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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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und kahl dastehende elende kleine hölzerne Hütten mit dürren Stroh¬
oder Rohrdächern dem Auge böten.

Die Dörfer im Freistaat Krakau sind nicht anders als die
Dörfer im Königreich Polen und Galizien. Es sind Gruppen von
elenden finsteren Hütten, aus denen nicht einmal die grundherrlichen
"Paläste", sich auszeichnend, hervortreten. Und doch tragen sie, Ab¬
wechselung gebend, zur Schönheit des Bildes bei; ungleich mehr
aber würden sie das Bild verschönen, wären sie von solchem Ansehen,
wie unsere deutschen Dörfer, die sich so malerisch mit ihren rothen
Ziegeldächern, ihren netten Kirchen und schmucken Herrenhäusern aus
den grünen Wäldern und Kränzen von Obstbäumen emporheben.

Eine Dorfkirche ist den ganzen polnischen Lande, also auch im
krakauischen Gebiete, ein sehr seltenes Ding, und wo sich eine befin¬
det, ist sie dem Dorfe kein Schmuck, denn sie ist nicht mehr als eine
hohe, aus Bohlen und Brettern zusammengefügte, hölzerne Bude,
welche nicht von einem Thurme, sondern einem riesenhaften hölzernen
Kreuze bekrönt ist. Statt des Thurmes stehet neben solchen hölzer¬
nen Kirchen gewöhnlich ein mit Stroh oder Schindeln überdecktes,
fünf bis sechs Ellen hohes Balkengerüst, welches die Glocken frei
und für Jedermann zugänglich trügt.

Eben so wenig zieren Obstvlantagen die Dörfer, welche sich
unserem Auge auf dem reizenden L.mdschaftsbilde von Krakau zeig¬
ten. Eben so, wie eine Kirche, ist den polnischen Dörfern eine Obst-
Pflanzung eine Seltenheit. Nur in solchen Dörfern, in welchen ein
Grundherr wohnt, findet sich bisweilen eine. Der polnische Grund¬
herr betrachtet eine Pflanzung veredelter Obstbäume als ein Abzeichen
seines Standes, und so besitzt er gern eine dicht an sejnem Palaste,
doch ist sie selten mehr als ein wildes wirres Gestrüpp. Der Bauer
besitzt aber auch nicht ein Mal einen solchen elenden Obstgarten;
ein Flieder- oder Schlehenbusch ist alles, waS neben seiner Hütte
außer Kraut und Kartoffeln grünt. Sein einziges Obst findet er
im Walde, nämlich auf wilden Birnen- und Apfelbäumen, und die¬
ses schätzt der rohe, bedürfnißlose Mensch so hoch, daß er kaum
Drang empfinden würde, sich edle Früchte durch Anpflanzung ver¬
edelter Bäume zu verschaffen, wenn dies ihm auch vom Grundherrn
gestattet würde.

Je mehr wir uns Krakau näherten, um so mehr schien die


und kahl dastehende elende kleine hölzerne Hütten mit dürren Stroh¬
oder Rohrdächern dem Auge böten.

Die Dörfer im Freistaat Krakau sind nicht anders als die
Dörfer im Königreich Polen und Galizien. Es sind Gruppen von
elenden finsteren Hütten, aus denen nicht einmal die grundherrlichen
„Paläste", sich auszeichnend, hervortreten. Und doch tragen sie, Ab¬
wechselung gebend, zur Schönheit des Bildes bei; ungleich mehr
aber würden sie das Bild verschönen, wären sie von solchem Ansehen,
wie unsere deutschen Dörfer, die sich so malerisch mit ihren rothen
Ziegeldächern, ihren netten Kirchen und schmucken Herrenhäusern aus
den grünen Wäldern und Kränzen von Obstbäumen emporheben.

Eine Dorfkirche ist den ganzen polnischen Lande, also auch im
krakauischen Gebiete, ein sehr seltenes Ding, und wo sich eine befin¬
det, ist sie dem Dorfe kein Schmuck, denn sie ist nicht mehr als eine
hohe, aus Bohlen und Brettern zusammengefügte, hölzerne Bude,
welche nicht von einem Thurme, sondern einem riesenhaften hölzernen
Kreuze bekrönt ist. Statt des Thurmes stehet neben solchen hölzer¬
nen Kirchen gewöhnlich ein mit Stroh oder Schindeln überdecktes,
fünf bis sechs Ellen hohes Balkengerüst, welches die Glocken frei
und für Jedermann zugänglich trügt.

