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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Was hat Preußen von den nächsten Provin
zial-Landtagen zu erwarten?



5V^it dem neue" Jahre wird auch ein neues parlamentarisches
Leben in Preußen beginnen. Davon ist die Regierung, davon ist
die ganze Nation überzeugt. Um aber die modernen Verhältnisse
und Zustände der preußischen Monarchie richtig beurtheilen zu kön¬
nen, muß man auf die früheren Regenerations-Gesetze, wodurch
das Feudal-System in seinen Grundfesten erschüttert und vernichtet
worden ist, zurückgehen. Durch die Gesetzgebung von 1807 bis 1814
hat der preußische Staat eine neue, eine veränderte sociale Basis er¬
halten. Das Grundeigenthum ist von seinen Fesseln befreit und dem
freieren Verkehr übergeben worden; die Rittergüter sind dem Erwerbe
eines jeden Staatsgenossen frei gestellt, die Besitzungen der Bauern
freies Eigenthum geworden; beide können dem Bedürfnisse gemäß
parcellirt, oder mehr arrondirt werden. Die Gewerbefreiheit ward
jedem Einwohner des Staates zugesichert 5). Die Autonomie der
Städte ist innerhalb billiger Grenzen durch die alten und neuen
Städte-Ordnungen im ganzen Königreiche anerkannt; und wenn auch
die östlichen Provinzen noch immer auf die Ertheilung einer Com-
munal-Ordmmg für das platte Land harren, so haben die Bauer¬
güter durch die eingeleiteten und zum größeren Theil vollzogenen Ab¬
lösungen sich der Selbständigkeit zu erfreuen. Dazu kommt die all¬
gemeine Schul- und Wehrpflicht, wodurch alle Staatsgenossen geistig
und körperlich ausgebildet werden. Die Patrimonialgerichtsbarkeit,
der erimirte Gerichtsstand und mehrere andere Vorrechte sind jedoch
noch nicht im ganzen Staate verschwunden; es ist, als sollten diese



*) Nur den Schriftstellern blieb sie durch ein anomales, von den Provin-
zialständen noch nicht begutachtetes Verfahren entzogen.
Grenzl'oder 1845. I. 1
Was hat Preußen von den nächsten Provin
zial-Landtagen zu erwarten?



5V^it dem neue» Jahre wird auch ein neues parlamentarisches
Leben in Preußen beginnen. Davon ist die Regierung, davon ist
die ganze Nation überzeugt. Um aber die modernen Verhältnisse
und Zustände der preußischen Monarchie richtig beurtheilen zu kön¬
nen, muß man auf die früheren Regenerations-Gesetze, wodurch
das Feudal-System in seinen Grundfesten erschüttert und vernichtet
worden ist, zurückgehen. Durch die Gesetzgebung von 1807 bis 1814
hat der preußische Staat eine neue, eine veränderte sociale Basis er¬
halten. Das Grundeigenthum ist von seinen Fesseln befreit und dem
freieren Verkehr übergeben worden; die Rittergüter sind dem Erwerbe
eines jeden Staatsgenossen frei gestellt, die Besitzungen der Bauern
freies Eigenthum geworden; beide können dem Bedürfnisse gemäß
parcellirt, oder mehr arrondirt werden. Die Gewerbefreiheit ward
jedem Einwohner des Staates zugesichert 5). Die Autonomie der
Städte ist innerhalb billiger Grenzen durch die alten und neuen
Städte-Ordnungen im ganzen Königreiche anerkannt; und wenn auch
die östlichen Provinzen noch immer auf die Ertheilung einer Com-
munal-Ordmmg für das platte Land harren, so haben die Bauer¬
güter durch die eingeleiteten und zum größeren Theil vollzogenen Ab¬
lösungen sich der Selbständigkeit zu erfreuen. Dazu kommt die all¬
gemeine Schul- und Wehrpflicht, wodurch alle Staatsgenossen geistig
und körperlich ausgebildet werden. Die Patrimonialgerichtsbarkeit,
der erimirte Gerichtsstand und mehrere andere Vorrechte sind jedoch
noch nicht im ganzen Staate verschwunden; es ist, als sollten diese



*) Nur den Schriftstellern blieb sie durch ein anomales, von den Provin-
zialständen noch nicht begutachtetes Verfahren entzogen.
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[0007] Was hat Preußen von den nächsten Provin zial-Landtagen zu erwarten? 5V^it dem neue» Jahre wird auch ein neues parlamentarisches Leben in Preußen beginnen. Davon ist die Regierung, davon ist die ganze Nation überzeugt. Um aber die modernen Verhältnisse und Zustände der preußischen Monarchie richtig beurtheilen zu kön¬ nen, muß man auf die früheren Regenerations-Gesetze, wodurch das Feudal-System in seinen Grundfesten erschüttert und vernichtet worden ist, zurückgehen. Durch die Gesetzgebung von 1807 bis 1814 hat der preußische Staat eine neue, eine veränderte sociale Basis er¬ halten. Das Grundeigenthum ist von seinen Fesseln befreit und dem freieren Verkehr übergeben worden; die Rittergüter sind dem Erwerbe eines jeden Staatsgenossen frei gestellt, die Besitzungen der Bauern freies Eigenthum geworden; beide können dem Bedürfnisse gemäß parcellirt, oder mehr arrondirt werden. Die Gewerbefreiheit ward jedem Einwohner des Staates zugesichert 5). Die Autonomie der Städte ist innerhalb billiger Grenzen durch die alten und neuen Städte-Ordnungen im ganzen Königreiche anerkannt; und wenn auch die östlichen Provinzen noch immer auf die Ertheilung einer Com- munal-Ordmmg für das platte Land harren, so haben die Bauer¬ güter durch die eingeleiteten und zum größeren Theil vollzogenen Ab¬ lösungen sich der Selbständigkeit zu erfreuen. Dazu kommt die all¬ gemeine Schul- und Wehrpflicht, wodurch alle Staatsgenossen geistig und körperlich ausgebildet werden. Die Patrimonialgerichtsbarkeit, der erimirte Gerichtsstand und mehrere andere Vorrechte sind jedoch noch nicht im ganzen Staate verschwunden; es ist, als sollten diese *) Nur den Schriftstellern blieb sie durch ein anomales, von den Provin- zialständen noch nicht begutachtetes Verfahren entzogen. Grenzl'oder 1845. I. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/7>, abgerufen am 22.07.2024.