Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Consumenten höchst ersprießliche Weise herabgedrückt werden. So be¬
zahlt z. B. eine Buchhandlung am Graben im Sparkassengebäude
jährlich viertausend si. C. M., ohne die Niederlagslocalität zu rechnen,
die sie wegen Raummangel in einer entfernten Vorstadt besonders in
Miethe nehmen muß. Zugleich wünscht man einen großartig ein¬
gerichteten Gasthof, wie er der Kaiserstadt noch immer fehlt und wie
ihn die meisten Städte in Deutschland und der Schweiz besitzen. Zwei
geräumige Marktplatze böten dann noch eine würdige Stätte zur Auf¬
richtung eherner Standbilder, wozu man die in der vaterländischen
Geschichte ruhmvoll prangende Kaiserin Maria Theresia ausersehen
hat. Zuletzt würde sich wohl noch eine Stelle finden für ein Post¬
haus, das Wien zur Stunde weit nöthiger wäre, als etwa eine neue
Kirche, denn das gegenwärtige ist blos ein Poststall.

Die in einigen Provinzen ausgebrochene Rinderpest hat hier an¬
fänglich die Besorgniß rege gemacht, es werde ein Viehmangel und
in Folge davon eine Flcischtheuerung eintreten. Die Metzger, die bei
dem System der Taxirung alle sehr reich sind, arbeiteten auch gewal¬
tig an dem guten Wecke und verschmähten deshalb nicht, die grauen¬
vollsten Berichte von den unerhörten Verwüstungen auszustreuen, die
die Seuche unter den Heerden angerichtet haben sollte. Die Regierung
hat darum den Director der hiesigen Thierarzneischule, Eckl, nach
Böhmen gesandt, um an Ort und Stelle die Wirkungen der Krank¬
heit zu beobachten. Die von ihm sowohl, als den Kreisämtern in
Oesterreich und Mähren eingeschickten Berichte widerlegen vollkommen
jene übertriebenen Angaben, und besonders fängt die Seuche, welche
nach den ärztlichen Disectionen eine auffallende Aehnlichkeit mit dem
unter der menschlichen Bevölkerung wüthenden Typhus hat, in den
Umgebungen Wiens sehr milde auf, wo wohl einzelne Viehpächter irr
Schaden kamen, aber das vorbereitete Aufschlagen der Fleischpreise
keineswegs gerechtfertigt erscheint. Im Monat November sind i>n
gesammten Königreich Böhmen in siebenundsiebzig Ortschaften fünf¬
zehnhundert Stück Vieh erkrankt und davon eintausend vierhundert
achtzig Stück entweder gefallen oder geschlagen worden, woraus her¬
vorgeht, daß das Viehheerden bei Weitem nicht jene Ausdehnung ge¬
nommen hat, als es in den blutigen Visionen der Metzger bereits
besaß. Die Regierung befolgt gegen den schmutzigen Zunftgeist dieser
Unersättlichen ein weises System, das bald zum Ziele führen muß,
indem es die Zunft selber zur Bitte um Aufhebung der Fleischtaxe
zwingen wird. Sie ist nämlich fest entschlossen, dem eigennützigen
Begehren der Metzger zu steuern und die Taxe ohne außerordentliche
Veranlassung über neun Kreuzer für das Pfund zu erhöhen; zumal
ertheilt sie fortwährend Gcwerbebefugnisse an Neuangesessene und ver¬
mehrt dadurch die Anzahl der Fleischer in dem Maße, daß dieselben


Consumenten höchst ersprießliche Weise herabgedrückt werden. So be¬
zahlt z. B. eine Buchhandlung am Graben im Sparkassengebäude
jährlich viertausend si. C. M., ohne die Niederlagslocalität zu rechnen,
die sie wegen Raummangel in einer entfernten Vorstadt besonders in
Miethe nehmen muß. Zugleich wünscht man einen großartig ein¬
gerichteten Gasthof, wie er der Kaiserstadt noch immer fehlt und wie
ihn die meisten Städte in Deutschland und der Schweiz besitzen. Zwei
geräumige Marktplatze böten dann noch eine würdige Stätte zur Auf¬
richtung eherner Standbilder, wozu man die in der vaterländischen
Geschichte ruhmvoll prangende Kaiserin Maria Theresia ausersehen
hat. Zuletzt würde sich wohl noch eine Stelle finden für ein Post¬
haus, das Wien zur Stunde weit nöthiger wäre, als etwa eine neue
Kirche, denn das gegenwärtige ist blos ein Poststall.

