Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Capital" erhob. Da nahte sich der befestigende Contreadmiral'und -- Was ist des Deutschen Vaterland ? Wo ist Preußens Haupt¬ -- Wahrend man von oben herab in letzterer Zeit den Schrift- Capital» erhob. Da nahte sich der befestigende Contreadmiral'und — Was ist des Deutschen Vaterland ? Wo ist Preußens Haupt¬ — Wahrend man von oben herab in letzterer Zeit den Schrift- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271412"/> <p xml:id="ID_359" prev="#ID_358"> Capital» erhob. Da nahte sich der befestigende Contreadmiral'und<lb/> machte bescheiden aufmerksam, daß die Beiden Juden seien. Nicolaus<lb/> wollte sein Wort nicht zurücknehmen, forderte aber die zwei neuen<lb/> Officiere auf, zur griechischen Kirche überzugehen. Aus das Verstum¬<lb/> men der Beiden fuhr sie der Kaiser unwillig an, worauf die Zwei<lb/> nach einigen leise gewechselten Worten den Kaiser baten, ihm zuvor<lb/> noch ihre ganze Geschicklichkeit im Tauchen zeigen zu dürfen, um<lb/> seiner Gnade sich recht verdient zu machen. Auf ein bewilligendes<lb/> Zeichen faßten die beiden Männer einander um den Leib, sprangen<lb/> in's Meer und — kamen nicht wieder zum Vorschein.</p><lb/> <p xml:id="ID_360"> — Was ist des Deutschen Vaterland ? Wo ist Preußens Haupt¬<lb/> stadt? Biedermann's Monatsschrift und Herold werden in Preußen<lb/> verboten — und aus Berlin und Breslau verlautet nichts darüber —<lb/> aber in Münster macht die Behörde die Maßregel in den Zeitungen<lb/> bekannt. Ist Münster tiefer in die Geheimnisse des preußischen Mi¬<lb/> nisteriums eingeweiht, als die übrigen preußischen Städte?</p><lb/> <p xml:id="ID_361" next="#ID_362"> — Wahrend man von oben herab in letzterer Zeit den Schrift-<lb/> stellerstand mehr als je beengt und seinen einzelnen Mitgliedern in den<lb/> deutschen Städten die Gastfreundschaft gekündigt wird, drangen sich<lb/> fortwährend aus allen Klassen der Gesellschaft neue Freiwillige zu sei¬<lb/> nen Fahnen; selbst Männer, die auf andern Gebieten der schönen<lb/> Künste einen bereits gesicherten ehrenvollen Namen sich erobert haben,<lb/> greifen zur Feder, um auf dem schriftstellerischen Gebiete im Wett¬<lb/> rennen mitzukämpfen; Maler und Musiker schieben zwischen Pallette<lb/> und Piano das zeilenschwangere Dintenfaß hin, und nun kommen<lb/> sogar die Schauspieler und vertauschen die Lust ihrer Nothschminke<lb/> auf den Wangen mit den ernsten schwarzen Gallapfelflecken an den<lb/> Fingern. Da liegt eine bei Otto Wiganv so eben erschienene Schrift:<lb/> „Aus dem Tagebuche eines alten Komödianten" vor uns; flüchtige<lb/> Blatter, die, aneinandergereiht, durch keinen rothen Faden verbunden<lb/> werden, als durch den einer gemüthvollen und doch heitern Indivi¬<lb/> dualität. Styl und Anschauungsweise verrathen überall den naiven<lb/> Oesterreicher, den schriftstellerischen Dilettanten. Und doch steht dieses<lb/> Tagebuch mitten in der Zeit und streift mit seinen flüchtigen Flügeln<lb/> die leichte Decke von mancher Wunde ab, an der unsere socialen Zu¬<lb/> stande kranken. Der alte Komödiant — der übrigens erst ein Mann<lb/> von einunddreißig Jahren ist — ist viel gereist, hat viel gesehen, viel<lb/> erlebt. Es ist Franz Wallner, der gemüthreiche Komiker, den so viele<lb/> deutsche Städte von der Bühne herab kennen, der so viele angenehme<lb/> und erquickliche Abende Tausenden bereitet. Dieses Tagebuch ist eigent¬<lb/> lich eine geschriebene Fortsetzung der gespielten Genrestücke. Wir wissen<lb/> nicht, ob Wallncr diese schriftstellerischen Cabinelstücke wirklich am<lb/> Tage schreibt, aber es hin? Schmerzenslaute inmitten dieser heitern<lb/> Töne, welche die Nachtseite des Lebens berühren, wie in jenen Rai-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