Eben so wenig zieren Obstvlantagen die Dörfer, welche sich
unserem Auge auf dem reizenden L.mdschaftsbilde von Krakau zeig¬
ten. Eben so, wie eine Kirche, ist den polnischen Dörfern eine Obst-
Pflanzung eine Seltenheit. Nur in solchen Dörfern, in welchen ein
Grundherr wohnt, findet sich bisweilen eine. Der polnische Grund¬
herr betrachtet eine Pflanzung veredelter Obstbäume als ein Abzeichen
seines Standes, und so besitzt er gern eine dicht an sejnem Palaste,
doch ist sie selten mehr als ein wildes wirres Gestrüpp. Der Bauer
besitzt aber auch nicht ein Mal einen solchen elenden Obstgarten;
ein Flieder- oder Schlehenbusch ist alles, waS neben seiner Hütte
außer Kraut und Kartoffeln grünt. Sein einziges Obst findet er
im Walde, nämlich auf wilden Birnen- und Apfelbäumen, und die¬
ses schätzt der rohe, bedürfnißlose Mensch so hoch, daß er kaum
Drang empfinden würde, sich edle Früchte durch Anpflanzung ver¬
edelter Bäume zu verschaffen, wenn dies ihm auch vom Grundherrn
gestattet würde.

Je mehr wir uns Krakau näherten, um so mehr schien die


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[0166] und kahl dastehende elende kleine hölzerne Hütten mit dürren Stroh¬ oder Rohrdächern dem Auge böten. Die Dörfer im Freistaat Krakau sind nicht anders als die Dörfer im Königreich Polen und Galizien. Es sind Gruppen von elenden finsteren Hütten, aus denen nicht einmal die grundherrlichen „Paläste", sich auszeichnend, hervortreten. Und doch tragen sie, Ab¬ wechselung gebend, zur Schönheit des Bildes bei; ungleich mehr aber würden sie das Bild verschönen, wären sie von solchem Ansehen, wie unsere deutschen Dörfer, die sich so malerisch mit ihren rothen Ziegeldächern, ihren netten Kirchen und schmucken Herrenhäusern aus den grünen Wäldern und Kränzen von Obstbäumen emporheben. Eine Dorfkirche ist den ganzen polnischen Lande, also auch im krakauischen Gebiete, ein sehr seltenes Ding, und wo sich eine befin¬ det, ist sie dem Dorfe kein Schmuck, denn sie ist nicht mehr als eine hohe, aus Bohlen und Brettern zusammengefügte, hölzerne Bude, welche nicht von einem Thurme, sondern einem riesenhaften hölzernen Kreuze bekrönt ist. Statt des Thurmes stehet neben solchen hölzer¬ nen Kirchen gewöhnlich ein mit Stroh oder Schindeln überdecktes, fünf bis sechs Ellen hohes Balkengerüst, welches die Glocken frei und für Jedermann zugänglich trügt. Eben so wenig zieren Obstvlantagen die Dörfer, welche sich unserem Auge auf dem reizenden L.mdschaftsbilde von Krakau zeig¬ ten. Eben so, wie eine Kirche, ist den polnischen Dörfern eine Obst- Pflanzung eine Seltenheit. Nur in solchen Dörfern, in welchen ein Grundherr wohnt, findet sich bisweilen eine. Der polnische Grund¬ herr betrachtet eine Pflanzung veredelter Obstbäume als ein Abzeichen seines Standes, und so besitzt er gern eine dicht an sejnem Palaste, doch ist sie selten mehr als ein wildes wirres Gestrüpp. Der Bauer besitzt aber auch nicht ein Mal einen solchen elenden Obstgarten; ein Flieder- oder Schlehenbusch ist alles, waS neben seiner Hütte außer Kraut und Kartoffeln grünt. Sein einziges Obst findet er im Walde, nämlich auf wilden Birnen- und Apfelbäumen, und die¬ ses schätzt der rohe, bedürfnißlose Mensch so hoch, daß er kaum Drang empfinden würde, sich edle Früchte durch Anpflanzung ver¬ edelter Bäume zu verschaffen, wenn dies ihm auch vom Grundherrn gestattet würde. Je mehr wir uns Krakau näherten, um so mehr schien die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/166>, abgerufen am 05.02.2025.