Die in einigen Provinzen ausgebrochene Rinderpest hat hier an¬
fänglich die Besorgniß rege gemacht, es werde ein Viehmangel und
in Folge davon eine Flcischtheuerung eintreten. Die Metzger, die bei
dem System der Taxirung alle sehr reich sind, arbeiteten auch gewal¬
tig an dem guten Wecke und verschmähten deshalb nicht, die grauen¬
vollsten Berichte von den unerhörten Verwüstungen auszustreuen, die
die Seuche unter den Heerden angerichtet haben sollte. Die Regierung
hat darum den Director der hiesigen Thierarzneischule, Eckl, nach
Böhmen gesandt, um an Ort und Stelle die Wirkungen der Krank¬
heit zu beobachten. Die von ihm sowohl, als den Kreisämtern in
Oesterreich und Mähren eingeschickten Berichte widerlegen vollkommen
jene übertriebenen Angaben, und besonders fängt die Seuche, welche
nach den ärztlichen Disectionen eine auffallende Aehnlichkeit mit dem
unter der menschlichen Bevölkerung wüthenden Typhus hat, in den
Umgebungen Wiens sehr milde auf, wo wohl einzelne Viehpächter irr
Schaden kamen, aber das vorbereitete Aufschlagen der Fleischpreise
keineswegs gerechtfertigt erscheint. Im Monat November sind i>n
gesammten Königreich Böhmen in siebenundsiebzig Ortschaften fünf¬
zehnhundert Stück Vieh erkrankt und davon eintausend vierhundert
achtzig Stück entweder gefallen oder geschlagen worden, woraus her¬
vorgeht, daß das Viehheerden bei Weitem nicht jene Ausdehnung ge¬
nommen hat, als es in den blutigen Visionen der Metzger bereits
besaß. Die Regierung befolgt gegen den schmutzigen Zunftgeist dieser
Unersättlichen ein weises System, das bald zum Ziele führen muß,
indem es die Zunft selber zur Bitte um Aufhebung der Fleischtaxe
zwingen wird. Sie ist nämlich fest entschlossen, dem eigennützigen
Begehren der Metzger zu steuern und die Taxe ohne außerordentliche
Veranlassung über neun Kreuzer für das Pfund zu erhöhen; zumal
ertheilt sie fortwährend Gcwerbebefugnisse an Neuangesessene und ver¬
mehrt dadurch die Anzahl der Fleischer in dem Maße, daß dieselben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269513"/>
            <p xml:id="ID_322" prev="#ID_321"> Consumenten höchst ersprießliche Weise herabgedrückt werden. So be¬<lb/>
zahlt z. B. eine Buchhandlung am Graben im Sparkassengebäude<lb/>
jährlich viertausend si. C. M., ohne die Niederlagslocalität zu rechnen,<lb/>
die sie wegen Raummangel in einer entfernten Vorstadt besonders in<lb/>
Miethe nehmen muß. Zugleich wünscht man einen großartig ein¬<lb/>
gerichteten Gasthof, wie er der Kaiserstadt noch immer fehlt und wie<lb/>
ihn die meisten Städte in Deutschland und der Schweiz besitzen. Zwei<lb/>
geräumige Marktplatze böten dann noch eine würdige Stätte zur Auf¬<lb/>
richtung eherner Standbilder, wozu man die in der vaterländischen<lb/>
Geschichte ruhmvoll prangende Kaiserin Maria Theresia ausersehen<lb/>
hat. Zuletzt würde sich wohl noch eine Stelle finden für ein Post¬<lb/>
haus, das Wien zur Stunde weit nöthiger wäre, als etwa eine neue<lb/>
Kirche, denn das gegenwärtige ist blos ein Poststall.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_323" next="#ID_324"> Die in einigen Provinzen ausgebrochene Rinderpest hat hier an¬<lb/>
fänglich die Besorgniß rege gemacht, es werde ein Viehmangel und<lb/>
in Folge davon eine Flcischtheuerung eintreten. Die Metzger, die bei<lb/>
dem System der Taxirung alle sehr reich sind, arbeiteten auch gewal¬<lb/>
tig an dem guten Wecke und verschmähten deshalb nicht, die grauen¬<lb/>
vollsten Berichte von den unerhörten Verwüstungen auszustreuen, die<lb/>
die Seuche unter den Heerden angerichtet haben sollte. Die Regierung<lb/>
hat darum den Director der hiesigen Thierarzneischule, Eckl, nach<lb/>
Böhmen gesandt, um an Ort und Stelle die Wirkungen der Krank¬<lb/>
heit zu beobachten. Die von ihm sowohl, als den Kreisämtern in<lb/>
Oesterreich und Mähren eingeschickten Berichte widerlegen vollkommen<lb/>
jene übertriebenen Angaben, und besonders fängt die Seuche, welche<lb/>
nach den ärztlichen Disectionen eine auffallende Aehnlichkeit mit dem<lb/>
unter der menschlichen Bevölkerung wüthenden Typhus hat, in den<lb/>
Umgebungen Wiens sehr milde auf, wo wohl einzelne Viehpächter irr<lb/>
