Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.erlaube ich mir nicht, und verlange auch nicht, daß der Censor mir Das Amt des Censors ist eins der neuesten, welche der Staat Was ist besser, ein geistreicher Censor oder ein beschränkter? Ein geistreicher Censor ist nicht leicht zu hintergehen; das ist erlaube ich mir nicht, und verlange auch nicht, daß der Censor mir Das Amt des Censors ist eins der neuesten, welche der Staat Was ist besser, ein geistreicher Censor oder ein beschränkter? Ein geistreicher Censor ist nicht leicht zu hintergehen; das ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271271"/> <p xml:id="ID_3" prev="#ID_2"> erlaube ich mir nicht, und verlange auch nicht, daß der Censor mir<lb/> dergleichen erlaubt.</p><lb/> <p xml:id="ID_4"> Das Amt des Censors ist eins der neuesten, welche der Staat<lb/> creirt hat; um so mehr möchte eine Besprechung der dazu nöthigen<lb/> Eigenschaften zweckmäßig sein, denn Nichts ist vollkommen auf einmal,<lb/> und junge Institutionen bedürfen vorzugsweise der Erfahrung. Auch<lb/> ist das Amt des Censors kein vorübergehendes, welches einer sorg¬<lb/> fältigen wissenschaftlichen Begründung nicht werth wäre, weil seine<lb/> ephemere Eristenz von dem Strome der Zeit schneller hinweggerafft<lb/> werden würde, als man mit der Ergründung seiner Natur und mit<lb/> den Anforderungen, die man an diese Idee zu machen habe, ins<lb/> Reine gekommen wäre. Wenn nicht Alles täuscht, so scheint die<lb/> Institution eine bleibende (?) und für unser modernes deutsches Staats¬<lb/> leben höchst bedeutende und wesentliche werden zu wollen. Um so<lb/> mehr ist eine gründliche Untersuchung darüber nützlich und pflichtgemäß.</p><lb/> <p xml:id="ID_5"> Was ist besser, ein geistreicher Censor oder ein beschränkter?<lb/> Ich habe über diese Frage viel nachgedacht, und bin mit der Ant¬<lb/> wort noch immer nicht im Reinen. Ob die Censur überhaupt gut<lb/> sei, oder nicht, darüber erlaube ich mir im Augenblicke keine Ansicht.<lb/> Meine rechtlichen und gebildeten Leser werden zweifelsohne darüber<lb/> nur eine Meinung haben; ebenso meine philosophischen Leser. Sie<lb/> werden mir zugeben, daß, wenn nach Hegel Alles, was ist, ver¬<lb/> nünftig ist, auch die Censur vernünftig sein müßte, sobald einmal<lb/> ihr Dasein gewiß. Ob aber die Censur wirklich da sei, oder<lb/> nicht, darüber kann Niemand ein kompetenteres, auf Erfahrung ge¬<lb/> gründeteres Urtheil abgeben, als ein Journalist. Alle meine Leser<lb/> daher, die über das Dasein der Censur in Ungewißheit sein sollten,<lb/> bitte ich, mir Glauben zu schenken, wenn ich sie versichere, daß die<lb/> Censur wirklich da, also vernünftig sei. Ueber manche Zeiterschei¬<lb/> nungen bin ich mit mir noch nicht im Reinen, ich hege manche Zweifel<lb/> über Manches. An der Censur aber zweifele ich nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_6" next="#ID_7"> Ein geistreicher Censor ist nicht leicht zu hintergehen; das ist<lb/> jedenfalls ein Nachtheil. Man mag den Gedanken in noch so milde<lb/> Ausdrücke einwickeln, man mag ihn noch so bescheiden und süß und<lb/> einschmeichelnd mit noch so unschuldiger, argloser Miene vortragen,<lb/> man mag noch so viel bestehende, legitime Redensarten um ihn<lb/> herumhängen, das hilft Alles nichts. Der geistreiche Censor durch-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
erlaube ich mir nicht, und verlange auch nicht, daß der Censor mir
dergleichen erlaubt.
Das Amt des Censors ist eins der neuesten, welche der Staat
creirt hat; um so mehr möchte eine Besprechung der dazu nöthigen
Eigenschaften zweckmäßig sein, denn Nichts ist vollkommen auf einmal,
und junge Institutionen bedürfen vorzugsweise der Erfahrung. Auch
ist das Amt des Censors kein vorübergehendes, welches einer sorg¬
fältigen wissenschaftlichen Begründung nicht werth wäre, weil seine
ephemere Eristenz von dem Strome der Zeit schneller hinweggerafft
werden würde, als man mit der Ergründung seiner Natur und mit
den Anforderungen, die man an diese Idee zu machen habe, ins
Reine gekommen wäre. Wenn nicht Alles täuscht, so scheint die
Institution eine bleibende (?) und für unser modernes deutsches Staats¬
leben höchst bedeutende und wesentliche werden zu wollen. Um so
mehr ist eine gründliche Untersuchung darüber nützlich und pflichtgemäß.
Was ist besser, ein geistreicher Censor oder ein beschränkter?
Ich habe über diese Frage viel nachgedacht, und bin mit der Ant¬
wort noch immer nicht im Reinen. Ob die Censur überhaupt gut
sei, oder nicht, darüber erlaube ich mir im Augenblicke keine Ansicht.
Meine rechtlichen und gebildeten Leser werden zweifelsohne darüber
nur eine Meinung haben; ebenso meine philosophischen Leser. Sie
werden mir zugeben, daß, wenn nach Hegel Alles, was ist, ver¬
nünftig ist, auch die Censur vernünftig sein müßte, sobald einmal
ihr Dasein gewiß. Ob aber die Censur wirklich da sei, oder
nicht, darüber kann Niemand ein kompetenteres, auf Erfahrung ge¬
gründeteres Urtheil abgeben, als ein Journalist. Alle meine Leser
daher, die über das Dasein der Censur in Ungewißheit sein sollten,
bitte ich, mir Glauben zu schenken, wenn ich sie versichere, daß die
Censur wirklich da, also vernünftig sei. Ueber manche Zeiterschei¬
nungen bin ich mit mir noch nicht im Reinen, ich hege manche Zweifel
über Manches. An der Censur aber zweifele ich nicht.
Ein geistreicher Censor ist nicht leicht zu hintergehen; das ist
jedenfalls ein Nachtheil. Man mag den Gedanken in noch so milde
Ausdrücke einwickeln, man mag ihn noch so bescheiden und süß und
einschmeichelnd mit noch so unschuldiger, argloser Miene vortragen,
man mag noch so viel bestehende, legitime Redensarten um ihn
herumhängen, das hilft Alles nichts. Der geistreiche Censor durch-
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