Capital» erhob. Da nahte sich der befestigende Contreadmiral'und
machte bescheiden aufmerksam, daß die Beiden Juden seien. Nicolaus
wollte sein Wort nicht zurücknehmen, forderte aber die zwei neuen
Officiere auf, zur griechischen Kirche überzugehen. Aus das Verstum¬
men der Beiden fuhr sie der Kaiser unwillig an, worauf die Zwei
nach einigen leise gewechselten Worten den Kaiser baten, ihm zuvor
noch ihre ganze Geschicklichkeit im Tauchen zeigen zu dürfen, um
seiner Gnade sich recht verdient zu machen. Auf ein bewilligendes
Zeichen faßten die beiden Männer einander um den Leib, sprangen
in's Meer und — kamen nicht wieder zum Vorschein.
— Was ist des Deutschen Vaterland ? Wo ist Preußens Haupt¬
stadt? Biedermann's Monatsschrift und Herold werden in Preußen
verboten — und aus Berlin und Breslau verlautet nichts darüber —
aber in Münster macht die Behörde die Maßregel in den Zeitungen
bekannt. Ist Münster tiefer in die Geheimnisse des preußischen Mi¬
nisteriums eingeweiht, als die übrigen preußischen Städte?
— Wahrend man von oben herab in letzterer Zeit den Schrift-
stellerstand mehr als je beengt und seinen einzelnen Mitgliedern in den
deutschen Städten die Gastfreundschaft gekündigt wird, drangen sich
fortwährend aus allen Klassen der Gesellschaft neue Freiwillige zu sei¬
nen Fahnen; selbst Männer, die auf andern Gebieten der schönen
Künste einen bereits gesicherten ehrenvollen Namen sich erobert haben,
greifen zur Feder, um auf dem schriftstellerischen Gebiete im Wett¬
rennen mitzukämpfen; Maler und Musiker schieben zwischen Pallette
und Piano das zeilenschwangere Dintenfaß hin, und nun kommen
sogar die Schauspieler und vertauschen die Lust ihrer Nothschminke
auf den Wangen mit den ernsten schwarzen Gallapfelflecken an den
Fingern. Da liegt eine bei Otto Wiganv so eben erschienene Schrift:
„Aus dem Tagebuche eines alten Komödianten" vor uns; flüchtige
Blatter, die, aneinandergereiht, durch keinen rothen Faden verbunden
werden, als durch den einer gemüthvollen und doch heitern Indivi¬
dualität. Styl und Anschauungsweise verrathen überall den naiven
Oesterreicher, den schriftstellerischen Dilettanten. Und doch steht dieses
Tagebuch mitten in der Zeit und streift mit seinen flüchtigen Flügeln
die leichte Decke von mancher Wunde ab, an der unsere socialen Zu¬
stande kranken. Der alte Komödiant — der übrigens erst ein Mann
von einunddreißig Jahren ist — ist viel gereist, hat viel gesehen, viel
erlebt. Es ist Franz Wallner, der gemüthreiche Komiker, den so viele
deutsche Städte von der Bühne herab kennen, der so viele angenehme
und erquickliche Abende Tausenden bereitet. Dieses Tagebuch ist eigent¬
lich eine geschriebene Fortsetzung der gespielten Genrestücke. Wir wissen
nicht, ob Wallncr diese schriftstellerischen Cabinelstücke wirklich am
Tage schreibt, aber es hin? Schmerzenslaute inmitten dieser heitern
Töne, welche die Nachtseite des Lebens berühren, wie in jenen Rai-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |