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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Um nun aber als ein honetter Wiener diesen Bericht zu schlie¬
ßen, muß ich wie am Eingange so am Ausgange aus das Essen
zurückkommen. Für 6 si. (4 Thaler) das Couvert waren Wein und
Speisen so herzlich schlecht, daß es der abstracteste Hegelianer nicht
schlechter hätte wünschen können. Wien steht am Vorabende einer
großen Krisis -- der Magen wird enger, das Herz und die Gedan¬
ken erweitern sich. --




Äußerung, die man bisher niemals auf einer österreichischen Bühne zu hören
bekam. So wären denn auch für Oesterreich die Zeiten vorüber, in denen es
Leuten wie Prcchtler, Weidmann ?c. gelungen war, durch loyale Tiraden of¬
fiziellen Beifall zu gewinnen ; auch das im thierischen Leben versumpfteste deut¬
sche Volk fängt an persönlich zu werden und der gestern über alle Grenzen
hervorbrechende Beifall erschien den Aufmerksamer als -- kein Beifall, d. h.
nach anderen Seiten hin, die Machthaber werden ihn nicht für sich deuten.
Zwei Regisseure mußten durch Dankesversicherungen im Namen des Verfassers
den nicht enden wollenden Sturm wiederholt beschwichtigen. Aus den Logen
erscholl es natürlich- nicht so laut. Als Einer im Stücke sagte: "Es muß
doch ein eigenes Gefühl sein, so einen Fürsten zu sehen, einen geborenen",
woraus ihm der Andere erwiedert: "Nun, geboren sind wir Alle", erscholl ein
ungeheueres Gelächter. Der Hof war übrigens nicht zugegen -- wohl nur
zufällig --. Bauernfeld sagte " * ": Wenn die Censur, mißgestimmt
durch den Beifall, bei den folgenden Aufführungen das Geringste streichen soll¬
te, so verzichte er aus die Tantieme und nehme das Stück zurück.
' Noch ein anderer Brief sagt: "Bauernfelds deutscher Krieger wird sich
sicher halte", weniger wett das Stück ein gut gemachtes ist, als weil Charak¬
terzeichnung und besonders mannhafter Freimuth und echt deutsche Gesinnung
es vor allen bisherigen Leistungen Bauernfeld's auszeichnen."

Um nun aber als ein honetter Wiener diesen Bericht zu schlie¬
ßen, muß ich wie am Eingange so am Ausgange aus das Essen
zurückkommen. Für 6 si. (4 Thaler) das Couvert waren Wein und
Speisen so herzlich schlecht, daß es der abstracteste Hegelianer nicht
schlechter hätte wünschen können. Wien steht am Vorabende einer
großen Krisis — der Magen wird enger, das Herz und die Gedan¬
ken erweitern sich. —




Äußerung, die man bisher niemals auf einer österreichischen Bühne zu hören
bekam. So wären denn auch für Oesterreich die Zeiten vorüber, in denen es
Leuten wie Prcchtler, Weidmann ?c. gelungen war, durch loyale Tiraden of¬
fiziellen Beifall zu gewinnen ; auch das im thierischen Leben versumpfteste deut¬
sche Volk fängt an persönlich zu werden und der gestern über alle Grenzen
hervorbrechende Beifall erschien den Aufmerksamer als — kein Beifall, d. h.
nach anderen Seiten hin, die Machthaber werden ihn nicht für sich deuten.
Zwei Regisseure mußten durch Dankesversicherungen im Namen des Verfassers
den nicht enden wollenden Sturm wiederholt beschwichtigen. Aus den Logen
erscholl es natürlich- nicht so laut. Als Einer im Stücke sagte: „Es muß
doch ein eigenes Gefühl sein, so einen Fürsten zu sehen, einen geborenen",
woraus ihm der Andere erwiedert: „Nun, geboren sind wir Alle", erscholl ein
ungeheueres Gelächter. Der Hof war übrigens nicht zugegen — wohl nur
zufällig —. Bauernfeld sagte » * »: Wenn die Censur, mißgestimmt
durch den Beifall, bei den folgenden Aufführungen das Geringste streichen soll¬
te, so verzichte er aus die Tantieme und nehme das Stück zurück.
' Noch ein anderer Brief sagt: „Bauernfelds deutscher Krieger wird sich
sicher halte», weniger wett das Stück ein gut gemachtes ist, als weil Charak¬
terzeichnung und besonders mannhafter Freimuth und echt deutsche Gesinnung
es vor allen bisherigen Leistungen Bauernfeld's auszeichnen."
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[0076] Um nun aber als ein honetter Wiener diesen Bericht zu schlie¬ ßen, muß ich wie am Eingange so am Ausgange aus das Essen zurückkommen. Für 6 si. (4 Thaler) das Couvert waren Wein und Speisen so herzlich schlecht, daß es der abstracteste Hegelianer nicht schlechter hätte wünschen können. Wien steht am Vorabende einer großen Krisis — der Magen wird enger, das Herz und die Gedan¬ ken erweitern sich. — Äußerung, die man bisher niemals auf einer österreichischen Bühne zu hören bekam. So wären denn auch für Oesterreich die Zeiten vorüber, in denen es Leuten wie Prcchtler, Weidmann ?c. gelungen war, durch loyale Tiraden of¬ fiziellen Beifall zu gewinnen ; auch das im thierischen Leben versumpfteste deut¬ sche Volk fängt an persönlich zu werden und der gestern über alle Grenzen hervorbrechende Beifall erschien den Aufmerksamer als — kein Beifall, d. h. nach anderen Seiten hin, die Machthaber werden ihn nicht für sich deuten. Zwei Regisseure mußten durch Dankesversicherungen im Namen des Verfassers den nicht enden wollenden Sturm wiederholt beschwichtigen. Aus den Logen erscholl es natürlich- nicht so laut. Als Einer im Stücke sagte: „Es muß doch ein eigenes Gefühl sein, so einen Fürsten zu sehen, einen geborenen", woraus ihm der Andere erwiedert: „Nun, geboren sind wir Alle", erscholl ein ungeheueres Gelächter. Der Hof war übrigens nicht zugegen — wohl nur zufällig —. Bauernfeld sagte » * »: Wenn die Censur, mißgestimmt durch den Beifall, bei den folgenden Aufführungen das Geringste streichen soll¬ te, so verzichte er aus die Tantieme und nehme das Stück zurück. ' Noch ein anderer Brief sagt: „Bauernfelds deutscher Krieger wird sich sicher halte», weniger wett das Stück ein gut gemachtes ist, als weil Charak¬ terzeichnung und besonders mannhafter Freimuth und echt deutsche Gesinnung es vor allen bisherigen Leistungen Bauernfeld's auszeichnen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/76>, abgerufen am 22.07.2024.