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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Sohne entdecken, von dem er wußte, daß er eine gewisse Summe bei
sich führe, und gleichwohl brannte er von dem leicht zu erklärenden
Wunsche, mit Hülfe eines geringen Einsatzes seinen Verlust wieder
zu gewinnen. Die Folge dieses innern Zwiespalts war, daß er sich
Nachts heimlich in das Zimmer seines schlafenden Sohnes stahl und
das benöthigte Geld aus dessen Brieftasche nehmen wollte. Der arme
Mann war indeß zu ungeschickt in diesem Handwerk, das ihm jeder¬
zeit fremd gewesen, um nicht von dem aufgestörten Besitzer im Dunkel
ergriffen und festgehalten zu werden. Man denke sich nun die grä߬
liche Scene, als auf den Ruf des Bestohlenen Kellner und Stuben¬
mädchen mit Lichtern herbeistürzen und der Sohn den Vater am
Kragen hält! Es waltete hierbei noch ein günstiger Stern, da der
Bedrohte wohl eben so gut dem unerkannten Dieb in der Finsterniß
eine Kugel hätte in den Leib jagen können, denn eine geladene Pistole
hatte der junge Mann in der That unter dem Kopfkissen verborgen.

Die letzte Kunstausstellung umfaßte eine Anzahl von 250 Bil¬
dern, wovon ungefähr 80 von einheimischen Künstlern kamen, die in¬
dessen nicht Alle im Lande selbst leben. Diese Zahl beweist einen
starken Fortschritt im Gedeihen der vaterländischen Malerei, von wel¬
cher man nur wünschen muß, sie möchte eben so an Tiefe und Werth
gewinnen, als sie an Technik und Pinselzahl zunimmt. Es hat der
diesjährigen Ausstellung nicht wenig geschadet, daß der beste der un¬
garischen Maler, der in Italien weilende Landschafter Marko diesmal
nichts beigesteuert; er sandte seine Produkte lieber nach Wien und
München, und im Grunde kann ihm dies Niemand verdenken. Seine
Theilnahme an der hiesigen Ausstellung hat ihm leider bis jetzt weder
Gewinn noch ein auf Verständniß basirtes Lob eingetragen. Das un¬
garische Publikum ist in ästhetischer Beziehung noch wenig gebildet.
Auch besitzt unsere jugendliche Stadt zu wenig artistische Bildungs¬
mittel, um den Sinn der Menge für feineren Kunstgenuß allmählig
heranzubilden, denn die lange Leidensschule des türkischen Druckes und
die blutigen Wirren des Bürgerkrieges waren leider nicht dazu geeig¬
net, zahlreiche und auserlesene Kunstsammlungen zu pflegen, und der
jetzige Nationalaufschwung ist noch von all zu neuem Datum, um
in dieser Beziehung schon Großes vollbracht zu haben. In dieser
Hinsicht wie noch in mancher andern sind wir auf die Zukunft ange¬
wiesen, obschon es sich nicht läugnen läßt, daß hierin Manches in
schnellster Frist erzielt werden könnte, wenn die ersten Magnaten des
Landes, zumal der Fürst Esterhazy, Mit einem guten Beispiele voran¬
gehen wollten. Mehre der reichsten Edelleute besitzen werthvolle Gal-
lerien, doch meistens befinden sich diese in ihren Palästen zu Wien
oder auf entlegenen Schlössern, wo sie im Staube vermodern; wollten
sich einige derselben dazu entschließen, ihren Bilderschatz in die Haupt¬
stadt Ungarns zu verlegen und dem öffentlichen Besuche zugänglich


Sohne entdecken, von dem er wußte, daß er eine gewisse Summe bei
sich führe, und gleichwohl brannte er von dem leicht zu erklärenden
Wunsche, mit Hülfe eines geringen Einsatzes seinen Verlust wieder
zu gewinnen. Die Folge dieses innern Zwiespalts war, daß er sich
Nachts heimlich in das Zimmer seines schlafenden Sohnes stahl und
das benöthigte Geld aus dessen Brieftasche nehmen wollte. Der arme
Mann war indeß zu ungeschickt in diesem Handwerk, das ihm jeder¬
zeit fremd gewesen, um nicht von dem aufgestörten Besitzer im Dunkel
ergriffen und festgehalten zu werden. Man denke sich nun die grä߬
liche Scene, als auf den Ruf des Bestohlenen Kellner und Stuben¬
mädchen mit Lichtern herbeistürzen und der Sohn den Vater am
Kragen hält! Es waltete hierbei noch ein günstiger Stern, da der
Bedrohte wohl eben so gut dem unerkannten Dieb in der Finsterniß
eine Kugel hätte in den Leib jagen können, denn eine geladene Pistole
hatte der junge Mann in der That unter dem Kopfkissen verborgen.

Die letzte Kunstausstellung umfaßte eine Anzahl von 250 Bil¬
dern, wovon ungefähr 80 von einheimischen Künstlern kamen, die in¬
dessen nicht Alle im Lande selbst leben. Diese Zahl beweist einen
starken Fortschritt im Gedeihen der vaterländischen Malerei, von wel¬
cher man nur wünschen muß, sie möchte eben so an Tiefe und Werth
gewinnen, als sie an Technik und Pinselzahl zunimmt. Es hat der
diesjährigen Ausstellung nicht wenig geschadet, daß der beste der un¬
garischen Maler, der in Italien weilende Landschafter Marko diesmal
nichts beigesteuert; er sandte seine Produkte lieber nach Wien und
München, und im Grunde kann ihm dies Niemand verdenken. Seine
Theilnahme an der hiesigen Ausstellung hat ihm leider bis jetzt weder
Gewinn noch ein auf Verständniß basirtes Lob eingetragen. Das un¬
garische Publikum ist in ästhetischer Beziehung noch wenig gebildet.
Auch besitzt unsere jugendliche Stadt zu wenig artistische Bildungs¬
mittel, um den Sinn der Menge für feineren Kunstgenuß allmählig
heranzubilden, denn die lange Leidensschule des türkischen Druckes und
die blutigen Wirren des Bürgerkrieges waren leider nicht dazu geeig¬
net, zahlreiche und auserlesene Kunstsammlungen zu pflegen, und der
jetzige Nationalaufschwung ist noch von all zu neuem Datum, um
in dieser Beziehung schon Großes vollbracht zu haben. In dieser
Hinsicht wie noch in mancher andern sind wir auf die Zukunft ange¬
wiesen, obschon es sich nicht läugnen läßt, daß hierin Manches in
schnellster Frist erzielt werden könnte, wenn die ersten Magnaten des
Landes, zumal der Fürst Esterhazy, Mit einem guten Beispiele voran¬
gehen wollten. Mehre der reichsten Edelleute besitzen werthvolle Gal-
lerien, doch meistens befinden sich diese in ihren Palästen zu Wien
oder auf entlegenen Schlössern, wo sie im Staube vermodern; wollten
sich einige derselben dazu entschließen, ihren Bilderschatz in die Haupt¬
stadt Ungarns zu verlegen und dem öffentlichen Besuche zugänglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/142>, abgerufen am 05.02.2025.