allermeist Polinnen; hierfür aber besteht das
Gegentheil nicht, und gewiß nur in äußerst seltenem Falle dürfte
ein Pole eine Deutsche zur Gattin wählen. Der Grund davon aber
liegt in dem Nationalstolze der Polen. Wir gute Deutsche Pflegen in
unserer Nation, keineswegs ein Kleinod zu fühlen, das so groß
wäre, selbst unsere Liebe in Schranken zu umschließen; wir denken
am Meisten an unsere Personen, halten Gott für unseren König
und uns für Kinder der Erde: und drücken mit gleicher Wallung
eine Gron - oder Feuerländerin an unser Herz, wie eine Deutsche.
Ganz anders die Polen!
Die beiden Fräuleins, nicht gewöhnt Fremde, zumal nicht-pol¬
nische, in dem Hause zu finden, geriethen durch mich in eine gewisse
Verlegenheit, und es bedürfte erst der Nennung meines Namens,
die ich unbedachtsamer Weise ziemlich spät stattfinden ließ, um ihre
Befremdung aufzulösen. Mein Name war ihnen nämlich durch
ihren Bruder bereits bekannt geworden. Nachdem sie einen desto
freundlicheren Gruß mir nachgeliefert, frugen sie mich, ob ich ihren
„Herren" Vater schon gesprochen. Auf meine Verneinung klingelten
sie nach dem Kammerdiener und hießen dem. mich zum „Herren"
zu führen; sie selbst folgten mir. Es war sonderbar; aber die stolze
Sitte ließ es ihnen nicht zu, sich selbst mir zum Führer zu geben,
machte es ihnen aber zur Pflicht, mich zu begleiten.
Grenzbvte». 18is. IV. 2
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