Schaden kamen, aber das vorbereitete Aufschlagen der Fleischpreise<lb/>
keineswegs gerechtfertigt erscheint. Im Monat November sind i&gt;n<lb/>
gesammten Königreich Böhmen in siebenundsiebzig Ortschaften fünf¬<lb/>
zehnhundert Stück Vieh erkrankt und davon eintausend vierhundert<lb/>
achtzig Stück entweder gefallen oder geschlagen worden, woraus her¬<lb/>
vorgeht, daß das Viehheerden bei Weitem nicht jene Ausdehnung ge¬<lb/>
nommen hat, als es in den blutigen Visionen der Metzger bereits<lb/>
besaß. Die Regierung befolgt gegen den schmutzigen Zunftgeist dieser<lb/>
Unersättlichen ein weises System, das bald zum Ziele führen muß,<lb/>
indem es die Zunft selber zur Bitte um Aufhebung der Fleischtaxe<lb/>
zwingen wird. Sie ist nämlich fest entschlossen, dem eigennützigen<lb/>
Begehren der Metzger zu steuern und die Taxe ohne außerordentliche<lb/>
Veranlassung über neun Kreuzer für das Pfund zu erhöhen; zumal<lb/>
ertheilt sie fortwährend Gcwerbebefugnisse an Neuangesessene und ver¬<lb/>
mehrt dadurch die Anzahl der Fleischer in dem Maße, daß dieselben</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0096] Consumenten höchst ersprießliche Weise herabgedrückt werden. So be¬ zahlt z. B. eine Buchhandlung am Graben im Sparkassengebäude jährlich viertausend si. C. M., ohne die Niederlagslocalität zu rechnen, die sie wegen Raummangel in einer entfernten Vorstadt besonders in Miethe nehmen muß. Zugleich wünscht man einen großartig ein¬ gerichteten Gasthof, wie er der Kaiserstadt noch immer fehlt und wie ihn die meisten Städte in Deutschland und der Schweiz besitzen. Zwei geräumige Marktplatze böten dann noch eine würdige Stätte zur Auf¬ richtung eherner Standbilder, wozu man die in der vaterländischen Geschichte ruhmvoll prangende Kaiserin Maria Theresia ausersehen hat. Zuletzt würde sich wohl noch eine Stelle finden für ein Post¬ haus, das Wien zur Stunde weit nöthiger wäre, als etwa eine neue Kirche, denn das gegenwärtige ist blos ein Poststall. Die in einigen Provinzen ausgebrochene Rinderpest hat hier an¬ fänglich die Besorgniß rege gemacht, es werde ein Viehmangel und in Folge davon eine Flcischtheuerung eintreten. Die Metzger, die bei dem System der Taxirung alle sehr reich sind, arbeiteten auch gewal¬ tig an dem guten Wecke und verschmähten deshalb nicht, die grauen¬ vollsten Berichte von den unerhörten Verwüstungen auszustreuen, die die Seuche unter den Heerden angerichtet haben sollte. Die Regierung hat darum den Director der hiesigen Thierarzneischule, Eckl, nach Böhmen gesandt, um an Ort und Stelle die Wirkungen der Krank¬ heit zu beobachten. Die von ihm sowohl, als den Kreisämtern in Oesterreich und Mähren eingeschickten Berichte widerlegen vollkommen jene übertriebenen Angaben, und besonders fängt die Seuche, welche nach den ärztlichen Disectionen eine auffallende Aehnlichkeit mit dem unter der menschlichen Bevölkerung wüthenden Typhus hat, in den Umgebungen Wiens sehr milde auf, wo wohl einzelne Viehpächter irr Schaden kamen, aber das vorbereitete Aufschlagen der Fleischpreise keineswegs gerechtfertigt erscheint. Im Monat November sind i>n gesammten Königreich Böhmen in siebenundsiebzig Ortschaften fünf¬ zehnhundert Stück Vieh erkrankt und davon eintausend vierhundert achtzig Stück entweder gefallen oder geschlagen worden, woraus her¬ vorgeht, daß das Viehheerden bei Weitem nicht jene Ausdehnung ge¬ nommen hat, als es in den blutigen Visionen der Metzger bereits besaß. Die Regierung befolgt gegen den schmutzigen Zunftgeist dieser Unersättlichen ein weises System, das bald zum Ziele führen muß, indem es die Zunft selber zur Bitte um Aufhebung der Fleischtaxe zwingen wird. Sie ist nämlich fest entschlossen, dem eigennützigen Begehren der Metzger zu steuern und die Taxe ohne außerordentliche Veranlassung über neun Kreuzer für das Pfund zu erhöhen; zumal ertheilt sie fortwährend Gcwerbebefugnisse an Neuangesessene und ver¬ mehrt dadurch die Anzahl der Fleischer in dem Maße, daß dieselben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/96
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/96>, abgerufen am 22.07.2024.